Kein Regenblogenflaggen-Verbot bei ESC-Shows
Eine Meldung auf dem Onlinenachrichtendienst "Pink News" schreckt auf: Ihr zufolge soll es in der Stockholmer Globen-Arena verboten sein, etwa während der Performance des russischen ESC-Kandidaten Sergey Lazarev die Regenbogenflagge zu schwenken.
Zeichen des Behauptungswillens
Die bunte Flagge ist das internationale Symbol der LGBTI-Community - also der Lesben, Schwulen, Trans- und Intermenschen. Sie wird seit vielen Jahren von Fans zum ESC mitgebracht. Es ist ein Zeichen des Lebens- und Behauptungswillens von und für beispielsweise in Russland zum Schweigen gebrachten Menschen. Russland, dies sei auch noch erklärt, hat vor wenigen Jahren Gesetze erlassen, nach denen Homosexuelle öffentlich als solche nicht auftreten dürfen. Und auch noch dies: Russland ist vielen Fans ein Dorn im Auge auch deshalb, weil 2009 beim ESC in Moskau der damalige Bürgermeister sich weigerte, an der Eröffnungszeremonie teilzunehmen, weil der ESC ihm (und viele anderen aus der politischen Elite des Landes) als schwules Event gilt.
Kopenhagen pfiff Russland aus
Tatsächlich hat sich das internationale Publikum beim ESC in den vergangenen Jahren als durchaus lautstark fähig erwiesen, gegen die homophobe Politik Russlands mit Unmutsbekundungen zu protestieren. Vor zwei Jahren in Kopenhagen wurden die Tolmachevy Sisters durchaus unhöflich mit Pfiffen bedacht - nicht von Regenbogenflaggenträgern allein. Die European Broadcasting Union schätzt solche Statements so gar nicht. Und hat auch dieses Jahr einen Flaggenkodex verabschiedet.
Aus dem geht hervor, dass es sehr wohl möglich sei, Flaggen in die Arena zu tragen, auch die mit dem Regenbogenzeichen. Verboten sind Fahnen - also nationale Souveränitätszeichen - von europäischen beziehungsweise eurovisonären Landesteilen, die nicht am ESC teilnehmen oder zur EBU gehören, etwa die des Kosovo, von Katalonien, Nordzypern, dem Baskenland, Palästina oder Schottland. Jedenfalls: Die Regenbogenflaggen dürfen nicht als "politisches Werkzeug" missbraucht werden, sagte ESC-Pressesprecher Dave Goodman im Gespräch mit eurovision.de.
Politische Neutralität als Maxime
Denn, so Goodman, der ESC müsse strikt auf seine politische Neutralität achten (auch dann, was die EBU- und ESC-Spitze ebenso wissen dürften, wenn die meisten Zuschauer in den Shows selbst politische Befindlichkeiten entdecken). Wenn aber die Regenbogenflagge mitzubringen und zu schwenken erlaubt ist: Was wäre dann verboten? Goodman hierzu: "A political statement could be for example trying to block cameras using flags or banners during a particular performance but there is no definitive list." Auf deutsch: Wenn diese Fahne während einer bestimmten Performance direkt in die Kameras gehalten wird. Eben: während des Auftritts von Sergej Lazarev. Aber, so muss man Goodmans Nachsatz verstehen, eine definitive Liste, ein präzise umrissenes "Okay" oder "anstößig" gibt es nicht.
Dima Bilan ausgepfiffen
Ich würde sagen: Alles halb so wild - die Meldung aus "Pink News" bauscht den Umstand auf, dass der ESC keine krass politische Arena sein will. Immerhin sind Regenbogenflaggen ja zugelassen - obwohl es keinen Regenbogenstaat gibt und diese Flagge kein ausdrückliches ESC-Mitglied repräsentiert, sondern seitens der EBU als Flaggensymbol für Toleranz anerkannt wird. Das ist doch schon mal ein Fortschritt!
Falls es doch zu politischen "Pannen", also zu Explizitheiten kommt, würde man sich, so vermute ich, ohnehin auf die Lösung verlegen, die die EBU schon nach der Gala zum 60. ESC am 31. März 2015 in London wählte: Für den offiziellen Mitschnitt der Aufzeichnung, den viele TV-Stationen ausstrahlten, wurden die Buhrufe gegen den ESC-2008-Sieger Dima Bilan herausgeschnitten - und dafür dessen Auftritt aus der Generalprobe hineinmontiert.