Song Writing Camp: Ein Blick in die Studios
Sechs Kandidaten des deutschen Vorentscheids haben sich auf fünf intensive Tage eingelassen. Mit 24 internationalen Songschreibern arbeiten sie in einem Tonstudio in Berlin-Kreuzberg an ihren Liedern, die sie zum ESC nach Tel Aviv führen sollen - von morgens bis teilweise spätabends. Jens Bujar, Geschäftsführer der Produktionsfirma Lodge of Levity, ist einer der kreativen Verantwortlichen beim Song Writing Camp und musste schon einmal ein Team um 00:30 Uhr rauswerfen. Ein anderes Team, so hörte man, sei allerdings bereits um 17:00 Uhr fertig gewesen.
Dabei brauchten Künstler und Songschreiber am ersten Tag eine Weile, um sich aneinander zu gewöhnen. Nach dem ersten Treffen musste gleich an neuen Liedern gearbeitet werden und das ist schließlich ein intimer Vorgang. "Ich muss etwas von mir weggeben, aber der Song muss wieder zu meinem werden", sagt Kandidatin Lilly Among Clouds aus Würzburg. Aber trotz Eingewöhnungsphase scheint die Zusammenarbeit zu fruchten. Sängerin BB Thomaz ist stolz auf ihren ersten Song: "Es ist etwas herausgekommen, das ich gar nicht erwartet hätte." Aus Platzgründen arbeiten Lilly und BB Thomaz an diesem Tag in einem anderen Berliner Studio. Die vier, die in Kreuzberg geblieben sind, lassen sich kurz über die Schulter schauen.
Aly Ryan: Am Anfang stehen die "Uh-uh-uhs"
Das Tonstudio von Aly Ryan ist wohl das internationalste. Aly, die in Los Angeles wohnt, schreibt mit der Britin Michelle Leonhard, der Österreicherin Tamara Olorga und dem Dänen Thomas Stengaard, der schon Michael Schultes "You Let Me Walk Alone" und Emmelie de Forests "Only Teardrops" mitkomponierte. Das Team, das sich ausschließlich auf Englisch unterhält, steht noch ganz am Anfang. Es geht um einen Beat. Aly möchte "etwas weniger 80er" - bekommt sie sofort. Thomas Stengaard sitzt am Keyboard und sucht die Grundtöne für das Lied. Ab und zu hört sich das Team im Internet Songs zur Inspiration an, auch von Aly selbst. Die ganze Woche werde sie schon mit der schwedischen Sängerin Robyn verglichen, sagt sie. Thomas Stengaard spielt eine Frequenz, auf die Aly jammen soll - also mit ihrer Stimme frei improvisieren. Aly singt einige "Uh-uh-uhs", später wechselt sie in die erste Zeile Text. Der Sound des Songs scheint düster. Im Lied soll es um eine versteckte Liebeserklärung gehen - "aber anders, nicht so la la la", sagt Aly.
Gregor Hägele feilt an den Strophen
Es ist Nachmittag und im Studio von Gregor Hägele werden schon Teile eines Songs abgespielt, der bislang diesen Raum noch nicht verlassen hat. Der 18-Jährige arbeitet an einem deutschen Song. Es geht um Träume und um Angst, die Songfragmente wirken sehr poetisch. Der Refrain scheint zu stehen, aber an den Strophen wird noch gearbeitet. Es geht um einzelne Worte und deren Bedeutung. Hinter einem großen Pult mit wahnsinnig vielen Knöpfen sitzt Gregor mit dem deutschsprachigen Songwriter-Team. Ins Englische wird dann gewechselt, wenn es um die Musik geht. Einer der internationalen Schreiber sitzt am Laptop vor einem Programm mit sechs Audiospuren. Gregor singt die neuen Zeilen ein. Am besten soll er sie in allen möglichen Tonhöhen singen, sagt sein Team, denn so gehe keine verloren. Das Team wirkt eingespielt und Gregor scheint sein Song zu gefallen - wenn man seinem Kopfwippen in den Strophen vertrauen kann.
Makedas Melodien sind "etwas richtig Cooles"
Makeda musste ihr Team für eine Weile alleine arbeiten lassen. Wie mit allen Teilnehmern des Song Writing Camps wurden mir ihr Interviews für ihren Vorstellungsfilm im deutschen Vorentscheid gedreht. Doch offensichtlich ist sie zufrieden mit der Arbeit, die ihr Team in der Zeit geleistet hat. Hier und da hat der Text noch Lücken, aber gerade arbeitet man mehr an der Musik. Von Oliver Som am Laptop kommen wuchtige Beats, Kelvin Jones' Gitarre fügt eine Melodie hinzu. Makeda singt zusammen mit Songwriter Tim Schou ihren Text. Schou war selbst schon auf einer ESC-Bühne, als Sänger der dänischen Band A Friend in London, die 2011 in Düsseldorf Fünfte wurde. Oliver Som erinnert daran, dass sie aufpassen müssen, nicht einfach eine normale Ballade zu schreiben. Den Refrain des Songs, der anscheinend "I’m breathing fine" heißen soll, singt das Songschreiber-Quartett dann zweistimmig. Danach ist sich Schou sicher: "Das hier ist etwas richtig Cooles!"
Linus Bruhn denkt ans Drachen steigen lassen
"Was heißt Kastanie auf Englisch?", will Linus Bruhn wissen. Conker ist die Antwort und wird sofort in den Song eingebaut. Der Student singt über seine Kindheit. "Früher haben wir Wettbewerbe gemacht, wer die meisten Kastanien sammelt. Aber jetzt interessiert das keinen mehr - alle sind immer am Handy", sagt er enttäuscht. Aus Linus' Erinnerungen und Geschichten soll jetzt ein Song entstehen. Ein Lied über das Draußensein, Drachen steigen lassen und Star Wars spielen. "On the tip of my tongue" scheint ein zentraler Satz des Liedes zu sein. Die Songschreiber geben wertvolle Tipps: Detaillierte Ereignisse nicht schon in der ersten Zeile der Strophe, nicht zu kindisch im Text werden. Jeder mögliche Text für den Songbeginn wird von den Schreibern gleich auf die fertige Melodie gesungen. Linus sitzt am Keyboard, alle zusammen singen den frischen Text. Es klingt sehr harmonisch und geht Linus nicht mehr aus dem Kopf. Auch auf den Gängen des Kreuzberger Tonstudios singt und summt er immer mal diesen Song, der vielleicht sein Lied für den deutschen Vorentscheid wird.