Song Writing Camp: Interview mit Michael Schulte
Es stand in keinem Plan, auf keiner To-do-Liste, besser: To-welcome-Liste in den Kung Fu Studios in Berlin-Kreuzberg: dass auch ESC-Teilnehmer Michael Schulte noch zu Besuch kommen würde. Aber er kam tatsächlich für ein TV-Interview und hatte auch noch neun Minuten Zeit für eurovision.de. Ausgesprochen guter Laune, man könnte sagen tiefenentspannt, beantwortete er unsere Fragen akkurat. So kennt man ihn eben: echt und ohne große Umstände. Um 13:07 Uhr am Montag des ersten echten Songcamp-Tages verabschiedete er sich wieder - in die Taxe, um in einem anderen Studio an einem seiner neuen Songs zu arbeiten. Ein Gerücht kann insofern dementiert werden: Der Überraschungsmann von Lissabon ist nicht als Songschreiber an "Unser Lied für Israel" beteiligt.
Michael, du bist der "Kennenlern-Hauptgewinn" beim Song Writing Camp für den ESC 2019 - ist das ein geplanter Besuch?
Michael Schulte: Danke, danke. Nee, ich bin spontan hier, gerade aus Buxtehude angereist. Ich habe selbst ein Songcamp heute in Berlin für meinen neuen Song.
Was geht dir durch den Kopf, wenn du dieses Studio wieder betrittst?
Schulte: Vor allem muss ich ein bisschen schmunzeln, wenn ich daran denke, wie es im Januar war, als wir Kandidaten für Lissabon hier für drei Tage zusammenkamen - und was hier abging. Es lief ja für mich alles gut, wirklich, alles lief gut. Mein ganzes Jahr wirkt aus heutiger Sicht so, als wäre es gescripted worden.
Aber es war ja auch fast ein Jahr nach Drehbuch, oder?
Schulte: Die Leute kamen überhaupt nicht mehr aus dem Beglückwünschen heraus. Erst die Auditions, dann das Lied, mit dem ich das Songcamp verließ, die Vorentscheidung, der Sieg dort, dann Lissabon - und schließlich meine Hochzeit, dann bin ich ja auch noch im Sommer Vater geworden. Das ist ganz schön viel Glück auf einmal, oder? Hier in Kreuzberg hat es angefangen.
Macht dich das auch ein bisschen wehmütig, dass dein Eurovisionsjahr bald endet?
Schulte: Nein, das macht mich weder wehmütig noch ist das schlimm. Ich bin ja mit allem, was mir in diesem Jahr passierte, mehr als zufrieden. Auch weil der Spaß am ESC in Deutschland wieder gewachsen ist. Ich bin sehr gespannt, welche Künstler sich um den ESC in Israel bewerben - und welche Songs es werden, die sie präsentieren.
Kennst du von den Kandidaten welche?
Schulte: Nein, die allermeisten nicht. Unter den Songschreibern sind bekannte Gesichter, es sind ja auch die dabei, die an "You Let Me Walk Alone" mitgeschrieben haben. Ich hoffe, dass es auch für nächstes Jahr ein guter Song wird - eine gute Stimme allein reicht ja nicht. Das Gesamtpaket muss stimmen. Ein bisschen Glück muss dann dabei sein, ein gewisses Händchen für den Erfolg. Aber vor allem muss das Lied rüberkommen, darum geht's.
Welche Tipps würdest du den Kandidaten für Israel geben wollen?
Schulte: Hätte ich wirklich Zeit, um mit allen zu sprechen, würde ich sagen: Schreibt einen Song, mit dem man sich identifizieren kann, der zu euch passt, der von Herzen kommt, schreibt eine authentische Geschichte, die die Menschen erreicht. Das ist das Schwierige. Es sollte ein Song sein, der den Nerv der Zeit trifft und der in möglichst vielen Eurovisionsländern verstanden wird. Es muss für den ESC passen, nicht fürs Radio.
Worin liegt der Unterschied?
Schulte: Tja, schwer zu sagen. Es gibt keine Geheimformel. Vielleicht so viel: Beim ESC muss ein Lied als besonders auffallen und auch neben 26 anderen Darbietungen im Ohr bleiben.
Im Radio sollte - so wie "You Let Me Walk Alone" - das Lied ja auch gespielt werden?
Schulte: Klar, aber ein Popsong fürs Radio kann im Hintergrund so weggehört werden - das geht beim ESC nicht. Radio ist auch ein Medium zum Nebenbei-Konsumieren. Das wäre für den ESC falsch. Wer ein Lied präsentiert, das einen Background-Sound kreiert, der wird wohl kaum beachtet. Wie man es genau macht, um im Gedächtnis zu bleiben, weiß ich natürlich auch nicht. Für uns war der Januar im Songcamp ein ewiges Nachdenken darüber, wie genau wir das schaffen, Augen und Ohren im Gedächtnis zu bleiben.
Wie geht es jetzt bei dir weiter?
Schulte: Ich erklimme jetzt die nächste Stufe - ohne dass ich weiß, was mich dort erwartet. Aber ich kann cool bleiben, ich bin ja nicht erst seit gestern Musiker. Es bleibt spannend.
Wirst du beim Vorentscheid für "Unser Lied für Israel" dabei sein?
Schulte: Klar. Ich freue mich drauf.