Polen: Magdalena Tul
Als Magdalena Tul vierzehn Jahre alt war, nahm ihr Heimatland Polen erstmals am Eurovision Song Contest teil - und wurde beinahe disqualifiziert. Selbst Schuld, kann man nur sagen. Warum musste Edyta Górniak ihren polnischsprachigen Beitrag "To Nie Ja" in der Generalprobe, die den Juroren bekanntermaßen als Beurteilungsgrundlage dient, auf Englisch singen? Das war 1994 nach damaligen Regeln nicht erlaubt. Zu Górniaks Glück bestanden nicht genügend Länder auf ihre Disqualifikation und so landete sie in Dublin auf dem sensationellen zweiten Rang. 2011 gab es wieder ein sprachliches Verwirrspiel. Nach einigem Hin und Her zwischen Polnisch und Englisch entschieden Magdalena und die Verantworlichen sich für die polnische Version ihres ESC-Titels "Jestem" .
2004: Magdalena Tuls erster Versuch beim ESC
Seit Polens erster Teilnahme 1994 schaffte das Land es nur noch einmal unter die Top-Ten, nämlich 2003 in Riga mit der Band Ich Troje und dem dreisprachigen Song "Zadnyh granic" (Keine Grenzen) auf dem siebten Platz. Ob der fulminante Start Polens beim Grand Prix die 1980 in Danzig geborene Magdalena Tul beeinflusst hat, ist nicht bekannt. 2004 unternahm sie jedenfalls ihren ersten Versuch auf eine Teilnahme am ESC, es reichte aber nur für einen neunten Platz beim polnischen Vorentscheid.
Lady Tullo: Akademikerin mit Psychologieabschluss
Vielleicht hatte ihre Akademikerlaufbahn sie zu sehr in Anspruch genommen: Im selben Jahr schloss die Künstlerin, die auf die Kosenamen "Magda" und "Lady Tullo" hört, erfolgreich ihr Masterstudium in Pädagogik und Psychologie ab. Zuvor hatte sie als Sängerin eine klassische Laufbahn absolviert: Umfangreiche Erfahrungen in Kinderchören und Teeniebands als Voract polnischer Musikgrößen, später Gesangsausbildung und erste Schauspielstudien. Zur Jahrtausendwende zog die 20-Jährige nach Warschau und erhielt Engagements an Musicaltheatern. So sang sie am Theater "Roma" unter anderem in "Grease", "Cats" und "Miss Saigon" und gründete mit ein paar Kollegen das Plattenlabel "Loud Tally Records".
Finale am Valentinstag: Durchmarsch der 30-Jährigen
Bei ihrem zweiten Anlauf aufs polnische Finale am Valentinstag, seit drei Jahren traditionell der Finaltermin beim polnischen Fernsehen, hielt es Lady Tullo mit Cäsar: Sie kam, sang als erste, und siegte. 44,47 Prozent aller Zuschauer waren von ihrer bombastischen Bühnenshow derart hingerissen, dass sie der 30-jährigen das Ticket nach Düsseldorf gönnten.
Es passte einfach alles zusammen: die blauen Katzenaugen, die Stiefel, bei dem das Attribut meterhoch eine neue Dimension erhält sowie ihre akrobatischen Tanzkünste und eine Bühne im Stile von James Bonds "Goldfinger" mit tanzenden Silhouetten hinter weißen Leuchtkästen. Ihr selbst geschriebener und getexteter Pop-Dancefloor Song "Jestem" überholte mühelos die neun Konkurrenten, darunter ihre Kollegin Anna Gogolas mit einem Poprock-Beitrag. Diese erhielt nicht einmal die Hälfte von Tuls Stimmen.
Ganz so mühelos konnte das Multitalent mit dem Sternzeichen Stier im ersten Halbfinale allerdings nicht durchmarschieren: Die Konkurrenz war mit Serbien, Norwegen und Russland stark und Deutschland, das Polen traditionell viele Punkte gibt, war erst im zweiten Halbfinale stimmberechtigt. Magdalena eröffnete mit "Jestem" das erste Halbfinale - so hatte sie es selbst durch eine Wildcard entschieden. Doch was ihr in der Heimat Glück gebracht hatte, war in Düsseldorf nicht der Schlüssel zum Erfolg: Sie musste nach dem Halbfinale glücklos nach Hause reisen.