Emma Marrone: "Jede Bühne ist heilig"
Auf der italienischen Party in Kopenhagen hat Emma Marrone unter Beweis gestellt, wie viel Power in ihr steckt. Im Interview zeigt sich die quirlige Sängerin dagegen von ihrer nachdenklichen Seite.
Signora Marrone, als kleines Mädchen wurden Sie auf einen Bartisch gehoben, um von dort die Herzen des Publikums zu erobern. Heute singen Sie auf deutlich größeren Bühnen - oder klettern Sie ab und zu doch noch auf einen Bartisch?
Emma: Aber natürlich! Man darf niemals vergessen, woher man kommt und wo alles begonnen hat. Für mich ist jede Bühne gleich wichtig. Und eine große Bühne macht aus einem nicht gleich einen großen Künstler. Jede Bühne ist heilig, von der kleinsten bis zur größten, ob in Italien oder im übrigen Europa.
Sie haben Ihre Karriere 2003 bei einem Fernsehwettbewerb begonnen, dann die Castingshow "Amici di Maria de Filippi" gewonnen, anschließend den ersten Platz beim Sanremo Festival belegt und nehmen nun am ESC teil. Ihr Leben scheint ein ständiger (Wett-)Kampf zu sein …
Emma: Nun, diesen Kampf führen wir doch alle, und zwar in erster Linie mit uns selbst, denn das Leben stellt uns jeden Tag vor neue Herausforderungen. Natürlich haben diese ganzen Herausforderungen mein Durchhaltevermögen und meinen Kampfgeist gestärkt. Denn auch wenn gerade alles glatt läuft weiß ich, dass um die Ecke schon wieder neue Herausforderungen auf mich warten.
Sie haben eine schwere Krebserkrankung hinter sich, die Ärzte gaben Ihnen ohne OP nur zwei Monate zu leben. Wie haben Sie in dieser schweren Zeit Kraft geschöpft? Sind Sie gläubig?
Emma: Ich glaube an Gott und ich glaube an das Schicksal. Und mein Schicksal war es offenbar, diese Krebserkrankung zu überstehen und meinen Weg fortzusetzen.
In Deutschland ist der Karriereweg von Castingshow-Siegern eher kurz - ganz anders bei Ihnen. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Emma: Das kann ich Ihnen gar nicht wirklich beantworten, aber wie gesagt: Ich glaube an das Schicksal und dass die Menschen mit einer Bestimmung zur Welt kommen. Meine Bestimmung war es offenbar, Sängerin zu werden - ganz unabhängig von den Erfahrungen, die es mir gestattet haben, diese Bestimmung zu erfüllen.
Sanremo ist Sanremo - so lautet das Motto der "Mutter aller Musikwettbewerbe". Auch wenn Sanremo einmalig ist, sehen Sie Parallelen zwischen Sanremo und dem Eurovision Song Contest?
Emma: Beides sind sehr wichtige Wettbewerbe, aber beim ESC muss man sich mit Künstlern anderer Nationen messen, die einen anderen kulturellen und musikalischen Background haben. Vor diesem Hintergrund empfinde ich den ESC als deutlich schwieriger.
Und in Sachen Fans?
Emma: Ich finde es schön, dass mich meine Fans auch hier so wunderbar unterstützen, selbst wenn sie am Samstag nicht für mich anrufen dürfen. Ich bekomme jeden Tag viel Post von ihnen und das bereitet mir große Freude. Besonders toll finde ich, dass ich auch so viel Unterstützung von Fans aus anderen Ländern bekomme. Mein Dankeschön richtet sich daher an all meine Fans in ganz Europa.
Im Februar sind Sie für Ihren Auftritt bei "Unser Song für Dänemark" erstmals nach Deutschland gereist. Welche Rolle spielt Deutschland für Ihre Karriereplanung?
Emma: In Deutschland Konzerte zu geben und Platten zu verkaufen ist mir sehr wichtig und wäre wirklich wahnsinnig toll! Aber: Gut Ding will Weile haben…
Ende Mai finden Europawahlen statt und in vielen Ländern sind populistische Parteien auf dem Vormarsch - auch in Italien. Sehen Sie Parallelen zwischen Ihren Landsleuten und der unentschlossenen und ein wenig egozentrischen Person in deinem Song "La mia città"?
Emma: Ich habe mit Politik absolut nichts am Hut und in meiner Musik finden sich auch keine politischen Botschaften. Ich will keine Politik machen, ich verfolge auch keine politischen Entwicklungen und ich gehe nicht wählen. Aber ich finde nicht, dass die Person in meinem Song egozentrisch ist - ganz im Gegenteil. Es handelt sich um eine Frau, die sich ständig verändert, je nachdem in welcher Stadt sie lebt und welche Erfahrungen sie dort sammelt. In Wirklichkeit geht es gar nicht um die Frau, sondern um die Städte selbst, und die Städte stehen nicht für Italien, sondern für die ganze Welt. Und die Frau, die alles sofort haben will, weil sie im Hier und Jetzt lebt, sucht diese Erfahrungen in der Welt, nicht in den eigenen vier Wänden. Sie ist aufgeschlossen, frei und unvoreingenommen. Sie sucht nach positiven Erfahrungen - für sich und für andere.
Sollte man so sein, um am ESC teilzunehmen?
Emma: Man sollte so sein, um andere Menschen zu respektieren, denn alle haben die gleichen Rechte - ganz unabhängig vom Eurovision Song Contest.
Das Interview führte Dr. Irving Wolther.