"Diese Voting-Situation ist nicht ohne"
Mit Songs wie "Morgens immer müde" haben Laing einen Nerv getroffen und sich eine Fanbase aufgebaut. Beim deutschen Vorentscheid wollen sie sich nun einem breiteren Publikum präsentieren. Nicola Rost, kreativer Kopf von Laing, spricht im Interview über ihre Hoffnungen und Ängste in Sachen Vorentscheid.
Ein kleines Quiz vorab: Wie oft hatten wir reine Frauenbands beim ESC?
Nicola Rost: Ich rate jetzt einfach mal. Da rein weiblich besetzte Bands generell Seltenheitswert haben, würde ich den Ball flach halten: fünf Mal.
Vier Mal wäre richtig gewesen: 1976 Silver Convention, 1994 Mekado, 2008 No Angels und 2014 Elaiza. Also eine große musikalische Spannbreite. Wo ordnet ihr euch da als potenzielle Nachfolger ein?
Rost: Ich weiß nicht, ob man uns da musikalisch einordnen kann. Ich habe im Internet gelesen, dass uns jemand mit Mekado verglichen hat. Ich würde aber sagen, dass wir da die fünfte Ecke aufmachen.
Warum spielen Texte in deutscher Sprache für euch eine große Rolle?
Rost: Für mich ist es wichtig, dass ich weiß, was ich sage. Ich kann zwar gut Englisch, aber ich finde, dass Sprache mehr Dimensionen hat als nur den Wortlaut. Es gibt auch Anspielungen, die nur Muttersprachler verstehen. Ich hätte Angst davor, zum Beispiel auf Englisch Sachen zu sagen, die mir gar nicht bewusst sind - oder einen ganz flachen Text zu schreiben. Ich finde auch, dass Deutsch zum Singen eine sehr schöne Sprache ist. Man kann nicht alles machen, aber aus dem Rhythmus und der Melodie der Sprache ergibt sich eine gewisse musikalische Herangehensweise.
Wenn ihr mit euren deutschen Texten beim ESC antreten solltet, würde euch umgekehrt das ausländische Publikum nicht verstehen. Sind eure deutschen Texte dann ein Nachteil?
Rost: Ich glaube, dass sich die Songs sehr plakativ inszenieren lassen. "Zeig' deine Muskeln" mit dem Fitnessstudio-Style und "Wechsel die Beleuchtung" mit diesem dramatischen Lichtwechsel. Ich finde es ein bisschen schade, dass man als deutschsprachiger Künstler immer gesagt bekommt, dass das im Ausland nicht läuft. Ich habe auch keine Ahnung, worüber Eros Ramazotti singt, aber es kommt ein Feeling rüber, und das spüre ich. Und deswegen glaube ich, dass man das Gefühl, das wir durch die Performance und den Gesang rüberbringen, auf jeden Fall in internationale Kontexte übersetzen kann.
Angenommen, ich würde kein Deutsch verstehen: Welches Gefühl sollte ich denn bei eurer Performance haben?
Rost: Bei "Zeig‘ deine Muskeln" kommt glaube ich schon rüber, dass es etwas Offensives und ein kleines Augenzwinkern hat. Bei "Wechsel die Beleuchtung" versuchen wir, die Verwirrung darzustellen, dass sich Dinge in unterschiedlichem Licht ganz anders präsentieren. Es fängt ja an mit der Textzeile "Ich lieb‘ dich manchmal - und manchmal wechselt die Beleuchtung".
Wäre es für euch eine Option, zum Beispiel "Zeig deine Muskeln" extra für den internationalen Wettbewerb - so wie es in Schweden üblich ist - auf Englisch umzutexten?
Rost: Ich glaube nicht. Man muss sich da auch treu bleiben. Ich singe sehr gerne auf Deutsch.
Die elektronischen Beats von Laing erinnern an NDW und Kraftwerk. Das ist alles sehr deutsch. Warum glaubt ihr, dass das auch international beim ESC funktionieren kann?
Rost: Im Ausland funktionieren ja besonders die Sachen, die eben für etwas typisch Deutsches stehen. Zum Beispiel eben Kraftwerk, Rammstein, Max Raabe, Nena oder Falco. Die vertreten alle ganz unterschiedliche Stile, haben aber alle etwas, das die Welt als typisch deutsch definiert - und deswegen interessant und eigen findet.
Laing ist bekannt für coole Performances. Was habt ihr euch für Hannover einfallen lassen?
Rost: Das kann ich aus spannungstechnischen Gründen nicht verraten. Was ich sagen kann: Wir wollen das Gefühl und die Geschichte, die der Song hat, auch visuell erzählen. Da haben wir uns alle Mühe gegeben und ich kann es kaum erwarten, das mit den anderen auf die Bühne zu bringen.
Beim Bundesvision Song Contest seid ihr vor drei Jahren Zweite geworden. Jetzt steht der "richtige" ESC an. Wird man süchtig nach dem Erfolg und dem Wettbewerb?
Rost: Eigentlich haben wir eher Berührungsängste mit Wettbewerben. Diese Voting-Situation ist nicht ohne. Wenn man Musik macht, stellt man sich zwar sowieso einer öffentlichen Bewertung, aber eben nicht einer Rangfolge. Und es ist für Musiker sehr ungewohnt, dass einer jubelt und der Rest der Truppe enttäuscht daneben steht. Sportler kennen das - aber da werden eben auch messbare Leistungen beurteilt. Natürlich ist es aber auch so, dass gerade der Wettbewerb dem Ganzen erst diese Schärfe und Aufregung verleiht. Beim ESC geht es um einen guten Song und eine große Inszenierung. Und das ist das, woran wir feilen.
Hattet ihr auch ein bisschen Angst, dass euch die Teilnahme beim ESC schaden kann?
Rost: Nein, Angst macht uns eher die Voting-Situation. Wir haben uns jetzt darauf eingelassen und freuen uns immer mehr.
In Hannover tretet ihr gegen viele renommierte deutsche Künstler an. Wie wichtig ist es euch, den Vorentscheid jetzt auch zu gewinnen?
Rost: Wir sind erst mal froh, überhaupt dabei sein zu dürfen. Aber wir müssen uns auch nicht in die Tasche lügen: Von einem zweiten Platz kannst du dir bei dem Contest nichts kaufen. Natürlich haben wir Bock, auf der internationalen Bühne in Wien aufzutreten. Insgeheim hoffen wir natürlich total, dass wir uns beim Vorentscheid durchsetzen.
Macht die Konkurrenz euch nervös?
Rost: Wir haben uns das Teilnehmerfeld angeguckt und es sind so unterschiedliche Stile, dass es fast schon wieder entspannt ist. Wenn Faun, die Mittelalter-Musik machen, gewinnen, ist das keine Absage an uns. Dann ist eben ein anderer Stil gewünscht. Wir graben alle in unterschiedlichen Gärten und deswegen sind uns alle gleich gefährlich. Ich kann es überhaupt nicht einschätzen.