1 | 40 Alexander Rybak eröffnet das zweite Halbfinale und die Proben des dritten Tages. Sein Auftritt unterscheidet sich nur unwesentlich von dem, was es bei der norwegischen Vorentscheidung zu sehen gab.
2 | 40 Zu Beginn spielt der 31-Jährige allerlei virtuelle Instrumente, die als Animation in das Fernsehbild eingeblendet werden. Vier Tänzer und Choristen unterstützen den ESC-Sieger von 2009 mit eher an Aerobic erinnernden Tanzschritten, bevor im Songfinale die unausweichliche Geige zum Zug kommt.
4 | 40 Als Nächstes versuchen The Humans aus Rumänien mit ihrem "Goodbye" die Altice Arena zu rocken. Sängerin Cristina Caramarcu wird von Gitarrist Alexandru Cismaru und Bassist Alin Neagoe flankiert, die in einer Art weißem Arbeitskittel mit dem Rücken zum Publikum stehen und auf dem Hinterkopf augenlose weiße Masken tragen.
5 | 40 Die Band agiert in einem gespenstischen Wald aus Schaufensterpuppen, die gleichfalls maskiert sind und wie Figuren aus dem Film "I, Robot" wirken. Eine Metapher für die seelenlose, anonyme Gesellschaft? Auf jeden Fall eine eher verstörende Inszenierung für alle Fans der Rocknummer.
6 | 40 Obwohl für Serbien Sanja Ilić und Balkanika an den Start gehen, steht Komponist und Bandgründer Ilić gar nicht mit auf der Bühne. Stattdessen wurde die Zahl der weiblichen Stimmen aus dem eigentlich zwölfköpfigen Musikerkollektiv auf drei erhöht. Die Hohepriesterinnen der Vergangenheit bilden eine singende Mauer, die Sänger Mladen Lukić mit dem modernen Refrain durchbricht.
7 | 40 Aus seinem Ausschnitt blitzen eine tätowierte Schwalbe und ein Herz hervor, ansonsten sieht er aus, als sei er gerade einem Fantasy-Roman entsprungen. Leider bietet der Auftritt außer ausladenden Armbewegungen und gravitätischem Schreiten wenig Spektakuläres.
9 | 40 Nachdem zwei Tänzerinnen sie aus dem Umhang befreit haben und darunter viel Rot zum Vorschein kommt, eilt Jenifer Brening rappend herbei und vervollständigt das singende Bühnenpersonal.
10 | 40 Die eigentlichen Stars des Auftritts sind allerdings die Mini-Roboter, die zu dem Song tanzen. Wer hätte gedacht, dass batteriebetriebene Plastikfiguren Sängern aus Fleisch und Blut einmal die Schau stehlen?
11 | 40 Die Wikinger sind los! Mit ihren Booten drangen sie im 9. Jahrhundert plündernd bis nach Portugal vor - heute bevölkern sie die Bühne der Altice Arena. Mit gesetzten Segeln erzählen Rasmussen und seine Mannen die Geschichte von "Higher Ground" um einen Wikingerfürsten, der sich weigerte zu kämpfen und dafür den Märtyrertod starb.
12 | 40 Das martialische Gestampfe der Tänzer wirkt weniger friedvoll, dafür wird der Däne Opfer der Windmaschine, die ihm den Kunstschnee direkt ins Auge weht. Aua! Aber ein Wikinger kennt keinen Schmerz.
13 | 40 Die mit Spannung erwartete Inszenierung des russischen Beitrags "I Won't Break" von Julia Samoylova hinterlässt im Pressezentrum betretenes Schweigen und Ratlosigkeit: Im pastellfarbenen Kleid mit Applikationen, die an eine Geburtstagsgirlande erinnern, thront die Sängerin im Rollstuhl mit viel Glitzer im Gesicht auf einem Projektions-Vulkan.
14 | 40 Um sie herum tanzt ein Pärchen wilde Eislauf-Akrobatik, während der dreiköpfige Chor sich krampfhaft bemüht, wenigstens einen der langen Töne des Refrains halbwegs über die Strecke zu retten. Gänsehaut pur - nur anders, als von den Verantwortlichen vermutlich beabsichtigt.
15 | 40 Eine gesungene Verwechslungskomödie aus Moldau: In den Türchen eines überdimensionalen Adventskalenders erscheinen und verschwinden die drei DoReDoS und ihre Chor-Doppelgänger, wie man es vom Ohnsorg-Theater kennt. Dabei zeigen sie nicht nur gesangliches, sondern auch schauspielerisches Talent, wenn sie in den unterschiedlichsten Konstellationen miteinander anbandeln.
16 | 40 Das Ganze ist so unerwartet, unterhaltsam und gut gesungen, dass das Pressezentrum bei jedem Durchlauf tosenden Applaus spendet. Da will offensichtlich jemand gewinnen.
17 | 40 Was Waylon zu dieser Bühnenperformance getrieben hat, gibt nicht nur den niederländischen Fans und Journalisten Rätsel auf: Auf einem leuchtenden Podium steht der Sänger in Hut und Leopardenmantel, umringt von vier schwarzen Musikern.
18 | 40 Offenbar von sich restlos überzeugt inszeniert sich der 38-Jährige als Rock'n'Roll-Gott, dem die eigene Band huldigt - bevor sie den "Outlaw In 'Em" herauslässt und hektisch über die Bühne zuckt, als habe man ihr hochkonzentrierte Koffeinlösung durch die Adern gepumpt.
20 | 40 Auch der Auftritt von Jessica Mauboy wird dem Star-Status, den die Sängerin in Australien genießt, nicht wirklich gerecht. Kreisend lässt sie die Schleppe ihres Kostüms durch die Gegend rotieren, als wolle sie den Wettergott um lang ersehnten Niederschlag anflehen. Der schickt allerdings keinen Regen, sondern sprüht sinnlos Feuerfontänen.
21 | 40 Zwar gibt die 28-Jährige vor neongreller 80er-Jahre-Kulisse alles, doch in ihrem lilafarbenen Glitzerkleid sieht sie aus wie ein tanzendes, bunt verpacktes Bonbon. Das alles wirkt so überladen und angestrengt, dass sich die Drag-Queens dieser Welt für ihre Parodienshows die Finger danach lecken dürften.
22 | 40 Ganz auf ihre Musik konzentriert zeigen sich Iriao aus Georgien. In schicken schwarzen Anzügen mit modischem Stehkragen lassen sie ihren mehrstimmigen Gesang erklingen, dessen Ursprünge von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt wurden.
23 | 40 Dichter Bühnennebel verleiht ihrer Musik eine meditative, fast esoterische Anmutung. Obwohl die Künstler sich so gut wie nicht bewegen, verleihen kreisende Kamerafahrten, Lichteffekte und zurückhaltend eingesetzte Pyrotechnik dem Auftritt einen dramatischen Spannungsbogen, der den Liedaufbau gekonnt unterstreicht. Sehr stilvoll.
24 | 40 Eigentlich ist der polnische Beitrag "Light Me Up" ziemlich cool, die Inszenierung hinkt dem Sound allerdings deutlich hinterher: Hinter einem riesigen Pult übt sich Gromee in DJ-Moves, die vor etwa 30 Jahren trendy waren, heute allerdings beträchtliches Fremdschäm-Potenzial entfalten.
25 | 40 Derweil bemüht sich Lukas Meijer atemlos, stimmlich mit seinen drei routinierten Chorsängerinnen Schritt zu halten und dabei auch noch lässig rüberzukommen. Das ist so ganz ohne Publikum ein schweres Unterfangen, doch womöglich wirkt auch Gromees wellenförmige Handbewegung weniger peinlich, wenn die Zuschauer im Saal ordentlich mitgrooven.
26 | 40 Christabelle aus Malta singt ihren Beitrag "Taboo" in einer Art Käfig, auf dessen Wände düstere, beklemmende Bilder projiziert werden. Sie stehen für den Seelenzustand eines depressiven Menschen.
27 | 40 Im schwarzen Kostüm interagiert die 26-Jährige mit verschiedenen eingeblendeten Animationen, bis eine Tänzerin den Platz in dem Käfig einnimmt und mit akrobatischen Verrenkungen versucht, aus ihrem albtraumhaften Seelengefängnis auszubrechen. Eine gelungene Umsetzung dieses sensiblen Themas.
28 | 40 Die LED-freie Bühne ist wie geschaffen für den Auftritt der Modern-Metal-Band AWS aus Ungarn. Kein Projektions- oder Animations-Schnickschnack, dafür viel Licht- und Pyrotechnik, die echte Festivalstimmung erzeugt. Leadsänger Örs Siklósi schreit sich druckvoll und wütend den Schmerz über den Verlust seines Vaters von der Seele, während um ihn herum die Welt in Flammen steht.
29 | 40 Gitarrist Dániel Kökényes bereitet sich derweil auf ein handfestes Stagediving vor. Wieder einmal etwas Neues beim ESC! Eine Performance, die im Pressezentrum Beifallsstürme auslöst und auch niemanden im Publikum kalt lassen wird - im wahrsten Sinne des Wortes.
30 | 40 Mit der souligen Ballade "Funny Girl" versucht Laura Rizzotto Lettland in diesem Jahr wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Die lettisch-brasilianische Sängerin setzt dafür auf gepflegte Nachtclub-Atmosphäre und sieht im roten Spitzenoutfit mit Hotpants und Schleppe der skrupellosen Jessica aus dem Zeichentrickfilm "Falsches Spiel mit Roger Rabbit" verblüffend ähnlich.
31 | 40 Die einstudierten Bewegungen und abrupten Schnitte sind allerdings weniger dazu angetan, weibliche Sinnlichkeit zu versprühen. Ohne rechte Motivation wirft die 23-Jährige ihre Mähne durch die Gegend und scheint noch nicht wirklich in ihrer Performance angekommen zu sein.
32 | 40 Wie von dem schwedischen Vertreter zu erwarten, überlässt Benjamin Ingrosso kein Detail seiner Performance dem Zufall. Vor einem Bühnenaufbau, der aussieht wie eine aufgeklappte Sonnenbank mit defekten Röhren, präsentiert der 20-Jährige seine videocliptaugliche Performance stimmsicher und mit der Routine eines alten Showhasen.
33 | 40 Wie einst Måns Zelmerlöw beherrscht Ingrosso jeden Schritt und jede Handbewegung seines Melodifestivalen-Auftritts aus dem Effeff - mit dem Unterschied, dass "Dance You Off" weniger ins Ohr geht, es keine süßen Strichmännchen gibt und das Ganze eher steril rüberkommt.
34 | 40 Man nehme einen dramatischen Song in Moll, einen Sänger mit Sehnsucht in der Stimme, einen Mann am Klavier und vier Choristinnen mit unheilschwangerem Blick, die würdevoll über die Bühne schreiten und ihre Hand tröstend auf die Schulter des Interpreten legen: Fertig ist die perfekte Inszenierung einer montenegrinischen Balkan-Ballade.
35 | 40 Man nehme nicht einen himmelblauen, asymmetrischen Anzug aus Glasfasermatte, mit dem man auf Anhieb zum heißen Anwärter auf den Barbara-Dex-Award wird, den Fan-Preis für das schlechteste ESC-Outfit. Mit dieser Garderobe tut sich Vanja Radovanović keinen Gefallen, auch wenn er noch so hervorragend singen kann.
36 | 40 Lea Sirk scheint eine Frau mit Nerven wie Drahtseilen zu sein: Gleich während der ersten Probe zu ihrem Beitrag "Hvala, ne" bricht plötzlich die Musik ab, doch die Sängerin setzt den Auftritt nach kurzer Irritation a cappella fort - bis das Playback taktgenau wieder einsetzt und der geneigte Fan zu ahnen beginnt, dass er einer Fake-Panne aufgesessen ist.
37 | 40 Ansonsten ähnelt die Performance in Lissabon dem, was wir aus der slowenischen Vorentscheidung kennen. Stroboskop-Blitze machen den Auftritt der 28-Jährigen für das Auge schwer erträglich, auch wenn die Choreografie der vier Tänzerinnen durchaus einen Hingucker wert ist.
38 | 40 Dass der Ukrainer Mélovin eine Vorliebe für exzentrische Outfits und Inszenierungen hat, wussten wir bereits, doch seine Performance von "Under The Ladder" verspricht, in die ESC-Geschichte einzugehen. Die Message seines Elektropop-Songs lässt sich auf einen kurzen Nenner bringen: Es gibt keinen Sieg ohne Niederlage.
39 | 40 Wie ein Vampir in seinen Sarg liegt der 21-Jährige eingeschlossen in seinem Klavier, bis der Flügel den Sänger buchstäblich auferstehen lässt. Nachdem er sich seines Emo-Mantels entledigt hat, erklimmt er im zweiten Teil seines Beitrags wieder das Klavier, bevor das Gerüst, auf dem es steht, Feuer fängt.
40 | 40 Ein gelungener Abschluss für das zweite Halbfinale, das beweist, dass man auch ohne LED-Wände spektakuläre Auftritte auf die Beine stellen kann.