Stand: 07.04.2015 12:05 Uhr

"Wäre ESC wie MTV Awards, wäre er längst tot"

Jon Ola Sand, EBU-Executive-Supervisor für den Eurovision Song Contest, bei einer  Pressekonferenz am 23. Mai in Baku. © dpa Bildfunk Foto: Jörg Carstensen
Jan Ola Sand ist kein ESC-Fan, aber trotzdem mit Leidenschaft dabei.

In Wien ist der Norweger Jon Ola Sand zum fünften Mal als Supervisor der European Broadcasting Union für den ESC zuständig.

Am Rande des Jubiläumskonzertes zum 60. ESC in London spricht er über den kommenden Wettbewerb in Wien, den politischen Gehalt der Eurovisions-Show und die Zukunft des Events.

Was ist für Sie der ESC - eine historienbefrachtete Show?

Jon Ola Sand: Der ESC hat Geschichte, das weiß jeder, der mit dieser Show in Berührung kommt. Aber worüber man spricht in den ESC-Ländern ist die Show selbst. Die jeweils aktuelle. Solche, wie wir sie in Oslo, Düsseldorf, Baku, Malmö und Kopenhagen erlebt haben.

Ist die Geburtstagsshow, die wir in London gesehen haben, nicht ein wenig sehr nostalgisch ausgefallen?

Sand: Nein, das glaube ich nicht. Wir sehen eine Mixtur aus sehr vielen Jahren. Wir können jetzt sagen: Was war das für eine phantasische Sache für Europa. Mit all ihren Verschiedenheiten.

Zur Person

Der Norweger Jon Ola Sand, Jahrgang 1961, ist seit 2011 Supervisor des ESC - eine Art Generaldirektor des Projekts der European Broadcasting Union.
Der gelernte TV-Produzent, Mitglied der International Academy of Television Art & Sciences, produzierte vor seiner momentanen Aufgabe verschiedene Live-Formate, u.a. ein Friedensnobelpreiskonzert. Sand, der in Genf lebt, ist während der ESC-Shows "Oberaufseher" über die Korrektheit der Punktevergabe.
Er bekennt sich dazu, kein ESC-Fan zu sein - aber die Show selbst sieht er als überaus anspruchsvolle Aufgabe im europäischen TV-Business an. Privat hört er, so wörtlich, "alles", dazu gehört auch der deutsche Jazzmusiker Eberhard Weber.

Der ESC hat eine eigene Atmosphäre, die mit keiner Popshow zu vergleichen ist. Wäre er wie die MTV Awards, wäre er schon längst tot. Die allermeisten Popshows, die es gab, gibt es ja nicht mehr. Aber den Song Contest der Eurovision, den gibt es. Die Zahl der Zuschauer kann sich nicht nur mit allen Shows messen, sie ist größer als bei allen anderen.

Manche Fans beklagen, dass der ESC sich allzu stark anpasst, den Verzicht, in der Muttersprache singen zu müssen oder dass es keine Liveorchester mehr gibt.

Sand: Jedes Land kann wählen, in welcher Sprache es singen lassen will. Es muss nicht, aber es kann seine Muttersprache wählen. Die Länder haben für diese Fragen, wie überhaupt für die Wahl ihrer Künstler, die Verantwortung selbst. Die Frage des Orchesters hat mit Finanziellem zu tun, denn auch ein Orchester kostet Geld. Mit Livemusik gäbe es zudem mehr Probentage. Singen müssen alle live, daran wird sich nichts ändern.

Sollte der ESC mehr Popkultur bieten?

Sand: Pop? Das kann ich nicht beantworten. Es liegt ja in den Händen der einzelnen Sender.  Und wer sollte denn entscheiden: Das ist Pop und das nicht?

Australien ist dieses Jahr beim ESC zu Gast. Wird es ein einmaliges Gastspiel bleiben?

Sand: Ja. Ganz sicher. Falls Australien gewinnt, wird deren ESC-Show in Europa zu Gast sein. Wir bei der EBU haben Australien auch nicht gebeten, beim ESC mitzumachen - der australische Sender wollte selbst Teil der Geburtstagsshow sein.

Was ist für Sie, der bekennend kein Fan des ESC ist, diese Show?

Sand: Ein phantastischer Mix aus Liedern, Ländern, Kollegen und Kolleginnen aus den TV-Stationen, die die Show möglich machen. Und dann vielleicht noch dies: Dass es beim ESC nicht auf das ankommt, was man nationalen Stolz nennen könnte, sondern auf Gesten, die uns vereinigen, die uns näher bringen. Wir sehen Dinge, die bei allen ähnlich sind oder auch verschieden. Es ist ein starkes Format. Der ESC kann keine reine Popshow sein, er ist viel mehr.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 23.05.2015 | 21:00 Uhr

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