Begegnungen mit ESC-Kommentatoren
1995 in Dublin lernte ich beim Eurovision Song Contest in Dublin einen sehr feinen älteren Herrn kennen: Ernst Grissemann, damals schon Anfang sechzig und berühmt für seine unglaublich sonore schöne Stimme. Grissemann war österreichischer Radiomoderator und Rundfunkintendant beim ORF und in den 1960er- und 1970er-Jahren hatte er auch von Wien aus Sendungen für den NDR gemacht - das waren wunderschöne Musiksendungen.
Finalkommentar aus heimischem Studio in Wien
Er kommentierte aber auch jahrelang den Grand Prix. Das Seltsame aber war: Er ist immer nur für zwei Tage eingeflogen, hat sich die Proben angeschaut - und dann ist er entschwunden. In Dublin verabschiedete er sich also vor dem Finale, sehr nett, und ich fragte: "Warum fliegen Sie denn schon wieder weg?" Er antwortete: "Diese Tonleitungen hier gefallen mir nicht. Meine Stimme klingt einfach schöner, wenn ich in Wien im Studio sitze."
Also blieb er nur bis zur Generalprobe, flog heim, ging dort in sein Studio und schaute sich von dort den Contest an - einfach, damit es schöner klingt. Ja, und mit tiefer sonorer Stimme hat er dann seine Kommentare abgegeben. Das war Ernst Grissemann - ein ganz feiner, edler Herr.
Finnischer Rockjournalist und Eishockeyfan
Ein völlig anderer Typ war der finnische Kommentator Jani Juntunen. Ein absolut cooler, gutaussehender Rockjournalist, der eher wie ein Rocksänger aussah, wie ein Star - mit so schwarzer Klamotte, Stiefeln, immer eine Zigarette im Mund und in der Bar immer ein Glas in der Hand. Bei jeder Party stand der ganz cool da rum, absoluter Frauenheld. Während der Show fiel mir auf, dass Jani ständig aus der Kommentatorenbox rauslief. Ich fragte ihn: "Wo rennst du denn immer hin?" Und er: "Na, ich renn schnell zum Fernseher, ich muss sehen, wie es bei Finnland gegen Schweden im Eishockey läuft." Denn der Song Contest findet immer zur Zeit der Eishockey-Weltmeisterschaft statt, und für ihn war - wie für alle Finnen - Eishockey noch viel wichtiger. Er ist immer rein und raus - Hauptsache, er kriegte ein bisschen was vom Spiel und das Ergebnis mit.
Neben Eishockey liebte Jani aber auch Rockmusik, er war DJ in einem Jugendradiosender. Nur: Finnland hatte in der Zeit, in der er als Kommentator tätig war, immer Beiträge, die absolut keine Chance auf einen Sieg hatten und auch musikalisch eher in die skurrile Ecke fielen: mal schlagermäßig, mal finnischer Tango oder ein bisschen Folklore. Und man merkte: Der arme Kerl hat gelitten. Er wollte den Contest eigentlich immer spannend machen und gut verkaufen - aber die Musik hat es für ihn einfach nicht gebracht. Er war immer ein bisschen traurig darüber und hat geklagt, er habe nie eine Chance, mal ein wirklich gutes Ergebnis durchzugeben. Jani Juntunen hörte dann 2005 in Kiew auf - und ausgerechnet im Jahr danach gewann Finnland den Eurovision Song Contest mit Lordis Song "Hard Rock Hallelujah" - also mit absolutem Rock'n'Roll, genau der Musik, die er da jahrelang gerne hätte verkaufen wollen. Skurril und irgendwie tragisch. Armer Kerl.
- Teil 1: Begegnung mit der BBC-Legende Terry Wogan
- Teil 2: Ernst Grissemann und Jani Juntunen