Zittern beim ESC-Casting in Hamburg
Bis eben war sie noch ganz cool, aber als Anna Hegelhaupt nun vor der grünen Wand steht und in die Kamera guckt, wirkt sie doch ein bisschen angespannt. "Hallo, ich bin Anna", sagt sie mit leiser Stimme. Dann zieht sie eine kleine Pfeife aus der Tasche, gibt sich damit den richtigen Start-Ton und legt los: "Amazing Grace", mit einer Power, die man der eher unscheinbaren 21-Jährigen nicht zugetraut hätte. Feedback gibt es zunächst keins. "Was machst du denn sonst so?", fragt die Redakteurin. "Ich bin Musik- und Sportlehrerin in Kiel", erzählt Anna und berichtet, dass sie eigentlich immer am Singen ist und auch auf privaten Feiern regelmäßig auf der Bühne steht. Kurz singt sie dann noch einen zweiten Song an, dann ist das Casting auch schon zu Ende.
"Puh, keine Ahnung wie das jetzt angekommen ist", sagt sie vor der Tür. "Aber ich bin erleichtert und hab‘ wenigstens alle Töne getroffen".
Anspannung im Wartebereich
Anna ist eine von mehr als 90 Kandidaten, die sich für das Casting in Hamburg angemeldet haben. Auch in Köln gab es schon eine solche Auswahlrunde. Für die Teilnehmer könnte es die Chance ihres Lebens sein. Sie wollen einen Platz beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest ergattern - und so ist die Nervosität im Wartebereich deutlich spürbar.
Viele Kandidaten laufen aufgeregt hin und her oder haben Kopfhörer in den Ohren. Sie hören sich den Song, den sie vortragen wollen, noch mal an und summen mit. Angelina Sohnemann übt auf der Toilette. Sie ist mit ihrer Mutter Michaela aus Hannover angereist, die stolz auf den Auftritt der 19-Jährigen wartet. "Angelina singt, seit sie vier Jahre alt ist", erzählt sie. "Sie hat es wirklich drauf und ich drücke ihr fest die Daumen."
Auf dem Flur steht Julia Hempe mit ihrem Freund Andy. Er nimmt sie beruhigend in den Arm, denn Julia ist ein reines Nervenbündel. Sie ist extra aus München angereist, macht eine Ausbildung als Musicaldarstellerin und hat eigentlich schon viel Erfahrung. Trotzdem hat sie in der Nacht kaum geschlafen. "Hoffentlich vergesse ich den Text nicht", murmelt sie. "Und wo soll ich eigentlich die ganze Zeit meine Hände lassen, wenn ich kein Mikrofon halte?" Nächstes Jahr beim ESC in der Ukraine für Deutschland anzutreten, ist für Julia der absolute Traum. Für das eigene Land zu singen, wäre eine große Ehre, erklärt sie. "Ich würde alles dafür tun."
Fairer Wettkampf
Auch wenn es nicht alle von ihnen in die nächste Castingrunde schaffen werden, ist die Stimmung zwischen den Kandidaten gut. Sie wünschen sich gegenseitig Glück, machen sich Mut und tauschen sich aus. "Es geht doch vor allem um den Spaß", sagt Dennis Minden aus Hamburg. "Klar will ich die Jury überzeugen, aber hier sind so großartige Stimmen vertreten, da kann es ja gar nicht jeder schaffen."
Ob sie ihrem Traum vom Auftritt beim ESC ein Stück näher gekommen sind, erfahren die Kandidaten heute noch nicht.
Eine Jury wählt die besten Bewerber aus, die dann an einer zweiten Castingrunde in Köln teilnehmen werden. Dort treffen sie dann auch auf die Kandidaten, die sich online bis zum 18. November bewerben. Die besten fünf schaffen es in die ESC-Vorentscheidshow am 9. Februar in Köln.