Ukraine gewinnt den Eurovision Song Contest 2022
Mit dem Titel "Stefania" hat die ukrainische Band Kalush Orchestra das Finale des 66. Eurovision Song Contest im italienischen Turin gewonnen.
Platz zwei ging an Sam Ryder aus Großbritannien (UK) mit "Space Man", gefolgt von der Spanierin Chanel mit "SloMo". Der deutsche Kandidat Malik Harris bekam keine Punkte von den Jurys und vom Publikum nur sechs, jeweils zwei aus Österreich, der Schweiz und Estland. Damit landete er mit "Rockstars" auf dem letzten Platz.
Großbritannien, Schweden und Spanien lieferten sich lange ein Kopf-an-Kopf-Rennen, bei dem sich die Spitzenplazierung immer wieder änderte. Mit den Punkten des Publikums zog dann schließlich die Ukraine an ihnen vorbei und bekam am Ende insgesamt 631 Punkte. Von allen ESC-Gewinnern hatte bislang nur Salvador Sobral mit "Amar pelos dois" mehr Punkte: 758 beim ESC in Kiew 2017.
Das Finale des Eurovision Song Contest fand unter dem Motto "The Sound of Beauty" im italienischen Turin statt. Es moderierten Laura Pausini, Alessandro Cattelan und Mika.
Kalush Orchestra widmet den Sieg "allen Ukrainern"
"Ukraina, Ukraina, der Sieg gehört allen Ukrainern." Diese Botschaft skandierte das Kalush Orchestra in die Welt, als um 1 Uhr ihr Sieg feststand. Es war ein überlegener, zu erwartender Sieg mit satten 631 Punkten, davon kamen allein 439 von den Televotern. Die Jurys steuerten 192 Zähler zum Ergebnis dazu. Eigentlich war der Song "Stefania" der Mutter, der "Mamo", von Sänger von Oleh Psiuk gewidmet. Durch die Liedzeile "Ich werde immer zu dir kommen, auch wenn alle Straßen zerstört sind", bekam es in Kriegszeiten eine zusätzliche Bedeutungsebene. Die Ukraine konnte sich weltweiter Solidarität gewiss sein.
Ukraine fleht um Hilfe für Mariupol und Azovstal
Das hieß aber nicht, dass das Kalush Orchestra unverdient gewonnen hätte. Die Art wie Oleh Psiuk, Ihor Didenchuk, Danyil Chernov, Tymofii Muzychuk und Vitalii Duzhyk Folklore mit Rap verbanden, war siegeswürdig. Während die Band sich im Halbfinale noch mit politischen Botschaften zurückhielt, beendete sie ihren Auftritt im Finale mit emotionalen Botschaften. Oleh Psiuk flehte: "Bitte helfen Sie der Ukraine, Mariupol, helfen Sie Azovstal jetzt." In dem belagerten Stahlwerk harren seit Wochen Hunderte ukrainische Kämpfer aus - ohne Nachschub an Nahrung und Wasser, viele sind verletzt und brauchen dringend medizinische Versorgung.
Großbritannien hat mit Sam Ryder einen neuen Star
Es war ein Contest im Zeichen des Krieges in der Ukraine. Der Abend startete mit John Lennons "Give Peace A Chance" und der "weltweit größten Band" Rockin' 1000. 7.000 Menschen in der Halle stimmten mit in die Friedenshymne ein - nur die erste von vielen Gesten für Frieden und Verständigung. Apropos: Buchstäblich um Gesten ging es bei der charmanten Einführung des Moderations-Trios in die Art, wie Italiener mit den Händen artikulieren. Auch Großbritanniens Kandidat Sam Ryder erinnerte im Green Room daran, wofür der ESC steht: "Liebe, Frieden, Zusammenhalt und Diversität." Der sympathische Sänger überzeugte mit seinem Song "Space Man" und einer großartigen Stimme vor allem die Jurys. In der Endabrechnung landete er auf dem zweiten Platz. So gut hat das Vereinigte Königreich lange nicht mehr abgeschnitten. Mit Sam Ryder ging für das Land an diesem Abend ein neuer Stern am britischen Pophimmel auf.
Chanel aus Spanien präsentiert sich im Jennifer-Lopez-Style
Der ESC ist eigentlich in erster Linie ein Gesangswettbewerb. Dass es in diesem Jahr möglich war auch mit einer Tanzeinlage à la Jennifer Lopez erfolgreich zu sein, bewies die Spanierin Chanel. Knapp bekleidet präsentierte sie ein hohes Bein und akrobatische Hebefiguren. Dafür gab es Bronze. Gesanglich aber überzeugte Cornelia Jakobs aus Schweden definitiv mehr. Bei "Hold Me Closer" war die Kamera ganz nach an ihr dran, die Sängerin zog die Zuschauer in ihre Geschichte mit hinein. Und sie fühlt das, was sie sang. Damit schaffte sie Platz vier.
Malik Harris: Botschaft für die Ukraine und Platz 25
In Deutschland ist "Rockstars" von Malik Harris längst ein Top-Ten-Hit. In Turin hatte er sich auf der Bühne eine Art heimisches Musikstudio eingerichtet. Teppiche sorgten für eine heimelige Atmosphäre. Alles war angerichtet - und Malik Harris machte seine Sache gut, er sang und rappte - im Schein von Lichtkegeln - mit einem Lächeln im Gesicht. Am Ende seines Auftritts drehte er seine Gitarre um. Auf der Rückseite war eine Ukraine-Fahne zu sehen mit der Aufschrift "Peace". Malik Harris hatte schon im Vorfeld der Ukraine den Sieg gewünscht. Und er selbst hatte sicher auf einen besseren als den 25. und damit letzten Platz gehofft.
Mahmood & Blanco lassen Italien nicht noch einmal jubeln
Und dann war da noch Titelverteidiger Italien. Nach dem Triumph von Måneskin erschien erneut ein Sieg möglich, denn im Vorfeld räumten etliche ESC-Experten Mahmood & Blanco Chancen auf Platz eins ein. Mit "Brividi" sorgten die beiden dann im Finale vor allem bei ihren Landsleuten für "Gänsehaut". Aus dem Sieg wurde nichts: 268 Punkte von den internationalen Jurys und den Televotern reichten zu einem guten sechsten Platz. Neben den Performances der Kandidaten konnte sich auch das Rahmenprogramm der Gastgeber sehen lassen. Die italienische Grande Dame Gigliola Cinquetti begeisterte mit ihrem ESC-Titel "Non ho l'età" von 1964. Der Wettbewerb bewies einmal mehr damit, dass Musik Generationen verbindet und - mit dem Sieg der Ukraine - Grenzen überwindet.
Deutsche Jury vergibt zwölf Punkte an Großbritannien (UK)
Michelle, Max Giesinger, Jess Schöne, Tokunbo und Christian Brost haben als nationale Jury die Hälfte der deutschen Punkte vergeben. Ihre zwölf Punkte gingen an Großbritanniens Kandidaten Sam Ryder. Die Jurys bewerten beim ESC - anders als das TV-Publikum - nicht die Auftritte während der Show, sondern jeweils die zweite Generalprobe der Shows am Abend davor. Dieses sogenannte Jury-Finale sehen die Jury-Mitglieder aller Länder in einer speziellen, nicht öffentlichen Übertragung.
Unstimmigkeiten beim Voting, EBU wertet aggregierte Ersatzergebnisse
Wie die EBU am Sonntagmorgen bekannt gab, wurden bei der Analyse der Jury-Abstimmung durch den paneuropäischen Abstimmungspartner unregelmäßige Abstimmungsmuster in den Ergebnissen von sechs Ländern festgestellt. In Einklang mit den EBU-Regeln seien aggregierte Ersatzergebnisse für jedes betroffene Land sowohl für das zweite Halbfinale als auch für das große Finale berechnet worden. Diese basieren auf den Ergebnissen anderer Länder mit ähnlichen Abstimmungen in der Vergangenheit.
Hackerangriffe auf ESC-Voting
Die italienische Polizei hat nach eigenen Angaben Hackerangriffe auf das Finale des Eurovision Song Contest (ESC) in Turin vereitelt. Die Hacker hätten vergeblich versucht, im ersten Halbfinale am Dienstag und während des Finales von Samstag auf Sonntag in die Systeme einzudringen, teilte die Polizei am Sonntag in Turin mit. Am vergangenen Mittwoch hatte sich die russische Hackergruppe "Killnet" zu Angriffen auf diverse italienische Institutionen, darunter das Parlament und die Gesundheitsbehörde ISS, bekannt. Auch die Angriffe auf das ESC-Finale führen die Cyberkriminalitäts-Experten auf diese Gruppe zurück.