Stockholm Calling: Fanjournalisten feiern im Pressezentrum
Das Team von eurovision.de ist unterwegs in Stockholm und folgt der deutschen ESC-Teilnehmerin Jamie-Lee bis zum Finale am 14. Mai auf Schritt und Tritt. Wir berichten, was in Stockholm hinter den Kulissen passiert.
Journalisten rocken sich durchs zweite Halbfinale
Sie ist mal wieder daheim geblieben, die journalistische Distanz: Im Pressezentrum feiern hunderte Journalisten mit Hingebung ihre nationalen Acts. Als Hovi Star die Bühne im Globen betritt, können einige Journalisten aus Israel kaum an sich halten und springen auf die Tische, um dort wie wild ihre Fahne zu schwenken.
Auch bei Donny Montell aus Litauen geht es fast so wild zur Sache wie in der Halle. Aber gerade Jamala aus der Ukraine hat jede Menge Supporter unter den Journalisten. Der Song mit sehr ernstem Hintergrund sorgt für Solidarität im Pressezentrum. Journalisten aus vielen Ländern reihen sich in die Gruppe der Jubelnden ein und zeigen, dass der Eurovision Songcontest ein wahrhaft europäisches Event ist.
Video mit Sergej Lazarev - das Thema in Stockholm
Ein zwei Jahre altes Videointerview mit dem russischen ESC-Kandidaten Sergej Lazarev sorgt in Stockholm gerade für Aufruhr und Diskussionen. Wie die taz-Redakteurin Irina Serdyuk gerade für uns recherchiert hat, wurde das Interview bei dem ukrainischen TV-Sender 1+1 im Juni 2014 ausgestrahlt. Sergej Lazarev wird in dem Video von Kateryna Osadtscha befragt. Sie ist Moderatorin der populären Sendung "Backstage". Er antwortet darin auf die Frage der Journalistin ob die Krim zu Russland gehöre mit einem klaren nein. Daraufhin hatte der verschriene Stadtabgeordnete von St. Petersburg Vitali Milonow getwittert: "Ab jetzt kann er (Sergej Lazarev) nur noch in seinem Klo singen."
Dimitrij Smirnov, der das Video vor wenigen Stunden gepostet hat, ist Sonderkorrespondent der Zeitung Komsomoljskaja Prawda und gehört zum Kreml-Pool, ist also dem Regime treu ergeben.
In den Kommentaren heißt es unter anderem: "Soll er doch gewinnen, dann werden wir den nächsten Eurovision Song Contest auf der Krim veranstalten".
Warum wird das Video gerade jetzt lanciert? Wir bleiben für euch dran. In unserer Livesendung um 20:30 Uhr aus dem Pressezentum versuchen wir, russischen Journalisten ein Statement zu entlocken.
Jamie-Lee freundet sich mit der italienischen Kandidatin an
Sie sind ESC-Freundinnen geworden: Jamie-Lee und die italienische Sängerin Francesca Michielin. Sie haben beide Lampenfieber, sie teilen die gleiche gute Grundnervosität - und sie werden am Donnerstag Abend beim zweiten Semifinale sein. Das Lied Italiens ist im Übrigen in ein Bühnenbild gepackt, das durch seine Accessoires (Äpfel, Blätter, andere Naturalien), die Farben (wärmstes Gelb beispielsweise) und Bodeneinblendungen (ein gekräuselter See) einnimmt. Wer hat dieses Bild gemalt - zu diesem traurigen Lied? Es war die Bühnendesignerin Nicoline Lindeborg Refsing, eine Dänin. Irgendwie wirkt ihre ästhetische Handschrift vertraut. Gegoogelt - und es stellt sich heraus, dass diese Dänin auch für den Bühnenlook von Conchita Wurst verantwortlich zeichnete. Magisch! Viel Erfolg auch Francesca!
Armenien provoziert mit Berg-Karabach-Flagge
Am Mittwoch Abend gab die ESC-Leitungsgruppe bekannt: Sollte es zu einem neuerlichen Vorfall dieser Art kommen, wird Armenien umgehend aus dem laufenden Wettbewerb genommen. Was war passiert? Im Green Room schwenkte die für Armenierin startende Iveta Mukuchyan, als die Kameras beim zweiten Juryfinale Bilder aus diesem Bereich aufnahm, die Flagge von Nagorny Karabach, zu deutsch: Berg-Karabach. Dies ist eine überwiegend von Armeniern bewohnte Insel in Aserbaidschan, das von armenischen Militärs besetzt gehalten wird. Aserbaidschan muss diese hässliche politische Geste als Provokation wahrgenommen, wie auch die EBU. Iveta Mukuchyan beteuerte danach, es ginge ihr nur um Frieden und Liebe. Eine Ausrede, nichts weiter: Auch diese Interpretin weiß vom Flaggenbeschluss, dass nur mit staatlichen Hoheitszeichen gewunken werden darf, die auch politisch beim ESC vertreten sind. (Von der Regenbogenfahne abgesehen, die ist beim ESC erlaubt.) Die EBU wird diese aggressive Note der Armenierin im Juni auf einer Sitzung zur Sprache bringen. Aber für Stockholm gilt: Sobald aus der armenischen Box im Green Room (oder gar auf der Bühne) diese Fahne wieder geschwenkt wird, steht die sofortige Disqualifikation an.
Die niederländische Pop-(Bob)up-Bar
Die Niederländer wissen einfach, wie man es sich als Delegation so richtig gemütlich beim ESC macht: Einfach eine eigene Bar eröffnen! Dafür hat das "Team Douwe" im Stockholmer Stadtteil Södermalm eine Pop-up-Bar gemietet. Das Konzept ist einfach und fördert den Teamgeist. Der niederländische Act Douwe Bob ist dort Star- und Dauergast in Personalunion. Gelebte Entschleunigung statt dichtgedrängte Promo-Termine.
Während die Besucher oben bei einem Bier plaudern, dröhnen unten aus dem Keller vertraute Klänge. "Slow down" ist natürlich im Repertoire aber auch Gäste wie die Common Linnets geben sich die Ehre und manchmal auch Konkurrenten: Da kann es schon passieren, dass plötzlich der Franzose Amir zu Douwe auf die Bühne springt. Die Fans haben eine neue ESC-Anlaufstelle mehr und der Euroclub vielleicht ja auch eine neue Konkurrenz?
Der Name Abba sorgt immer noch für ein ausverkauftes Haus
In einer früheren Bierhalle und Speiselokal mit dem Namen “Tyrol“ ist seit einigen Wochen "Mamma Mia - The Party" eingezogen. Abbas Männer Björn Ulvaeus und Benny Andersson haben ihre Segen gegeben. Denn das neue Projekt gleich beim Abba-Museum im Stockholmer Vergnügungspark Gröna Lund ist eine Fortsetzung des Musicals „Mamma Mia“. Man sitzt in einer riesigen, freilich überdachten griechischen Taverne, isst und trinkt – und zwischen den Speisegängen werden an allen Tischen Geschichtchen zu Abba-Liedern performt. Das ist sehr mitreißend, vor allem wegen der Evergreens: Event-Gastronomie zum tüchtig Mitsingen. Unbedingt empfehlenswert – aber man muss Wochen vorher einen Tisch buchen, so populär ist dieses Haus.
Ivan jetzt doch nackt auf der Bühne?
Splitterfasernackt mit echten Wölfen auf die Bühne gehen. Das wollte der weißrussische Teilnehmer Ivan unbedingt. Nach ESC-Regeln dürfen aber keine Tiere auf die Bühne. Also war der ganze schöne Plan dahin. Doch jetzt hat Ivan doch noch einen Weg gefunden: Er wird seinen nackten Körper und die Wölfe einfach als Hologramm präsentieren. Für die Fernsehzuschauer soll es täuschend echt aussehen.
"Sie würden einen Flughafen nach uns benennen"
Die Kroatin Nina Kraljic nach ihrem Einzug ins Finale am Dienstag Abend auf der Pressekonferenz: „Es war soviel Arbeit. Es war so eine Last. Ich meine, die Hälfte meines Landes wollte nicht, dass ich weiterkommen. Die andere Hälfte ja, aber ich bin froh, dass Kroatien mit mir das erste Mal seit 2009 wieder im Finale ist.“
Der Zypriote Francois Micheletto nach dem Einzug seiner Band Minus One ins Grand Final des ESC und befragt, wie er die Chancen auf den Sieg einschätzt: „Mann, das ist eine viel zu schwere Frage. Jetzt sind wir im Finale, wir haben es geschafft. Das ist das größte Ding, das uns je passiert ist. Ich meine, wenn wir auch noch gewinnen, wäre das prima. Dann würde man den Flughafen in Nikosia nach uns benennen.“
1. Halbfinale - das Pressezentrum ist auch nur eine Fanzone
Huch, wo sind wir denn hier gelandet? Journalisten, die wie Olympioniken in eine Landesfahne gehüllt abwechselnd Stoßgebete und Jubelschreie von sich geben. Textsichere Fotografen und verkleidete Kameramänner. All das gibt es im Pressezentrum des Eurovision Songcontests.
Beim ersten Halbfinale ist der Grat zwischen journalistischer Objektivität und subjektivem Fantum sehr schmal, bis hin zu fließend. Unglaublich! Zu Recht fragt ihr, wo ist die journalistische Distanz? Unter unserem neuen Decora-Kei Kopfschmuck werden wir das weiter kritisch beobachten.
Mit Jamie-Lee im Zoo - keine Tierfotos
Jamie-Lee liebt Tiere, für sie sind sie Wesen, die nicht im Geringsten gequält werden dürfen. In Stockholm wird sie oft darauf angesprochen. "Bist du Veganerin?" Sie bejaht immer, sie steht zu ihrer Haltung. Bei einem Presseausflug nach Skansen, dem historischen Park von Stockholm, in dem auch Tiere wie in einem Zoo gezeigt werden, lehnte Jamie-Lee es ab, sich mit ihnen fotografieren zu lassen. Ziegen, Rentiere, Schafe hinter von Menschen aufgebauten Zäunen? Das wird von vielen als Gefängnishaltung empfunden. Jamie-Lee sagt, Wolle und echtes Leder trage sie nie. Klamotten aus Baumwolle trägt sie natürlich, es sind ja Fasern, die aus Pflanzen gewonnen werden. Es spricht für Jamie-Lee, dass sie Fotos von sich mit gefangenen Tieren ablehnt. Findet sie nun mal nicht niedlich. Dabei sieht sich Jamie-Lee aber nicht als Exotin in ihrer Haltung zu Tieren. Sie scheint sich nur zu wundern, dass noch die meisten anderen so achtlos mit der Tierfrage umgehen. Für sie, die deutsche ESC-Kandidatin, sind Tiere keine Objekte für Menschen. Sie unterstützt Tierrechtsorganisationen wie PETA.
Jamie-Lee trifft Frans beim Botschaftsempfang
Am Dienstag hat Jamie-Lee einen vollen Terminkalender: Nachdem der Andrang in der deutschen Schule groß und trubelig ist, halten sich bei Jamie-Lees Auftritt in der Villa Ekarne, der Residenz des deutschen Botschafters Michael Bock, natürlich alle an die Etikette. Geschrei und Gekreische bleibt hier aus, als die 18-Jährige zum Mikro greift, aber der Beifall fällt laut aus. Vom Manager bis zum Kameramann haben sich alle richtig in Schale geworfen. Genau wie Jamie-Lee selbst, die im blauen Dekora-Kei-Kimono performt. Diesmal singt sie drei Songs in der Akkustic-Version: “Berlin”, “The Last Dance” und natürlich “Ghost”. Das Highlight sollte dann eigentlich ein gemeinsamer Auftritt mit dem schwedischen Teilnehmer Frans sein – doch der kam leider erst später und so richtig wollte es offenbar nicht klicken, als die strahlende Jamie-Lee auf den unnahbaren Frans trifft. Als er seinen Song "If I Were Sorry“mit einem Pianisten darbietet, taut er aber ganz schnell wieder auf.
Jamie-Lee rockt die deutsche Schule
Jamie-Lee, Smudo und Michi Beck waren heute in der deutschen Schule von Stockholm. Vor Hunderten begeisterten Schülern hat Jamie-Lee ein kleines Acoustic-Set performt.
Feiern wie die Australier
Die Location der australischen Fanparty war streng geheim! Nur über eine Mailingliste konnte man eine Einladung bekommen. Um 15.45 Uhr sollten wir also vor der Sodra Bar auf Einlass warten. Selbst, als wir schon in der Bar waren, reichte die Schlange noch bis auf die Straße. Von 16.00 bis 18.00 Uhr durften die Australien-Fans zusammen feiern. Und für die entsprechende Stimmung sorgte keine Geringere als die Australische ESC-Teilnehmerin Dami Im selbst. Ihren Song "Sound Of Silence" konnten alle mitsingen. Unter den Fans haben wir auch Melissa getroffen. Sie gehört eigentlich zur Delegation von San Marino, ist aber selbst Australierin und deshalb auch heimlich Fan von Dami. "Wenn San Marino sich qualifiziert, werde ich San Marino anfeuern müssen. Hier auf der Party ist vielleicht die letzte Chance, mit einer australischen Flagge aufzutauchen", sagt sie.
Die Juryshow für das erste Halbfinale ist gelaufen und wir waren für euch mit dabei. Was alles in der Globen-Arena passiert ist? Wir haben es für euch nach draußen gezwitschert.
Die politische Seite des ESC?!
Ist der ESC nun politisch oder nicht? Und wenn ja, was bedeutet das für die Veranstaltung und für Europa? An der Stockholmer School of Economics, einer Edel-Universität am Sveavägen, sind für einen halben Tag eine kleine Runde von Experten zusammengekommen, um genau darüber zu diskutieren. Unser Kollege Jan Feddersen hat die unterschiedlichen Meinungen in einem Bericht zusammengefasst.
Auf der Couch mit Dami Im
Aufregend! Wir haben die australische ESC-Teilnehmerin Dami Im im Euroclub getroffen! 20 Minuten durften wir mit ihr gemütlich auf der Couch sitzen. Wobei: Ob es für sie im engen grauen Glitzerkleid so richtig gemütlich war, wissen wir nicht. Sie war auf jeden Fall trotz Jetlag sehr gesprächig und hat uns verraten, was sie auf der Bühne am meisten vermisst, warum sie sich trotz Smartphone-Dauerfeuer manchmal einsam fühlt und was sie gegen ihr Lampenfieber tut. Ihre Antworten lest ihr im Interview!
Jamie-Lee macht Schlagzeilen
Ja, der Ausschnitt aus den Posts der "New York Times" spricht die Wahrheit aus: Unsere US-Medienkollegen nehmen den ESC als Ereignis wahr. Zwar finden dieses Event Europäer super, wie der Post schreibt, aber für Amerikaner bleibt es mysteriös. Dabei ist es nicht so schwer zu verstehen: Der ESC wäre in den USA ein ASC, ein American Song Contest, zu dem alle 50 US-Bundesstaaten - plus Washington D.C., Sitz der Hauptstadt, kein Bundesstaat - einen Popwettbewerb austragen. Mit Auslosungen, Jurys, Televotings - und Stilen wie Soul, Hip-Hop, Blues, Country, Pop, Balladen - oder eine Mixtur aus allem, ein Mischmasch. Wird schon noch, manche Ideen erreichen Amerika erst später!
Mit Jamie-Lee Stockholm erkunden
Heute war Sightseeing angesagt! Aber im Eurovision-Style! Jamie-Lee und Bürger Lars Dietrich starteten ihre Tour im Skansen Museum. Hier wird Glas geblasen. Aber nicht nur irgendein Glas. Im Skansen Museum werden auch die Preise für den ESC-Gewinner gefertigt. Vielleicht darf Jamie ja bald einen mit nach Hause nehmen ...