Stand: 15.05.2014 13:24 Uhr

"Wir können diesen Wahnsinn nicht tolerieren"

Conchita Wurst wird bei ihrer Ankunft am Flughafen Wien empfangen. © dpa / Georg Hochmuth Foto: Georg Hochmuth
Nicht überall wurde Conchita Wursts Sieg so euphorisch gefeiert wie hier in Österreich - den Mut lässt sie sich aber nicht nehmen.

Auch wenn der Österreicher Tom Neuwirth alias Conchita Wurst schon im Vorfeld als einer der Favoriten gehandelt wurde, so war der Finalabend doch eine Überraschung: Conchita Wurst gewinnt den ESC 2014 haushoch, vor den Niederlanden, Schweden, Armenien, Ungarn, der Ukraine - und vor Russland. Dort sitzt der Stachel tief, die Reaktionen sind heftig. Das liegt nicht nur daran, dass die russischen Tolmachevy Sisters während der Show Buh-Rufen ausgesetzt waren und sich mit einem siebten Platz zufrieden geben mussten, sondern vor allem daran, dass Conchita Wurst genau das verkörpert, wodurch sich russische Politiker provoziert fühlen: Eine Vermischung der Geschlechter und eine in Russland weitestgehend nicht akzeptierte Sexualität.

Russische Politiker werden ausfällig und drohen

Dementsprechend ausfällig werden russische Poltiker in ihrer Reaktion auf Conchitas Sieg: "Unsere Empörung ist grenzenlos, das ist das Ende Europas", sagte der rechts-nationalistische LDPR-Abgeordnete Wladimir Schirinowski einen Tag nach dem Finale im russischen Fernsehen. "Da unten gibt es keine Frauen und Männer mehr, sondern stattdessen ein Es", so Schirinowski weiter.

Der Chef der russischen Staatsbahn und Putin-Vertraute Wladimir Jakunin warnte davor, Russland westliche Werte aufzudrücken. Im Westen sei ein "vulgärer Ethno-Faschismus" wieder in Mode. "Die antike Definition der Demokratie hatte nichts mit bärtigen Frauen zu tun, sondern die Demokratie ist die Herrschaft des Volkes", so Jakunin.

VIDEO: Österreich/Conchita Wurst: "Rise Like A Phoenix" (3 Min)

Waleri Raschkin, Chef der Kommunistischen Partei, droht laut BILD/Interfax sogar mit dem Ausstieg Russlands aus dem Song Contest. Der Sieg von Conchita Wurst habe das Fass zum Überlaufen gebracht und es sei für Russland nun an der Zeit, den Wettbewerb zu verlassen. Die Geduld sei einfach erschöpft. "Wir müssen diesen Wettbewerb verlassen, wir können diesen endlosen Wahnsinn nicht tolerieren", so der Politiker weiter. Seine Alternative: Eine familiäre Veranstaltung, für die er auch schon einen Namen hat: "Voice of Eurasia". Auf die weißrussische Unterstützung kann er anscheinend schon mal zählen: "Wir brauchen Europa nicht", kommentierte auch Weißrussland den ESC 2014 kritisch.

Auch der russische Vizepremierminister Dmitrij Rogosin kritisiert die Siegerin: Noch am Finalabend twitterte er, der ESC-Sieg der Österreicherin zeige "Anhängern einer europäischen Integration, was sie erwartet - ein Mädchen mit Bart".

Conchita Wurst entert die russischen Charts

Conchita Wurst probt auf der ESC-Bühne. © NDR/Rolf Klatt Foto: Rolf Klatt
Während ihres Auftritts war Conchita Wurst auf der Bühne völlig allein - mit ihren Überzeugungen ist sie es offenbar nicht. Sie hat viele Fans gewonnen - auch in Russland.

Das russische Volk scheint das ganz anders zu sehen: "Rise Like A Phoenix" soll laut Berichten von digitaljournal.com momentan sowohl die Top Ten der iTunes-Charts als auch die Single-Charts erobern. Und auch das Ergebnis des Votings am Finalabend zeigt, dass viele russische Musikfans Gefallen an Conchita gefunden haben: Aus Russland gingen fünf Punkte an Österreich - im Televoting war Conchita Wurst sogar noch beliebter: bei den russischen Anrufern landete sie auf Platz Drei.

Offene Kritik

Dass Conchita Wursts Teilnahme am ESC zum politischen Zündstoff werden könnte, deutete sich schon vor dem ESC an - in einer russischen Petition hieß es: "Den beliebten internationalen Wettbewerb, den auch unsere Kinder an den Bildschirmen verfolgen, haben europäische Liberale zu einem Schaufenster der Perversion verkommen lassen." Conchita Wurst hat sich davon allerdings nicht abschrecken lassen. Nach ihrem Sieg äußerte sie sich kritisch zu den eingeschränkten Rechten von Homosexuellen in Russland. "Ich weiß nicht, ob er zuguckt. Aber falls ja, sage ich ganz klar: Wir sind unaufhaltbar", sagte sie mit Blick auf Putin. Ihren Unterstützer hingegen dankte sie: "Europa hat heute gezeigt, dass wir fortschrittlich sind und dass wir vorwärts gehen wollen - und alle anderen: Tut mir leid, für euch haben wir keine Zeit."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 10.05.2014 | 21:00 Uhr