"Reeperbahn, alles klar?"
Am Spielbudenplatz rauschen laute Motorräder und ab und zu eine Ambulanz vorbei. Das beeinträchtigt die Stimmung auf dem Spielbudenplatz kein bisschen. Im Gegenteil: Wer zur traditionellen "Grand Prix Party" zur Reeperbahn gekommen ist, fühlt: Hier bin ich im Herzen von Hamburg, mitten im Geschehen. Bei sommerlichen Temperaturen begrüßt Moderatorin Judith Rakers die mehr als 2.000 aus ganz Deutschland angereisten Fans und Passanten zum ESC-Show-Marathon im Ersten, der glanzvoll von zwei Ur-Norddeutschen mit Heimvorteil eröffnet wird: Udo Lindenberg und Jan Delay.
Gemeinsam stimmt das Duo die Kiez-Hymne schlechthin an: "Reeperbahn" und aus allen Mündern tönt es mit: "Ich komm an, geile Meile, auf die ich kann". Gänsehaut pur, die Zuschauer sind hingerissen. Auch der Senkrechtstarter Tim Bendzko und die Berliner Band MIA. mit Frontfrau Mieze sowie die Gruppe Unheilig haben viele Fans, die ihre Texte mitschmettern. Der lauteste Jubel bricht allerdings aus, als die Live-Schalte nach Baku geht und sich unser Kandidat Roman Lob der Reeperbahn präsentiert. Schnell stellt er klar, dass er sein grünes Käppi nicht beim Auftritt tragen wird. Auf der Meile ist zu spüren, dass die Leute hinter ihm stehen, wenn auch nicht so viele deutsche Fahnen geschwenkt werden wie in den vergangenen zwei Jahren während der "Lena-Mania".
Engelke: Romans Performance konzentriert sich aufs Wesentliche
Die deutsche Jurypräsidentin Anke Engelke trat mit allen ihren Co-Juroren ebenfalls auf, um ein kurzes Stimmungsbild zu geben. Engelke bedauerte gleich, dass der Montenegrinische Kandidat im ersten Halbfinale rausgeflogen ist, er sei ein Comedian-Kollege. Im Gespräch mit eurovision.de äußert sich Engelke über Roman Lobs Chancen: "Roman ist nicht zu unterschätzen. Er fällt auf, weil bei ihm die Pyrotechnik nicht so wichtig ist, die Choreografie, die tanzenden Tanten, die nackten Brüste finden bei ihm nicht statt. Seine Performance konzentriert sich auf das Wesentliche, nämlich die Komposition. Für uns als Jury waren das die wichtigen Säulen bei der Bewertung aller Songs."
Maffay möchte auf die Menschenrechtslage aufmerksam machen
Zwar ist der Song Contest bewusst nicht politisch. Doch ein Stargast auf dem Spielbudenplatz, Peter Maffay, möchte mit seinem Song "Choice Of Freedom", der in Zusammenarbeit mit Amnesty International entstanden ist, eine unmissverständliche Botschaft senden: "Für die Menschenrechte, die in Aserbaidschan mit Füßen getreten werden, und gegen den Umstand, dass Musik missbraucht wird, um ein Image eines Staates aufzupolieren."
Auch Udo Lindenberg und Jan Delay hatten ursprünglich überlegt, die Einladung zur Reeperbahn auszuschlagen, weil der ESC in einem "unfreien Land" stattfindet. Sie sind jedoch aufgetreten, weil nun die Opposition des Landes ins Blickfeld der Aufmerksamkeit gerückt sei. Und natürlich auch, "weil es hier auf der Reeperbahn, unserem Zuhause, so geil ist".
So rocken die Acts auch nach der Live-Übertragung aus Baku weiter - unter den gerade fertiggestellten "Tanzenden Türmen" am Anfang der Reeperbahn, die entfernt an die Flammentürme in Baku erinnern. Und unter ihrem Schatten verkündete Jurypräsidentin Engelke die deutschen Punkte und zementierte mit weiteren zwölf Zählern den Sieg Schwedens.
Nicht nur auf der Reeperbahn wurde kräftig gefeiert, auch in der Heimatstadt von Roman Lob, in Neustadt/ Wied drückten ihm seine Freunde und Bekannte die Daumen.