Schwedens "Hero" im Freudentaumel
Ein Krimi in der Wiener Stadthalle: Die Punktevergabe des ESC-Finales 2015 startet mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Russland, Schweden und Italien. Als Russland davonzieht und Italien zurückfällt, freundet sich der selbst- und siegessichere Måns Zelmerlöw - wenn auch sichtlich enttäuscht - schon mal mit einem zweiten oder dritten Platz an, während bei Polina Gagarina schon Freudentränen fließen.
Doch dann wendet sich das Blatt: Måns Zelmerlöw setzt sich durch umjubelte zwölf Punkte, unter anderem aus Lettland, Dänemark, der Schweiz, Australien und Großbritannien, an die Spitze des Teilnehmerfeldes und erhält spontan in der Wiener Stadthalle und von Hunderten Journalisten im Pressezentrum einen unglaublichen Zuspruch. Er selbst schüttelt noch ungläubig den Kopf, doch allmählich folgt die Erkenntnis: Er ist der "Hero" des Abends. Um 0.44 Uhr wird es in der Wiener Stadthalle erstmals ausgesprochen: Måns Zelmerlöw gewinnt mit "Heroes" den Eurovision Song Contest 2015.
Der eingängige Elektro-Pop-Song, gepaart mit einer Performance, die beim ersten Zuschauen durchaus überrascht, bleibt augenscheinlich hängen und begeistert Europa. Der hymnenartige Refrain à la "We are the heroes of our time" unterstützt die Wirkung der frechen und kreativen Animation, mit der Måns Zelmerlöw während seiner Show wie selbstverständlich interagiert. Die Ausstrahlung des smarten Schweden tut ihr Übriges. So kann der Sänger insgesamt zehn Mal zwölf Punkte auf sein Konto buchen, bis er am Ende mit 365 Punkten 62 Punkte vor Polina Gagarina aus Russland liegt.
"Wir sind alle Helden"
Und plötzlich sind auch Måns Zelmerlöws Augen feucht: Vor lauter Konfetti und einem schwedischen Fahnenmeer weiß der Sänger zunächst gar nicht, wohin mit sich. Mit feucht-strahlenden Augen bleibt er am oberen Ende der Green-Room-Treppe stehen und jubelt mit seinen Fans um die Wette. Auf der Bühne angekommen folgt eine lange und herzliche Umarmung von Conchita Wurst, die ihr Amt als ESC-Siegerin feierlich an Måns übergibt. Ein neuer Eurovision-Held ist geboren und bringt Schweden den mittlerweile sechsten Eurovision Song Contest nach Hause - im dritten Anlauf, denn schon 2007 und 2009 ist Måns Zelmerlöw erfolglos beim schwedischen Vorentscheid angetreten. Jetzt, 2015, ist seine Zeit gekommen.
"Ich bin so extrem glücklich. Danke an euch alle für eure Unterstützung", schreit der Sieger geradezu ins Mikrofon. Bevor es "Good night, Europe" heißt, muss aber natürlich nicht nur eine Siegerperformance, sondern in Conchita-Tradition auch eine Botschaft her: "Wir sind alle Helden - egal, wer wir sind oder woher wir sind!" Er streckt mit vor Schweiß glänzendem Gesicht die Arme in die Höhe und stößt einen letzten Freudenschrei aus. Wenige Sekunden später startet der Gewinnertitel, bei dem es nun kein Halten mehr gibt: Noch fröhlicher und optimistischer ruft Måns Zelmerlöw seine Botschaft heraus.
Druck durch Favoritenrolle
Auch wenn es im Vorfeld unter ESC-Fans einige Kritik an seiner Video-Performance gab - Europa hat entschieden und den Schweden zum ESC-Hero 2015 gewählt. In Siegerpose, seinen Mikrofon-Award küssend, posiert er 45 Minuten später auf der hoffnungslos überfüllten Pressekonferenz, bewaffnet mit einem Schweißhandtuch und einer schwedischen Landesflagge. "Ich bin überwältigt und aufgeregt", sagt er, wirkt dabei jedoch schon wieder relativ gefasst. "Ich wusste nach den ganzen Proben in den letzten Tagen einfach nicht mehr, wie ich es noch besser machen kann - und ich war ein bisschen müde, habe wenig Schlaf bekommen", verrät der Schwede auf der Pressekonferenz. Ein bisschen hat er aufgrund seiner großen Favoritenrolle wohl doch mit dem Sieg gerechnet. Doch nach dieser Zitterpartie wird Måns Zelmerlöw - wie augenscheinlich auch vielen Fans in der Wiener Stadthalle - ein riesen Stein vom Herzen gefallen sein. Das Fazit des Gewinners: "Eigentlich wollte ich ja mal Tennisprofi werden - aber das hier ist viel cooler!"