Gewinner, Verlierer, Kurioses: Das ist der Junior ESC
So wie das Sanremo-Festival in Italien in den 50er-Jahren Vorbild für den Eurovision Song Contest war, so basiert auch der Junior ESC auf einem nationalen Format. Im Jahr 2000 veranstaltete das dänische Fernsehen DR erstmals einen Musikwettbewerb für Kinder, der zwei Jahre später als "MGP Nordic" für vier skandinavische Teilnehmerländer weiterentwickelt wurde. Die Europäische Rundfunkunion (EBU) gab daraufhin im Jahr 2003 den Auftrag an DR, den ersten Junior ESC (unter dem Arbeitstitel "Eurovision Song Contest for Children") in Kopenhagen auszurichten. Laut Pressemeldung der EBU war der Andrang der Teilnehmerländer so groß, dass sogar ausgelost werden musste, welche beim ersten JESC dabei sein konnten. Auch Deutschland stand damals auf der Liste, zog sich aber noch vor der Show zurück und hat sein Debüt nun erst bei der 18. Ausgabe der Show 2020 gegeben.
Junior ESC: Nichts bleibt mehr wie es war
Seit 2003 hat sich beim Junior Eurovision Song Contest nahezu alles geändert. Angefangen mit dem Alter der Kandidaten: Ursprünglich durften Kinder und Jugendliche zwischen acht und 15 Jahren teilnehmen, später erst ab zehn Jahren und heute singen Neun- bis 14-Jährige. Zuerst durften acht Künstler auf der Bühne stehen, heute sind es wie beim ESC sechs. War am Anfang ein Song in der Landessprache Pflicht, so waren bald 25 Prozent und später 40 Prozent in einer anderen Sprache - also zumeist Englisch - erlaubt. Bis ins Jahr 2007 durften die Performer vorher keine kommerzielle Veröffentlichung herausgebracht haben. Außerdem durften nur Kinder an den Songs arbeiten, seit 2008 sind auch Erwachsene als Songschreiber und Komponisten erlaubt. Im gleichen Jahr wurde - wie auch beim ESC - ein Jury-Voting eingeführt. 2016 schaffte die EBU das Televoting komplett ab und es entschieden nur noch eine Kinder- und eine Erwachsenen-Jury. Seit 2017 gibt es ein Jury- und ein Online-Voting, in dem weltweit - auch für das eigene Land - abgestimmt werden kann. Das Siegerland des Junior ESC muss, auch um Druck von den Performern zu nehmen, nicht automatisch die nächste Show ausrichten.
Sieger können ihre Karriere mit dem Junior ESC starten
Doch der Junior ESC hat sich auch auf anderen Ebenen verändert. Die Show läuft seit 2016 nicht mehr am Samstagabend sondern zur kinderfreundlicheren Zeit am Sonntagnachmittag und für viele hat sich auch die Qualität der Beiträge gebessert. Deshalb ist nun auch Deutschland mit dem KiKA und dem NDR dabei. Auch die Art der Songs hat sich entwickelt: Die beiden Sieger-Songs aus Polen von 2018 und 2019 etwa sind zwei radiotaugliche Popsongs, die auch erwachsenen Künstlern gut gestanden hätten. Mit dem Siegertitel von 2008 sind sie kaum zu vergleichen. Georgien, heute JESC-Rekordsieger, gewann das erste Mal mit einer Gruppe als Bienen geschminkter und verkleideter Kinder und dem in Fantasie-Sprache gesungenen Song "Bzz...".
Solche Titel gibt es beim Junior ESC heute nicht mehr. So schräg wie "Bzz..." waren die Gewinner-Songs allerdings auch selten. 2004 gewann die Spanierin María Isabel mit dem Popsong "Antes muerta que sencilla" ("Lieber tot als gewöhnlich"), brachte später sechs Alben heraus und ist in Spanien noch immer als Künstlerin bekannt. Auch ihren Song kennt man noch. Erst im Oktober 2020 wehrte sich die Sängerin öffentlich gegen eine Coverversion mit nationalistischem Text ihres Songs bei YouTube. Den Junior ESC begriffen auch einige als Sprungbrett zum größeren Wettbewerb: Die Siegerinnen Tolmachevy Sisters (Russland, 2006) und Destiny Chukunyere (Malta, 2015) sollten später noch ESC-Kandidatinnen werden.
Verlierer gibt es nicht - nur zweite Gewinner
Doch wo es Sieger gibt, gibt es logischerweise viel mehr Teilnehmer, die nicht gewonnen haben. Damit niemand null Punkte bekommen kann, wurden zwischen 2005 und 2015 einfach jedem Act pauschal zwölf Punkte gutgeschrieben. Auch wenn es natürlich auch hier aufgefallen wäre, wenn keine dazugekommen wären. Doch "richtige" null Punkte - also keinen Punkt aus dem Televoting oder von Jurys - hat es bis heute nicht gegeben. Und auch wenn sie nicht gewonnen haben, stechen einige Acts mit ihren Performances beim Junior ESC hervor.
Kasachstans Daneliya Tuleshova etwa ging als Favoritin in den JESC 2018, erreichte allerdings nur Rang sechs. Doch zwei Jahre später konnte sie bei der Castingshow "America's Got Talent" überzeugen und sogar ins Finale kommen. Die Georgierin Lizi Pop, die 2014 mit "Happy Day" nur Elfte wurde, hat es nach dem Wettbewerb ebenfalls zu großem Ruhm gebracht: Ihr Musikvideo ist (nach den zwei polnischen Sieger-Songs) das bis heute dritthäufigst geklickte auf dem offiziellen EBU-YouTube-Kanal. Sie durfte 2017 den Junior ESC in Tiflis moderieren. Krisia, Hasan und Ibrahim aus Bulgarien belegten 2014 zwar nur Platz zwei, dürften sich aber als Gewinner gefühlt haben: Die Show machte ein Jahr später in Bulgarien halt und das Trio durfte den Song "Planet Of The Children" - bis heute heimliche Hymne des Junior ESC - live im Finale performen.
Die Kuriositäten: Fast wie beim großen ESC
Ein wichtiger Grund, weswegen der Eurovision Song Contest eingeschaltet wird: Kurioses, Witziges, Auftritte zum Kopfschütteln. Die gibt es bei der Kinder-Variante des ESC seltener: Einerseits, weil weniger als die Hälfte der ESC-Teilnehmerländer beim Junior ESC mitmacht, andererseits, weil sich in Songs für Kinder oft weniger getraut wird als bei erwachsenen Performern. Doch ein paar sehr kuriose Performances gab es natürlich auch beim Junior ESC. Nicht nur siegende Bienen aus Georgien. Schon acht Jahre, bevor beim Erwachsenen-ESC 2017 mit "Yodel It!" gejodelt wurde, zeigte die Belgierin Laura Omloop mit "Zo verlieft (Yodelo)" beim Junior ESC, was sie mit ihren Stimmbändern alles machen kann. Der eingängige Song und die witzige Tanz-Choreo brachten ihr Platz vier - Belgiens bis heute beste Platzierung. Flugbegleiter und Piloten brachte Armeniens Dalita 2011 auf die JESC-Bühne. Ihr "Welcome To Armenia" zeigte eine Choreo mit Uniformen, Flugzeugsitzen und Rollkoffern. Überhaupt scheint es Armenien sehr bunt zu mögen. Zwei Jahre später trat Sängerin Monica Avanesyan mit "Choco Factory" an. Passend zu dem gesungenen Zuckerschock waren ihre Tänzer etwa als Bäcker verkleidet und schoben überdimensionale Eisbecher über die Bühne.
Interesse für den Junior ESC schwankt stark
Der Junior Eurovision Song Contest soll vieles sein. Eine Show für Kinder, für die Eltern, für ESC-Begeisterte. Die Songs sollen gut sein, aber nicht überprofessionell. Die Kinder sollen Spaß haben, aber wollen natürlich auch möglichst gut abschneiden. Der Junior ESC schwebt - vielmehr noch als der ESC der Erwachsenen - zwischen den Ansprüchen und war häufig gefährdet. Beim zweiten JESC 2004 sprangen erst Großbritannien (UK) und dann Kroatien als Gastgeber ab - erst fünf Monate vor der Show übernahm Norwegen und rettete so den Wettbewerb. Es scheint aber, als habe sich die Show inzwischen gefangen. Jahre wie 2012 und 2013, als wegen zu geringen Interesses nur zwölf Länder mitgemacht haben, scheinen vorüber zu sein. Im Rekordjahr 2018 traten 20 Länder an - besonders in Osteuropa ist der Wettbewerb ein Quotenbringer. Das Corona-Jahr 2020 mit den zwölf Teilnehmern eignet sich nicht für einen echten Vergleich. Der Junior ESC 2020, der nur aus vorher aufgezeichneten Show-Videos bestand, wurde ohne Publikum nicht ganz so bunt und schrill wie seine Vorgänger - war aber für den Fortbestand des zwischendurch immer mal etwas fragilen Wettbewerbs sehr wichtig.