Kommentar: Wer ist in Kiew dabei - und wer nicht?
Noch knapp sieben Monate sind es bis zur Kiewer ESC-Woche. In wenigen Wochen beginnt die Vorentscheidungssaison. Was die Anmeldungen betrifft, mussten ESC-Fans einige Enttäuschungen einstecken. Bosnien und Herzegowina musste die Segel streichen: In dieser ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik ist der öffentlich-rechtliche Sender finanziell so klamm ausgerüstet, dass das Land auf den ESC verzichten muss. Sehr schade.
Die Türkei und ihr Sender TRT sind ebenfalls nicht mit von der Partie. Traditionell missachtet man dort den ESC, weil man der Ansicht ist, dass türkische Beiträge nicht hinreichend gewürdigt werden, und auch weil man das neue Punktesystem als ungerecht empfindet. Das ist alles fadenscheinig, die Gründe für den Rückzug seit einigen Jahren haben vor allem mit dem politisch begründeten Desinteresse an Europa schlechthin zu tun. Und nimmt man die aktuelle politische Situation der Türkei in den Blick, muss man die beleidigte Ignoranz dem ESC gegenüber ja nicht gut finden, aber man kann sie verstehen: Eine politisch stark islamisch geprägte Republik möchte nicht zu einer Show zurückkehren, bei der man nicht als Sieger oder wenigstens zweiter oder dritter Sieger abschneidet.
Die Slowakei hat nun auch definitiv abgesagt und wird nicht in der Ukraine dabei sein. Der ESC hat dort nicht genügend Popularität, als dass dem Publikum ein eurovisionäres Engagement schmackhaft gemacht werden könnte.
Portugal wagt es wieder
Schön ist gleichwohl, dass Portugal und Rumänien (letzteres Land durfte wegen nicht gezahlter EBU-Gebühren 2016 nicht mit dabei sein) wieder zurückkehren (können). Das Nachbarland Spaniens am Atlantik möge doch bitte mal einen Act entsenden, der professioneller und eurovisionärer denn je anzuschauen und anzuhören ist. Den Finnen ist es doch 2006 mit Lordi auch gelungen, sich Europa gegenüber verführerisch und verständlich zu machen. Portugal müsste nur einmal ästhetisch Ungewöhnliches wagen.
Mithin 41 Sender haben zugesagt, auch Russland wird anreisen. Russland hat sich freilich noch nicht selbst in der eurovisionären Öffentlichkeit zu Wort gemeldet und Kiew 2017 bestätigt - das tat allerdings der ukrainische Generaldirektor des Fernsehens, Zurab Alasania: "Zuerst haben sie gegrummelt, dann aber sie ihre Teilnahme zugesagt und einen potentiellen ESC-Kandidaten genannt." Mit anderen Worten: Russland wird dabei sein - wenngleich aus Moskau noch keine Pressemitteilung vorliegt. Ehrlich gesagt: Mich hätte auch eine Abstinenz dieses inzwischen ja ruhmreichen ESC-Landes gewundert.
Zwei Zusagen offen
Zwei Länder jedoch könnten nicht ihr "Yes, we will" anfügen: Einerseits ist das San Marino. Und andererseits Australien. Die republikanische Insel in Italien wollte sich neulich erklären, aber es kam als Information - nichts. Offizielle Bestätigung bisher also Fehlanzeige. Ich vermute, es fehlt noch an einem Sponsor. Die EBU-Gebühren - quasi die Umlage der Showkosten - dürften nicht das Problem sein. San Marinos Sender hat dem Vernehmen nach einen Betrag zu zahlen, der bei den großen Sendern aus der Portokasse beglichen werden könnte. Aber ein Geldgeber für den künstlerischen Beitrag, der fehlt. Bislang, so sagen es einem san-marinesische TV-Funktionäre, hätten Sponsoren und Plattenfirmen die ESC-Ausflüge finanziert. Aber solche "Big Spender" fehlen immer noch, weil San Marino in den vergangenen Jahren meist im Semifinale ausschied und die Sponsoren kaum zur Geltung kamen.
Australien ziert sich noch
Australien zögert offenbar noch mit der Zusage, aber mich würde es doch sehr, sehr wundern, wenn SBS, der öffentlich-rechtliche Sender des Kontinents, nach zwei ausgesprochen erfolgreichen ESC-Teilnahmen (mit dem zweiten Platz dieses Jahr in Stockholm) nicht auch in Kiew mitmachen möchte. Der Sender, nicht der populärste zwischen Darwin und Hobart, erzielte mit den ESC-Shows überdurchschnittliche Quoten. Bei SBS wären sie, salopp formuliert, bescheuert, diesen Publikumsrenner nicht wieder mit eigener Teilnahme zu krönen.
Kämen also diese beiden Länder noch hinzu, wären dies 43 - die Höchstzahl bislang, ebenso viele Acts also wie 2008 in Belgrad und 2011 in Düsseldorf.
Ende des Jahres wird die Gästeliste geschlossen. Bis dahin können die Sender, die zugesagt haben, noch ohne besonderen Aufhebens einen Rückzieher machen (was aber bei keinem Land sehr wahrscheinlich ist). Im Januar dann gehen die Planungen für die Semis und das Finale in die heiße Arbeitsphase - der Termin der Auslosung der Halbfinals ist noch offen.