Frenetischer Jubel in Kristianstad
Sie waren in den schwedischen und internationalen Medien prophezeit worden: genau jene vier Acts, die Samstagabend im südschwedischen Kristianstadt die vier noch leeren Plätze für das in einer Woche steigende Melodifestivalen 2018 in der "Friends Arena" in Solna bei Stockholm eroberten.
Vier weitere Kandidaten für Vorentscheid
Die in Polen beheimatete Margaret setzte sich mit "In My Cabana" gegen Moncho ("Cuba Libre") durch. In der zweiten Paarung behielt Renaida, in Tansania gebürtig und seit Kindertagen Schwedin, die Oberhand und kickte mit "All The Feels " Olivia Eliasson ("Never Learn") aus dem Rennen. In der dritten Paarung siegte Felix Sandman mit "Every Single Day" gegen Mimi Werner mit ihrer erfrischenden Countrynummer "Songburning". Das vierte und letzte "Battle" entschied Méndez, Kind chilenischer Eltern, mit "Everyday" für sich und zwar gegen Sigrid Bernson, der es nicht half, einen verstorbenen Filmschauspieler mit dem Titel "Patrick Swayze" anzuhimmeln.
Aus allen Vorrunden schaffte es je ein Act
Somit schaffte es aus allen vier Vorrunden, die in den vergangenen Wochen ausgetragen wurden, jeweils ein Act ins Finale des sogenannten Melfest - mutmaßlich die jeweils Drittplatzierten der vier Vorrunden. Das vielleicht schönste und riskanteste Lied des Abends kam indes über eine Art Interval Act: Vor der Verkündigung des vierten und letzten Kandidaten von "Andra chansen" ("Zweite Chance") sang die schwedisch-samische Hip-Hop-Künstlerin, Radiomoderatorin und Performerin Maxida Märak eine raue, auch performativ sehr hübsche Version eines, so hieß es, schwedischen Klassikers: Zarah Leanders "Vill ni se en stjärna". Das war Anfang der 50er-Jahre als schwedische Version von "Wenn der weiße Flieder wieder blüht" auf den Markt gekommen. Das deutschsprachige Lied entstand bereits in den 20er-Jahren in Berlin. Die Leander hatte sich damit in ihrer Heimat eine Art Comeback verschafft. Jetzt also die beeindruckende Fassung der samischen Künstlerin Maxida - dieses Lied mit dieser Interpretation hätte Schweden beim ESC als Avantgarde ausgewiesen: Das war besser als bislang alles, was im eurovisionären Angebot ist, in Schweden und international.
Sandman ist neuer Favorit
Wie üblich gab es viel Pyro und Bühnendekorationen. Farblich changierten etliche Künstlerinnen und Künstler ins Neonfarbige. Der einzige, der sich in gewisser Weise von allen unterschied, war der eher ruhig singende Felix Sandman. Ihn schien das Publikum sehr zu mögen, es verzieh ihm stimmlich sehr hörbare Schwächen, vor allem in den Höhen. Er gilt nun als Mitfavorit auf die Fahrkarte zum Eurovision Song Contest in Lissabon und rangiert bei vielen höher als der designierte Siegeskandidat Benjamin Ingrosso, der nicht ins "Andra chansen" musste, weil er gleich seine Vorrunde auf einem der zwei höchsten Plätze abschloss.
Das Fernsehen war, im Übrigen, voll auf Bilderillusionsproduktion geeicht: Die Übertragung aus Kristianstad nahm sich aus, als ob die "Zweite Chance"-Runde in einer quicklebendigen und Lärminferno-bereiten Bevölkerung stattfindet. Dem ist nicht so: Diese Stadt nah der Ostsee zwischen Malmö und Kalmar, dort, wo so viele Morde in den Büchern Henning Mankells spielen, ist selbst für schwedische Verhältnisse ein stummes Städtchen rund um die Uhr.