Sendedatum: 03.03.1957 21:00 Uhr

ESC-Siegerin Corry Brokken gestorben

Die Niederländerin Corry Brokken während ihres Grand-Prix-Auftritts in Frankfurt 1957 zusammen mit Geiger Sem Nijven. © Hessischer Rundfunk
Die Niederländerin Corry Brokken tritt 1957 in Frankfurt zusammen mit Geiger Sem Nijven auf.

Schon bei der ESC-Premiere 1956 im Teatro Kursaal in Lugano war Corry Brokken für die Niederlande am Start, den Sieg holte aber ihre schweizerische Kollegin Lys Assia. Die gelernte Zahnarzthelferin schaffte es erst 1957, als der Grand Prix Eurovision de la Chanson in Frankfurt am Main ausgetragen wurde: Mit "Net als toen" holte sie den ersten ESC-Sieg für ihr Heimatland. Brokken, eine ziemlich versierte Jazzorchestersängerin, wurde mit dem ESC-Sieg in Europa bekannt.

Brokken entdeckt französische Chansons

Corry Brokken beim Grand Prix d'Eurovision 1957 © Hessischer Rundfunk
Nach ihrem ESC-Sieg nimmt Corry Brokken die Glückwünsche eines Jurymitglieds entgegen.

Der ESC war ein Showprojekt der Eurovisionskette, und das Fernsehen war ein damals noch wenig verbreitetes Medium: Für diese Sängerin mit dem schönen, kräftigen und dunklen Timbre war dieses Festival die ideale Plattform, um sich über ihre Heimat hinaus zu empfehlen. Im Jahr darauf ging das allerdings schief: 1958 belegte sie mit "Heel de wereld" den letzten Platz. Man nahm es ihr übel, aber Corry Brokken erfand sich in den Sechzigerjahren quasi neu. Sie gab den durch Gilbert Bécaud, Charles Aznavour, Edith Piaf und auch Joan Baez bekannt gewordenen Liedern in Niederländisch wie auf Deutsch ein eigenes Gewicht. Ihre Lieder atmeten vornehme Kraft, ja, gelegentlich hörten sich ihre Interpretationen, etwa auch der ESC-Hit "N'avoue jamais" ("So ist die Liebe, mon ami"), schöner als die Originale an.

In den 60ern hatte Corry Brokken über den WDR eine eigene Samstagabendshow in der ARD - geschmackvolle Unterhaltung mit Sängerinnen und Sängern, die wie sie ästhetisch nicht der aktuellen Beatwelle aufsaßen oder aufsitzen wollten. Als die Sendung an Popularität verlor, wurde sie abgesetzt. Brokken beschwerte sich danach in einem Interview in den Niederlanden über diesen wenig charmanten Hinauswurf, ließ es sogar zu, dass geglaubt wurde, sie habe das deutsche Publikum wegen seiner unverdauten Nazivergangenheit kritisiert. Alles in allem war sie als berufstätige Sängerin am Ende ihrer Möglichkeiten.

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Lys Assia beim Grand Prix d'Eurovision 1956 in ein Fotoalbum montiert. (Bildmontage) © NDR/ fotolia.com Foto:  Halfpoint

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Zweite Karriere als Juristin

Sie studierte schließlich Jura, wurde eine erfolgreiche Juristin, sang erst sehr viele Jahre später wieder auf der Bühne. Letztmals beim ESC gesehen wurde sie 1976 als Moderatorin beim eurovisionären Festival, das damals die britischen Brotherhood of Man gewannen. Brokkens Lieder auf Deutsch sind bei Bear Family Records in sauberen Editionen auf CDs wiederveröffentlicht worden. Fans des ESC, nicht nur in den Niederlanden, verehren sie bis in unsere Tage als eine Frau, die dem ESC Stimme und Popularität mitverschafften.

Am 2. Juni ist Brokken im nordholländischen Laren im Alter von 83 Jahren verstorben. Sie ruhe in Frieden - man möge sie weiter in Erinnerung behalten. Sie war eine Große.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 03.03.1957 | 21:00 Uhr

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