Bewerbung veröffentlicht: Wie Rotterdam den ESC bekam
Um den Eurovision Song Contest 2020 austragen zu dürfen, musste sich Rotterdam gegen acht andere interessierte niederländische Städte durchsetzen. Wie sie das gemacht haben, zeigt das offizielle Bidbook der Stadt, mit dem sich Rotterdam bei der Europäischen Rundfunkunion (EBU) beworben hat. Auf 120 Seiten stellt die Stadt ihre Vorzüge heraus - ihre motivierten Bewohner, die möglichen Locations und die Erfahrung darin, große Events auszurichten. Das Bidbook sammelt bereits einige Ideen, wie der ESC 2020 aussehen soll.
ESC-Sieger Duncan Laurence für Rotterdam
Die Bewerbung durchziehen große, bunte Fotos, die Rotterdam als "internationalste Stadt der Niederlande" zeigen sollen, in der "Träume wahr werden". So nennt Rotterdams Bürgermeister Ahmed Aboutaleb seine Stadt in der Einleitung. Neben den Fotos stehen lobende Zitate über Rotterdam - meistens von Entscheidungsträgern oder Organisatoren anderer Festivals. Auch der aktuelle ESC-Sieger Duncan Laurence wird zitiert: "Ich bin für die Stadt, aus deren Nähe ich komme und das ist Rotterdam." Der Sänger wurde in Spijkenisse geboren und wuchs in Hellevoetsluis auf, beide Orte liegen nur einige Kilometer südwestlich. Rotterdam präsentiert sich als Stadt mit Einwohnern aus 172 Ländern. Alle Länder, die am ESC teilnehmen, seien in Rotterdams Bevölkerung repräsentiert.
Rotterdam ist hochmotiviert für den Song Contest
Für zwei Wochen im Mai will sich die Stadt ganz dem ESC widmen - auch mit vielen kostenlosen Nebenveranstaltungen. Niemandem solle entgehen, dass der Song Contest hier stattfindet. Der größte LED-Screen Europas am Rotterdamer Hauptbahnhof könnte mit einem Film bespielt werden - genauso wie die Fassade des größten Gebäudes des Landes "De Rotterdam". Laufbotschafter sollen Delegierte morgens einladen, mit ihnen durch Rotterdam zu joggen und dabei etwas über die Stadt zu erfahren. Um zu beweisen, wie sehr die Bewohner den ESC wollen, wurde sogar der Screenshot einer privaten Facebook-Veranstaltung mit viel Zustimmung zum ESC in Rotterdam ins Bidbook eingefügt und eine Umfrage einer Tageszeitung gezeigt, in der von 1.110 Befragten 87 Prozent positiv antworteten.
Rund 16.000 Zuschauer beim ESC in der Ahoy Arena
Die Stadt ging mit dem Rotterdam Ahoy ins Rennen um den ESC. In die Ahoy Arena sollen bis zu 16.426 Zuschauer passen. Daneben enthält der Hallenkomplex noch sieben weitere kleinere Hallen unter demselben Dach, in denen ohne Probleme das Pressezentrum, ein Pressekonferenzraum, die Delegationen, Umkleidekabinen und der Green Room Platz finden könnten - falls letzterer nicht in der Ahoy Arena selbst sein soll. Der Komplex biete zudem viel Platz, um die Aufbauten für die Show anzuliefern und hat die benötigte Größe und technische Infrastruktur für live übertragene TV-Shows. Die Ahoy Arena war schon Austragungsort des Junior Eurovision Song Contests 2007, von Tennis-, Dart- und E-Sport-Turnieren und zweimal der MTV Europe Music Awards. "Es ist eine großartige Halle, die von großartigen Leuten betrieben wird", zitiert die Bewerbung den damaligen Produktionsleiter. "Rotterdam Ahoy ist zu der benötigten Zeit verfügbar", heißt es in der Bewerbung. Ein Konzert des niederländischen Sängers Frank van Etten, das für den 9. Mai 2020 in der Arena geplant war, wurde mittlerweile abgesagt. Zudem will Ahoy höchsten Sicherheitsstandards genügen. Man habe jahrelange Erfahrung, gute Kontakte zu Securityfirmen und könne eine Sicherheitszone auf Flughafen-Niveau einrichten.
ESC-Eröffnung auf Rotterdamer Erasmusbrücke?
Während klar war, dass Rotterdam den ESC in der Ahoy Arena austragen möchte, macht die Bewerbung auch Vorschläge für andere Veranstaltungen rund um den ESC. Die offizielle Übergabe des ESC von Tel Aviv an Rotterdam soll im Rathaus stattfinden. Hier werden auch die Teilnehmerländer in die beiden Halbfinals gelost. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude hat als eines der wenigen in der Innenstadt den deutschen Bombenangriff am 14. Mai 1940 auf Rotterdam überlebt. An diesem Tag findet 2020 das zweite Halbfinale statt und es soll eine Verbindung geschaffen werden zwischen dem Bombenangriff und dem heute friedlichen ESC-Fest. Für Eurovision Village und Euroclub nennt das Bidbook keine Orte. Wegen des Eurovision Village möchte man sich erst mit Anwohnern abstimmen.
Zwei Möglichkeiten gibt es aber für die Eröffnungszeremonie. Während Lissabon 2018 einen blauen Teppich am Meer und Tel Aviv 2019 einen orangenen ausrollte, setzt Rotterdam 2020 offenbar auf einen goldenen Teppich. Die Zeremonie könnte entweder auf der Erasmusbrücke oder auf der Coolsingel stattfinden - einer bekannten Straße in der Innenstadt, an der auch das Rathaus liegt. Der Teppich soll aus recyceltem Material bestehen. Duncan Laurence' ESC-Outfit wurde schon aus nachhaltigen Rohstoffen gefertigt und der gesamte ESC soll nachhaltig werden und zum Beispiel bei offiziellen Veranstaltungen auf Wegwerfplastik verzichten.
Rotterdam mit Erfahrung und 8.000 Hotelzimmern
Rotterdam unterstreicht in der Bewerbung besonders seine jahrzehntelange Erfahrung darin, unterschiedlich große Events auszurichten - seien es Sport-, Musik- oder Filmfestivals. 2010 und 2015 wurde die Stadt von einem internationalen Veranstalterverband als "World Festival & Event City" ausgezeichnet. Rotterdam setzt zudem auf seine Lage innerhalb der Niederlande. Bekäme Rotterdam den Zuschlag, bedeute dies Tourismus für die ganze Niederlande wegen der geringen Entfernungen. In der Bewerbung wird vorgeschlagen, zu diskutieren, ob innerhalb Rotterdams ESC-Akkreditierte kostenfrei mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können sollen, so wie es etwa in Wien 2015 der Fall war. Rotterdam besitze etwa 8.000 Hotelzimmer in Drei- bis Fünf-Sterne-Hotels und etwa 1.400 private Übernachtungsmöglichkeiten. Mit weniger als einer Stunde Anreisezeit seien sogar über 20.000 Zimmer zu erreichen.
Für die "größte, musikalischste und bunteste Party" (Bürgermeister Aboutaleb) setzt Rotterdam unter anderem auf Volunteers. Allerdings ist hierbei nur von Rotterdamern die Rede. In der Bewerbung bittet die Stadt die EBU auch Bewohnern, die finanziell nur schwer über die Runden kommen, ein unvergessliches Ereignis zu bescheren - etwa in dem sie Proben oder ein Halbfinale besuchen können. Rotterdam setzte sich mit dieser Bewerbung um den ESC 2020 gegen die südniederländische Stadt Maastricht durch und hat für die EBU ein vermeintlich perfektes Bidbook abgegeben. Nur ein Fehler ist ihnen durchgegangen: Auf Seite 33 wird doch tatsächlich vom "European" Song Contest geschrieben. Das lesen ESC-Fans gar nicht gern.