LGBTQ-House: Ein sicherer Ort für alle
Hannah Lesch, Björn Rohwer und Tobias Zuttmann - drei junge Journalisten aus Hamburg - sind dreieinhalb Wochen durch Israel gereist. Sie haben sich auf die Suche nach Projekten begeben, die einem gespaltenen Land Hoffnung geben. Dazu gehört auch das "Pride House" in Be'er Scheva.
"Nicht jeder hat so viel Glück wie ich. Besonders transsexuelle Jugendliche erleben oft viel Negatives durch ihr privates Umfeld." Andi trägt eine randlose Brille, der junge Mann hat mittellange Haare und einen dichten Bartwuchs. Im Süden Israels ist Andi als Frau aufgewachsen, heute ist er ein schwuler Mann.
Vor drei Jahren outete er sich als trans- und homosexuell. Seine Familie und Freunde reagierten positiv und unterstützten ihn auf seinem Weg. Das erleben nicht viele Jugendliche in Israel. Deswegen hilft Andi heute anderen und engagiert sich als Freiwilliger im "Pride House" in Be'er Scheva. Das Haus ist ein sicherer Ort für alle, die sich als Mitglieder der LGBTQ-Community - also als lesbisch, schwul, bi, transgender oder queer - identifizieren. Andi ist im Vorstand des Projekts und der offizielle Sprecher des Hauses.
"Pride House" ist ein Zuhause für alle
Das "Pride House" existiert in Be'er Scheva seit fast 20 Jahren. Im Jahr 2000 wurde es dort eröffnet und es ist der einzige Ort dieser Art im Süden Israels. Finanziert wird es nur durch Spenden. Die Community engagiert sich komplett ehrenamtlich. Danny hat das "Pride House" damals mit gegründet. Der 50-Jährige spricht nur gebrochen Englisch, aber erzählt gerne und viel von den alten Zeiten.
Als Student traf er damals andere engagierte junge Homosexuelle an der Universität und versuchte gemeinsam mit ihnen, eine offizielle schwule Studentengruppierung aufzubauen. Dafür kämpften sie jahrelang gegen die Verwaltung der Universität und eröffneten nach zehn Jahren das "Pride House" in Be'er Scheva. "Als wir das Haus gründeten, war es nicht üblich, geoutet schwul zu sein. Hier konnten wir sein, wer wir sind."
LGBTQ-Zentren müssen nicht immer in Tel Aviv sein
Auch Andi hat dort einen Ort gefunden, an dem er so sein kann, wie er ist. "Als ich aufwuchs meinten die Leute noch, dass es nur einen Ort für die Community gibt - Tel Aviv. Es ist so etwas wie das Mekka für Schwule", erzählt der 27-Jährige. Doch das "Pride House" schaffe ein Zuhause fernab der großen Metropole. Das Haus ist offen für jeden, es werden Gesprächsgruppen für Studierende, Frauen, Gläubige, Transsexuelle, über 30-Jährige und auch Treffen auf Englisch angeboten.
Andis Heimatstadt Eilat liegt an der südlichen Spitze Israels, direkt am Roten Meer. Als Kind kannte er dort niemanden aus der LGBTQ-Community. Er traf die ersten, die so fühlten wie er, in Internetforen: "Ihre Geschichten und Erfahrungen halfen mir, zu verstehen wer ich bin."
Die Begegnung mit anderen soll einfacher werden, dafür engagiert sich auch Politikerin Anat Nir, die dieses Jahr für die Knesset kandidierte. Sie ist überzeugt: "Es ist wichtig, dass wir andere LGBTQ-Zentren aufbauen, als nur Tel Aviv." Eines von ihnen ist Be'er Scheva, dort hat sie als Aktivistin 2017 die erste Pride Parade organisiert. Die 39-Jährige engagiert sich seit über 20 Jahren in der LGBTQ-Community und setzt sich politisch für deren Rechte ein.
"Der ESC ist unsere schwule Weltmeisterschaft"
Prominente Mitglieder der Community gibt es in Israel vor allem durch den Eurovision Song Contest. Für Andi war Dana International, die 1998 für Israel beim ESC gewann, die erste transsexuelle Person, die er kannte. "Sogar Kinder wissen, wer sie ist, wirklich niemand kennt sie nicht", erzählt er mit der Begeisterung eines großen Fans.
Und damit ist er im "Pride House" nicht allein, die Vorfreude auf den ESC ist groß. Bereits drei Monate vor dem Wettbewerb treffen sich die Mitglieder der Community, um das Public Viewing vorzubereiten. Auch Margarita ist ein großer Fan, ihr hat der ESC auf der Suche nach sich selbst geholfen: "Es waren diese prominenten Teilnehmerinnen und Teilnehmer wie Verka Serduchka, Dana International oder Conchita Wurst, die mir geholfen haben, mich in schwierigen Zeiten selbst zu akzeptieren."
Auch wenn es wie ein Klischee klingt, sieht Andi gute Gründe, warum die LGBTQ-Community den ESC so liebt: "Es ist eine Art Gegenkultur zu den sehr heteronormativen, maskulinen Sportfans. Beim ESC sehen wir glamouröse Acts, die offen queer sind und mit den Geschlechternormen spielen. Der ESC ist unsere schwule Weltmeisterschaft."