Moldau kopiert alte Bühnenshow
Anna Odobescu aus Moldau hat es zumindest geschafft, Aufmerksamkeit zu bekommen. Davon war nicht unbedingt auszugehen - ihr Titel "Stay" verpasst, so sagen es die Buchmacher, wahrscheinlich das Finale des Eurovision Song Contest in Tel Aviv deutlich und international haben sich Kommentatoren auch eher über ihren Song und ihr Musikvideo lustig gemacht. Zu abgeschmackt, zu wenig innovativ sei ihre Powerballade, einfach zu oft gehört. Ihre Choreografie, die sie in ihrer ersten Probe gezeigt hat, erinnert dazu nicht nur an etwas schon einmal dagewesenes beim ESC - es ist eine Kopie! Beim ESC 2011 sang die Ukrainerin Mika Newton "Angel" und wurde damit Vierte. Im Bühnenhintergrund zeigte damals eine Sandmalerin ihre Kunst auf der großen Leinwand der Düsseldorf Arena. Anna Odobescu hat nun nicht nur die Idee von damals übernommen - auch die Sandmalerin ist dieselbe.
Sandmalerin kopiert sich selbst
Sandmalerin Kseniya Simonova wird 1985 auf der Krim geboren und gewinnt 2009 die ukrainische Version von "Das Supertalent". Durch ihren ESC-Auftritt 2011 wird sie europaweit bekannt, tritt sogar vor mehreren Staatschefs und Mitgliedern von Königshäusern auf. 2019 nimmt sie an einem Spin-Off von "America's Got Talent" teil und wird Dritte. So wie auch in Düsseldorf werden in Tel Aviv ihre Sandmalereien per Kamera auf die Großbildleinwand im Hintergrund übertragen. Der offenbar größte Unterschied der Performances: 2011 stand Mika Newton noch leicht versetzt neben ihr auf der Bühne - 2019 stellt sich Anna Odobescu größtenteils vor sie. Auch wenn die Zeichnungen anders sind - Simonova kopiert sich mit diesem Auftritt selbst.
Beim ESC gibt es oft Choreografien, die sich ähneln. Doch eine Tanzchoreografie, die man so schon mal gesehen hat oder auch ein extravagant beleuchtetes Kleid, das ist etwas anderes. Die Performance mit der Sandmalerin war einzigartig. So einzigartig wie der Tänzer im Glaskasten vom Aserbaidschaner Farid 2013 in Malmö oder wie die polnischen Butterfässer von Donatan & Cleo in Kopenhagen 2014. ESC-Fans werden sich daran erinnern. So wie sie sich auch an die Sandmalerin eher noch erinnern, als an die dünne Ballade von Mika Newton. Plagiate sind beim ESC in musikalischer Hinsicht verboten. Aber wenn sich Simonova mit der Choreo gezwungenermaßen selbst plagiiert, dann geht das durch.
Mika Newton ringt nach Worten
Die Ukrainerin Mika Newton, die mittlerweile in den USA lebt, hat von Moldaus Probe auch schon den etwa 30-sekündigen Probenausschnitt gesehen und sich per Instagram an ihre Fans gewendet. In einem recht hektischen Tonfall versucht sie, auch sich selbst klarzumachen, was sie von Anna Odobescus Show hält. "Sie benutzt fast die gleiche Idee wie ich damals in 2011", stellt Newton fest, "und ganz ehrlich, wenn ich sie inspiriert habe und sie sich für fast die gleiche Performance wie ich entschieden hat, dann viel Glück!" Später sagt sie: "Für mich ist das völlig in Ordnung. Was soll ich machen? Ich wünschte, sie hätten etwas anderes gemacht aber ich bin froh, dass sie die Story noch einmal machen." Mika Newton beschreibt, wie lange sie gebraucht habe, um auf diese Inszenierung zu kommen, die ihren Song von anderen abheben lässt. "Natürlich habe ich Kseniya und Sand nicht erfunden. Aber die Story ist meiner sehr ähnlich. Tut mir leid, aber es ist wahr."
Der Verlierer ist Moldau
Bei der Pressekonferenz nach Moldaus Probe wurde die Choreografie natürlich angesprochen. Man sieht aber keine Probleme: "Es ist die Show des Songs - sie komplettiert den Song. Es ist Kunst", heißt es vom Team. Simonova unterstreicht: "Es ist ein Song Contest. Die Sängerin ist die Macherin. Ich mache nur Dekorationen." Für sie ist ihre Performance für Moldau einzigartig. Doch wer sich an die Choreo von Mika Newton erinnern kann, für den ist Moldau eine unkreative Kopie. Und das ist vor allem für das Land schade. Denn noch in Lissabon 2018 lieferten die DoReDoS die wohl spannendste und komischste Inszenierung - mit Doppelgängern der Sänger und einer interessanten Türen-Performance. Anna Odobescu hingegen wärmt ein acht Jahre altes Rezept wieder auf. Leider kann das aber auch ganz clever sein, denn wer sich nicht an Mika Newton erinnert oder sie nicht kennt, für den ist es neu, spannend und unterstreicht den Song emotional. In einem Interview 2013 mit William von den Wiwibloggs hat Dariia Partas, zur Zeit von Mika Newton Head of Press der Ukraine, allerdings zugegeben: "Die Inszenierung hat die Aufmerksamkeit vom schlechten Song abgelenkt." In Moldau versuchen sie dieses Jahr das gleiche. Denn zu dem müden Song kommt lieber die Sandmalerin - als das Sandmännchen.