Stand: 04.11.2021 10:00 Uhr

Alexandra Wolfslast: "Wir wollen ein ESC-Feuer entfachen"

Alexandra Wolfslast, Deutschlands Head of Delegation für den ESC. © NDR Foto: Hendrik Lüders
Alexandra Wolfslast arbeitete einst selbst für eine ARD-Popwelle. Jetzt sind die Radiosender bei der Suche nach einem ESC-Act gefragt.

Deutschlands Auswahlverfahren für den ESC-Act ändert sich radikal. Nachdem 2020 und 2021 Jurys über den deutschen Song zum Eurovision Song Contest entscheiden haben, kehrt im kommenden Jahr der TV-Vorentscheid wieder zurück. Und nicht nur das: Erstmals sind auch alle Popwellen der ARD-Radios an der Suche beteiligt. Deutschlands Delegationsleiterin Alexandra Wolfslast war im Podcast ESC Update zu Gast und hat Moderator Thomas Mohr erklärt, was sie sich von diesem neuen Auswahlverfahren erhofft.

Alex, lass uns das Pferd von hinten aufzäumen: Die Hauptnews für mich ist, dass es im nächsten Jahr eine Vorentscheidung geben wird: eine TV-Show. Ich glaube, viele Fans freut diese Nachricht. Wie soll diese Show aussehen?

Alexandra Wolfslast: Wie genau die Show am ARD ESC-Tag aussehen wird, kann ich jetzt noch nicht beantworten. Wir sind da noch mitten in den Planungen. Fakt ist, dass wir hoffentlich sehr viele tolle Künstlerinnen und Künstler mit ihren Songs vorstellen können - und dass Deutschland eben abstimmen kann.

Das heißt, es gibt ein Televoting?

Wolfslast: Es gibt Televoting. Wer möchte, kann auch online und bei den Radios abstimmen.

Jetzt beginnt der Auswahlprozess für die Künstlerinnen und Künstler. Für die Vorentscheidsteilnahme gibt es ja drei Wege: Durch Initiativ-Bewerbungen und durch die Ansprache durch die Radios von Music-Acts und auch von Labels. Was ist da etwa bei den Labels verabredet?

Wolfslast: Es gibt keine Verabredung, aber natürlich werben die Radio-Popwellen der ARD auch bei Labels für eine Teilnahme am ESC. Wir hoffen, dass sie spannende und aussichtsreiche Künstlerinnen und Künstler, die sie im Portfolio haben, mit in den Wettbewerb schicken.

Aber Künstlerinnen und Künstler können sich auch aktiv für den Vorentscheid bewerben. Wie funktioniert das?

Wolfslast: Über die Bewerbungsplattform hier auf eurovision.de, die auch auf den Homepages der Radiopartner verlinkt ist. Die Bewerbung hier ist quasi selbsterklärend. Wichtig ist, dass wir in diesem Jahr Künstlerinnen und Künstler und Song suchen, also ein Gesamtpaket. Man kann sich nicht als Sängerin oder Sänger bewerben, wenn man keinen eigenen Song hat.

Neu ist ja die Kooperation mit den ARD-Radios, unter anderem mit NDR 2, wo du früher auch gearbeitet hast. Wie beteiligen sich die Musikredaktionen der Popwellen an der Auswahl für die Vorentscheidung?

Wolfslast: Von den Radios kommen unsere Expertinnen und Experten. Vertreterinnen und Vertreter der Popwellen und des Fernsehens bilden die Jury, die die Songs hört, beurteilt, und schließlich auch die aussichtsreichsten Acts für den Vorentscheid auswählt.

Wenn also alle drei Quellen sprudeln, haben wir am Ende, sagen wir, 100 oder mehr Songs - und dann kommt die Jury, die die Songs für den Vorentscheid auswählt?

Wolfslast: Das Ganze erfolgt in mehreren Schritten. Wenn wir 100 tolle Songs hätten, wäre das ja schon ein Riesenerfolg. Zunächst wird generell geprüft, ob die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Bedingungen erfüllen. Der Song darf zum Beispiel nicht vor dem 1. September 2021 veröffentlicht worden sein, wir nehmen natürlich auch keine Coversongs. Da wird es sicherlich ein paar Fehlbewerbungen geben. Aber alle Bewerbungen, die die Bedingungen erfüllen, werden dann von der Jury gehört, bewertet und gegebenenfalls in die nächste Runde gewählt. Und die - ich sag mal - circa 25 besten Acts müssen sich dann noch einmal mit einem Live-Auftritt der Jury stellen. Sodass man schauen kann: Wie sind die Livequalitäten der Künstlerinnen und Künstler? Wie ist ihre Ausstrahlung? Wie ist das Charisma? Und dann werden die Top-Finalistinnen und Finalisten für den öffentlichen Vorentscheid gewählt.

Der Einfluss der Radiosender ist also signifikant groß. Was versprichst du dir von dieser Kooperation?

Wolfslast: Das Besondere und das wirklich Neue ist, dass hier alle ARD-Popwellen mit im Boot sind. Und damit bekommen auch unsere Acts den maximalen Support. Und sie werden auf einer sehr breiten Fläche Gehör finden. Ich denke, dass sie deutlich vor dem ARD ESC-Tag dadurch schon im Radio gespielt werden, dass die Menschen in Deutschland sie kennenlernen können. Und ich hoffe ehrlicherweise, dass das auch ein Riesenanreiz für die Künstlerinnen und Künstler ist, sich zu bewerben.

Es sind ja wirklich riesige Sender dabei. NDR 2 ist einer der größeren, SWR3 ist einer der größten Sender Deutschlands, genauso WDR 2 und hr3. Das ist ja wirklich eine ganz schöne Power, die da zusammenkommt.

Wolfslast: Es ist eine Wahnsinnspower. Und dadurch, dass die Radiosender auch an der Auswahl beteiligt sind, haben die Songs, die wir in der Show präsentieren, ihre volle Unterstützung. Deswegen gehe ich davon aus, dass alle, die es in den finalen Vorentscheid schaffen, im Grunde genommen Gewinnerinnen und Gewinner sind. Eben weil man diese Power im Nacken hat. Und das schafft Vertrauen - auch in der Musikindustrie.

Die italienische Band Måneskin tritt beim ESC 2021 an.  Foto: Francis Delacroix
Måneskin waren schon vor ihrem ESC-Sieg 2021 die Favoriten von Alexandra Wolfslast.

Bei ESC Update hast du im Frühjahr über deine Favoriten beim ESC in Rotterdam geredet: Deine Favoriten waren Frankreich und vor allem auch Italien, also am Ende die ersten beiden Plätze. Beides aber sehr eigene Songs, die auf den ersten Blick überhaupt kein Mainstream sind. Würde unser ARD-Verfahren überhaupt solche Acts, Sieger-Acts, hervorbringen können?

Wolfslast: Also erstmal bin ich ziemlich stolz, dass ich so treffsicher war! Auch Måneskin und Barbara Pravi können durchaus in Mainstream-Radioprogrammen laufen. Und das sind sie ja auch, weit über Italien beziehungsweise Frankreich hinaus. Ich glaube, wenn es um unsere eigenen Titel geht, die wir auswählen, dann bekommt der Song eine andere Relevanz. Und dann nimmt man auch mal einen etwas andersartigen Song in die Playlist. Da bin ich mir sicher. Und wenn du dir "Wellerman" zum Beispiel anhörst, da hättest du auch nicht sofort gedacht, dass das ein Radiosong ist. Das ist ja ein Shanty, und jetzt läuft der rauf und runter. Also: keine Angst vor ungewöhnlichen Songs.

Was kannst du jetzt schon zur Vorentscheidsshow sagen? Gibt es eine Jury? Gibt es Publikum? Wie werden die teilnehmenden Sender repräsentiert?

Wolfslast: Leider kann ich dazu noch gar nichts erzählen, weil wir da wirklich noch in den Planungen stecken. Da gibt es viele Ansätze, die wir verfolgen, aber nichts ist konkret. Wir konzentrieren uns jetzt vor allem erst einmal auf die Auswahl und hoffen, dass wir ausreichend tolle Bewerbungen bekommen.

Warum läuft die Sendung eigentich in den dritten Programmen und nicht im Ersten?

Wolfslast: Nicht nur die ARD-Radios machen gemeinsame Sache beim ESC, sondern eben auch alle Landesrundfunkanstalten und damit auch die Fernsehprogramme. Dadurch haben wir eine viel größere Verbindung der Radiostationen der Bundesländer zu ihren eigenen Fernsehsendern - und erhoffen uns eine viel größere Reichweite.

Einige Mitglieder der Eurovisions-Jury sitzen an einem Tisch vor Bildschirmen. © NDR Foto: Christoph Pellander
Eine Eurovisions-Jury aus Fans, wie sie etwa 2018 eingesetzt wurde, gibt es 2022 nicht mehr.

Die Eurovisions-Jury, bestehend aus ESC-Fans, die in den vergangenen Jahren eine große Rolle im Auswahlverfahren gespielt hat, ist ja auch schon gecastet worden. Die spielt dann aber keine Rolle mehr?

Wolfslast: Leider nein.

Was für Hoffnungen verknüpfst du denn mit dem neuen Konzept?

Wolfslast: Den ESC-Act zu finden, sollte eine nationale Aufgabe sein. Ich hoffe, dass wir durch die Beteiligung der Radios, der Fernsehsender und natürlich dadurch, dass die Menschen in ganz Deutschland abstimmen können, wieder ein eigenes ESC-Feuer in unserem Land entfachen können. Das finde ich unglaublich wichtig - neben einer guten Platzierung, die wir uns natürlich auch erhoffen. Wieder mehr ESC-Spirit im eigenen Land noch vor dem eigentlichen Wettbewerb zu bekommen, das wäre toll.

Viel Erfolg dabei! Und wir werden sicherlich noch über die ein oder andere Modifizierung des Konzepts sprechen.

Wolfslast: Das hoffe ich! Danke dir.

Das komplette Interview mit Alexandra Wolfslast und ein Interview mit NDR 2 Programmchef Torsten Engel zur Beteiligung der Radiostationen an der Suche nach dem deutschen Act gibt es in einer Sonderausgabe des Podcasts ESC Update in der ARD Audiothek.

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Mikrofon und Bühnenaufbau (Collage) © EBU, Colourbox Foto: Andreas Putting

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Dieses Thema im Programm:

NDR Blue | ESC Update | 04.11.2021 | 10:00 Uhr

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