Deutsches ESC-Finale: Litauen ist "Sieger der Herzen"
Kein Konfetti, keine Party, kein Publikum - der 16. Mai 2020 ist ein denkwürdiger ESC-Abend, ganz im Zeichen der Corona-Pandemie. Statt großer Show im niederländischen Rotterdam, findet ein deutsches Finale - moderiert von Barbara Schöneberger - in Hamburg statt. Im großen Saal der Elbphilharmonie, wo sonst 2.100 Zuschauer hineinpassen, sind die Ränge leer. Aber es ist ein würdiger Ort für ein großes Finale - mit kleiner, aber feiner Besetzung. Die drei Bands, die an diesem Abend live spielen, scheinen einen "Heimvorteil" zu haben. Und damit beste Chancen auf den Titel "Sieger der Herzen". Und das bewahrheitet sich - The Roop aus Litauen holen sich für "On Fire" mit den Stimmen der 100-köpfigen Eurovisions-Jury und der Televoter die ESC-Elphi-Trophäe 2020.
Platz | Land | Kandidat | Song | Voting User | Voting Jury | Punkte gesamt |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | Litauen | The Roop | "On Fire" | 12 | 10 | 22 |
2 | Island | Daði og Gagnamagnið | "Think About Things" | 7 | 12 | 19 |
3 | Russland | Little Big | "Uno" | 10 | 7 | 17 |
4 | Malta | Destiny | "All Of My Love" | 2 | 8 | 10 |
5 | Dänemark | Ben & Tan | "Yes" | 8 | 1 | 9 |
6 | Schweden | The Mamas | "Move" | 4 | 5 | 9 |
7 | Schweiz | Gjon's Tears | Répondez-moi" | 3 | 6 | 9 |
8 | Italien | Diodato | "Fai rumore" | 6 | 2 | 8 |
9 | Bulgarien | Victoria | "Tears Getting Sober" | 5 | 3 | 8 |
10 | Aserbaidschan | Efendi | "Cleopatra" | 1 | 4 | 5 |
The Roop beweisen Sinn für Humor
Mit Island und Litauen sind gleich zwei Favoriten des diesjährigen ESC-Jahrgangs gekommen. Absolut finalwürdig! Natürlich trägt Vaidotas Valiukevičius von The Roop seinen weißen Rollkragen-Pullover und hat seine Lupe dabei. Wenn Fans da wären, zöge der charismatische Sänger mit seinem Blick jeden an. Auch in Hamburg legen sie ihre tanzbare Choreografie zu "On Fire" aufs Parkett, die viele ESC-Fans locker mittanzen können, wie die vielen Videos in den sozialen Netzwerken dazu beweisen. Und so bringen die Jungs aus Vilnius sicher auch die ESC-Gemeinde vor den Bildschirmen zum Tanzen. "Are you ready for some fun", begrüßt Barbara Schöneberger Vaidotas Valiukevičius, Robertas Baranauskas und Mantas Banišauskas - und The Roop sind immer für einen Spaß zu haben. "Are you ready for some fun", kontern sie charmant.
Daði og Gagnamagnið überzeugen im deutschen ESC-Finale nicht
In die Kategorie Spaß passt auch die Eurovision Performance-Gruppe Daði og Gagnamagnið aus Island. Nach Hamburg sind sie zu dritt gekommen mit ihrem Song "Think About Things", der live gesungen allerdings weniger spritzig rüberkommt als die Version im Video. So mutet das Ganze eher wie eine loungige Clubnummer an. Egal, Daði Freyr, der in Berlin lebt, liebt Deutschland - und Deutschland liebt Daði Freyr, und seine Band. Für einen Sieg hat es - anders als noch im deutschen ESC-Halbfinale - nicht gereicht.
Ben & Tan singen Schulter an Schulter
Das dänische Duo Ben & Tan ist ebenfalls in der Elbphilharmonie aufgetreten. Das Musikduo hat sich mal eben ins Auto gesetzt und ist von Kopenhagen in die Hansestadt gereist, im Gepäck ihren folkigen Popsong "Yes". Schön, dass auch Benjamin Rosenbohm, der eigentlich Deutscher ist, und Tanne Balcells die Show in der Elphi bereichern. "Come and rest your pretty head up on my shoulder", singen sie Schulter an Schulter. Ein schöner Moment, mehr aber ist in diesen unsicheren Zeiten nicht möglich.
Ben Dolic kann stolz auf Elphi-Auftritt sein
Außer Konkurrenz tritt Ben Dolic auf, der deutsche Kandidat, mit "Violent Thing" in Hamburg auf. Gerne wäre der 23-Jährige nach Rotterdam gefahren, aber die Performance in der Elbphilharmonie, die sich ein bisschen an Justin Timberlake orientiert, ist ein kleines Trostpflaster. Vielleicht auch für eine Top-10-Platzierung, die in Rotterdam möglich schien. Vor allem nach der überzeugenden und emotionalen Darbietung am heutigen Abend.
Diodato und Gjon's Tears sind nur im Video zu sehen
Gerne hätten wir an diesem Abend auch die anderen Finalisten gesehen - wie Diodato aus Italien oder den Schweizer Gjon's Tears mit ihren wunderschönen und emotionalen Balladen. In der Corona-Krise haben die Italiener "Fai rumore", übersetzt "Lärm machen", während der landesweiten Ausgangssperre von den Balkonen erklingen lassen. Musik verbindet, nicht nur beim ESC. Der Schweizer Gjon Muharremaj hat für die deutschen ESC-Sendungen seinen Titel "Répondez-moi" nochmal neu eingespielt. Der junge Mann aus dem frankophonen Teil der Schweiz punktet mit seiner Stimme und den hohen Tönen.
Michael Schulte weckt Erinnerungen an Lissabon
Zum Schluss holt Michael Schulte das ESC-Gefühl von 2018 in Lissabon und die Erinnerung an seinen großartigen vierten Platz zurück. Mit "You Let Me Walk Alone" sorgt er noch einmal für einen emotionalen Moment in der Hamburger Elbphilharmonie. Auch ohne Applaus. Und so klingt ein denkwürdiger ESC-Abend vor leeren Rängen langsam und nachdenklich aus.