Eurovision Weekend mit Ann Sophie
Ihren letzten Bühnenauftritt hatte sie vor einem Millionenpublikum, jetzt spielt die deutsche ESC-Teilnehmerin Ann Sophie vor etwa 200 Zuschauern. Es ist ihre erste Bühnenshow nach dem ESC-Finale in Wien. Ann Sophie ist der Stargast beim Eurovision Weekend, einem Fantreffen, das zum vierten Mal in Berlin stattfindet. Die vergangenen Wochen hat die Künstlerin zur Erholung nach dem kräftezehrenden ESC-Marathon gebraucht - und auch, um das Null-Punkte-Debakel zu verdauen. Jetzt ist sie wieder voll da. Ihren Auftritt in dem kleinen Club auf dem Pfefferberg-Gelände im Bezirk Prenzlauer Berg startet sie mit "Black Smoke", dem Song, mit dem sie am ESC-Finalabend auf dem letzten Platz landete.
"Mein Weg ist die Musik, die Bühne und das Schauspielen"
Beim Publikum des Eurovision-Weekend kommt die Performance super an. Schon beim ersten Ton springen die ESC-Begeisterten von ihren Sitzen. Ann Sophies Bühnenpräsenz und ihre Stimme füllen den Raum voll aus, ihre Energie ist ansteckend. Dass die Hamburgerin auf die Bühne gehört, ist ihr durch den Song Contest endgültig klar geworden. Frühere Pläne, Medizin zu studieren, hat die Künstlerin abgehakt: "Ich habe verstanden: Mein Weg ist die Musik, die Bühne und das Schauspielen. Das bin ich und das muss ich weitermachen", erzählt sie im Interview mit eurovision.de.
Neben dem Clubkonzert-Siegersong "Jump The Gun", der der Newcomerin die Wildcard für den deutschen Vorentscheid einbrachte, hat sie den selbstgeschriebenen Song "Get Over Yourself" im Programm. Alle Lieder sind auch auf Ann Sophies aktuellem Album "Silver Into Gold" zu hören. Dass das Album in den Charts nicht so gut angekommen ist wie der Song "Black Smoke", der immerhin bis auf Platz 26 der Single-Charts kletterte, hat für Ann Sophie auch mit dem mangelnden Engagement ihrer Plattenfirma zu tun. Nach dem schlechten Abschneiden beim ESC habe diese sich nicht mehr besonders ins Zeug gelegt und keine Promotion gemacht. "Da ist gar nichts passiert", ärgert sie sich. Dass das Interesse, für Ann Sophie die Werbetrommel zu rühren, nach dem ESC schlagartig aufhörte, hat sie schwer enttäuscht: "Das ist das einzige, was schwierig für mich war."
Konzertorganisation in Eigenregie
Um Auftrittsmöglichkeiten kümmert sich die Sängerin jetzt persönlich. Im September gibt sie ein Konzert in ihrer Heimatstadt Hamburg und im Januar und Februar 2016 geht sie mit ihrer Band auf eine kleine Deutschlandtour - alles selbst organisiert: "Wir machen eine kleine Besetzung mit Gitarre, Klavier, Bass, Schlagzeug und ich, und dann werden wir schöne, chillige Konzerte geben."
Trotz einiger Enttäuschungen war der Song Contest für Ann Sophie eine großartige Erfahrung und hat Türen geöffnet. Anfang nächsten Jahres ist die Sängerin in einer kleinen Rolle in der neuen ZDF-Serie "Sibel und Max" zu sehen, und es gibt weitere Neuigkeiten, die sie aber noch nicht verraten will.
ESC als Karriereschub
Dass der größte Musikwettbewerb der Welt der Start einer langen Karriere sein kann, beweisen zwei Künstler, die neben Ann Sophie beim Berliner Fan-Fest dabei sind: Kirsten Siggaard aus Dänemark, die in den 80er-Jahren dreimal beim ESC mitmachte und ihre Landsfrau DQ, die als eine der ersten Dragqueens auf der ESC-Bühne stand. Kirsten Siggaard kam, ähnlich wie Ann Sophie, eher zufällig zum ESC. Nachdem sie Showluft geschnuppert hatte, hängte sie ihren Bank-Job an den Nagel und bestreitet mittlerweile seit 31 Jahren erfolgreich ihren Lebensunterhalt als Solistin, Sängerin in einem Soul-Trio und als Musical-Darstellerin. Auch DQs Karriere wurde durch den ESC beflügelt - obwohl sie schon im Halbfinale rausflog.
Bis zu ihrem ESC-Debüt waren Dragqueens in Dänemark eigentlich nur bei Schwulen-Veranstaltungen gefragt. Mit dem Auftritt 2007 beim ESC in Helsinki änderte sich das. Seither tritt DQ, alias Peter Andersen, in Revuen und Shows vor unterschiedlichstem Publikum auf und lebt ein vielseitiges Künstlerleben.
Fans und Künstler-Kollegen glauben an Ann Sophie
Kirsten Siggaard ist davon überzeugt, dass auch Ann Sophie ihren Traum von einer Künstlerkarriere verwirklichen kann: "Sie hat eine schöne Stimme und die richtige Einstellung. Sie ist sehr offen und dann ergeben sich die Dinge. So war es bei mir auch." An Durchhaltevermögen, positiver Einstellung und Selbstbewusstsein mangelt es der Hamburgerin jedenfalls nicht. Das bestätigt sie bei ihrem ersten Auftritt nach dem ESC-Finale. "Ich werde genauso weitermachen und jetzt noch viel mehr. Ich bin sehr viel stärker aus dem ESC herausgekommen."