Stand: 25.06.2008 17:49 Uhr

Armenien: Musik zwischen Orient und Okzident

Blick auf zwei Kirchen am See von Sevan in Armenien. © picture-alliance / dpa | Lehtikuva Foto: Lehtikuva
Gebirge und Seen: Auch landschaftlich hat Armenien viel zu bieten.

In seiner noch jungen ESC-Geschichte hat sich Armenien als besonders erfolgreiches Teilnehmerland profiliert. Seine geografische Lage und seine bewegte Geschichte machen Hayastan, wie Armenien von seinen Bewohnern genannt wird, zur Schnittstelle zwischen christlich-abendländischer und orientalischer Kultur. Einige archäologische Funde weisen sogar darauf hin, dass die Wiege der menschlichen Zivilisation in der kleinen Kaukasusrepublik zu finden ist. Vielleicht spricht die armenische Musik auch deshalb ein so breites Publikum an.

Biblische Ursprünge

Als zentraler Schauplatz der Sintflut findet Armenien bereits in der Bibel Erwähnung: Die Arche Noah strandete im armenischen Bergland auf dem (heute in der Türkei gelegenen) Ararat. Hayk, der Legende nach ein Ur-Großenkel Noahs, gilt als Gründervater Armeniens im 3. Jahrtausend vor Christus. Im Spannungsfeld zwischen Rom und Griechenland einerseits sowie Persien und Arabien andererseits gelang es Armenien, eine eigene Kultur zu entwickeln und gegenüber äußeren Einflüssen zu behaupten. Einen wichtigen Beitrag hierzu leisteten die Gründung der Armenischen Kirche als erster christlicher Staatsreligion der Welt und die Entwicklung des armenischen Alphabets durch den Heiligen Mesrob Mashtots.

Geistliche Klänge und Improvisationsgesang

Religion spielte auch eine wichtige Rolle für den Erhalt der armenischen Identität nach dem Zerfall des letzten armenischen Königreichs 1375 und der Aufteilung des Staatsgebiets zwischen den osmanischen, persischen und russischen Nachbarn. Entsprechend bedeutsam sind bis heute die geistlichen Lieder der Armenier, die sogenannten Scharakane. Sie gehören zu den ältesten christlichen Gesängen und wurden über viele Jahrhunderte in der Khaz-Notenschrift festgehalten, die bis heute nicht vollständig entschlüsselt ist. Viele der einstimmigen Melodien sind durch orientalisch anmutende Stimmimprovisationen gekennzeichnet. Auch die armenische Folklore lebt vom spontanen musikalischen Ausdruck der Dorfgemeinschaft.

Komitas Vater der modernen armenischen Musik

Die auf Grund ihres Improvisationscharakters nur lückenhaft überlieferte Musiktradition wurde Ende des 19. Jahrhunderts durch den Priester Komitas niedergeschrieben und rekonstruiert. Gleichzeitig führte der Gelehrte und Komponist die Mehrstimmigkeit ein und legte damit die Grundlage für die Entstehung moderner armenischer Musik. Während der türkischen Pogrome gegen die armenische Bevölkerung wurde Komitas deportiert und ein Großteil des gesammelten Melodienschatzes vernichtet. Das musikalische Talent Armeniens jedoch wurde durch die Flüchtlinge in alle Welt getragen. Viele internationale Künstler sind armenischen Ursprungs, so Chansonnier Charles Aznavour oder Pop-Diva Cher.

Klassische und quäkende Klänge

Nach einer kurzen Phase nationaler Souveränität gelangte Armenien 1920 unter sowjetische Herrschaft. In dieser Zeit brachten armenische Komponisten viele klassische Werke von Weltrang hervor. Folkloristische Elemente fanden zwar in diese Kompositionen Eingang, allgemein aber war die Ausübung regionaler Volksmusik (wie in der gesamten Sowjetunion) streng reglementiert. Erst nach der Unabhängigkeit Armeniens 1991 konnte sich eine breit gefächerte Unterhaltungsmusikszene mit vielen unterschiedlichen Genres ausbilden, die nun ausgiebig aus dem Repertoire der armenischen Folklore schöpft. Nur selten fehlt dabei die Duduk, eine leicht quäkende Oboe aus Aprikosenholz.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 13.05.2017 | 21:00 Uhr

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