Vor 40 Jahren: Überraschungen beim ESC in Paris
Eigentlich stand von deutscher Seite der 23. Grand Prix Eurovision de la Chanson, wie er damals bei uns noch hieß, unter einem schlechten Stern. Eine Jury des Südwestfunks in Baden-Baden erklärte nach Durchhören aller vorgeschlagenen Lieder, keines sei würdig, in Paris anzutreten und Deutschland zu repräsentieren. Am Ende wollte man sich diese Blamage jedoch ersparen und schickte die knapp durch ein Meinungsforschungsinstitut favorisierte Ireen Sheer mit ihrem Titel "Feuer" ins Rennen.
Ireen Sheer performt mit Trickkleid
Eine Rolle mag gespielt haben, dass Sheer in Deutschland ziemlich bekannt und beliebt war, außerdem hatte sie 1974 mit "Bye, Bye, I Love You" für Luxemburg bereits erfolgreich beim ESC gesungen: Mit ihr konnte nichts schiefgehen. Immerhin: Sie belegte den starken sechsten Platz mit einer exzellenten Show, bei der sie mit dem ersten Refrain ihr weißes Cape, das sie über dem eleganten Cocktailkleid trug, von den Schultern warf, um ihrem Feuer Ausdruck zu verleihen - eine Art der Performance, die sich bei ESC-Fans nicht nur damals höchster Wertschätzung erfreute.
Izhar Cohen - Sieg für Außenseiter aus Israel
Den Sieg indes machten andere Lieder am Abend des 22. April 1978 unter sich aus: Am Ende gewann mit 32 Punkten Vorsprung die flotte Performance der israelischen Formation mit Izhar Cohen und The Alpha-Beta mit "A-Ba-Ni-Bi" - eine Art Kinderlied, das in mittlerem Disco-Tempo arrangiert war. Es war der erste Sieg Israels beim ESC, fünf Jahre nach dem Debüt 1973 in Luxemburg, bei dem auch schon Nurit Hirsh am Dirigentenpult stand. Nach den auf Hebräisch singenden Israelis folgten drei französischsprachige Acts: Jean Vallée für Belgien, Joël Prevost für Frankreich sowie Caline & Olivier Toussaint für Monaco.
Baccara starten mit Pop-Song für Luxemburg
Aus dem französischsprachigen Block fiel der luxemburgische Beitrag heraus: Das Land hatte einmal mehr Pop eingekauft - und zwar mit den Spanierinnen von Baccara, eine Zwei-Frauen-Formation, die wie keine sonst in den Jahren zuvor die Hitparadenspitzen bedienten, etwa mit Liedern wie "Sorry, I'm A Lady" and "Yes Sir, I Can Boogie". Ihr ESC-Titel "Parlez-vous francais?" war schwungvoll und beantwortete die Frage des Liedes selbst mit einem hörbaren "Nein". Sie wurden hinter der Engländerin Ireen Sheer Siebte.
Dänemark nach Pause dabei
Der 23. ESC lebte von einigen politischen und kulturellen Besonderheiten - und das erstmals auf einer Drehbühne sitzende Orchester zählte noch zu den unspektakulärsten von diesen. Dänemark war erstmals nach 1966 wieder dabei. Danmarks Radio hatte elf Jahre lang den ESC links liegen gelassen, weil er nicht dem gewünschten Niveau Dänemarks entsprochen habe. "Mabel" schaffte mit dem niveauvollen "Boom Boom" nur den 16. Platz.
Türkei und Griechenland nähern sich an
Politisch war interessant, dass erstmals die Türkei und Griechenland gemeinsam an einem ESC teilnahmen. Griechenland hatte sich in den Jahren zuvor stets vom ESC zurückgezogen aus Protest gegen die Besetzung von Nordzypern durch die Türkei. Im Pariser Palais de Congrès sollen beide Delegationen tüchtig gemeinsam gefeiert haben: Gut so!
Null-Punkte-Wertung für Norwegen
Besonderheiten außerdem: Norwegens Jahn Teigen musste mit dem ersten Null-Punkte-Ergebnis seit Einführung des damals neuen Wertungsschemas (Punkte von 12 bis 1) nach Hause reisen. "Mil etter mil" machte ihn in seinem Heimatland zu einem bedauerten Opfer, danach zu einem Helden, der bis heute sehr populär ist. Schließlich: Italiens Beitrag "Questo amore" landete nur auf dem zwölften Rang, aber Ricchi e Poveri begründeten in den Jahren darauf nicht nur in Deutschland eine neue Italo-Pop-Welle und wurden zu einer der beliebtesten Bands. Last but not least: Dieser 23. Eurovision Song Contest war der erste, bei dem nicht eine Person moderierte, sondern zwei: Denise Fabre und Léon Zitrone.