Tschechien zurück im Spiel - klasse!
Das ist die überraschendste ESC-Nachricht des Monats: Am Mittwoch wurde bekannt, dass nach langjähriger Abstinenz Tschechien wieder zum ESC zurückkehrt. Kulturgeschichtlich gesprochen: Offenbar wollte man im Land, das einst zum habsburgischen Imperium zählte (Böhmen, Mähren), nicht abseits stehen, wenn in der Hauptstadt dieses Reiches der 60. Eurovision Song Contest gegeben wird. Die Meldung, die man an jedem 1. April für einen mäßig witzigen Scherz hätte halten können, ist in vielerlei Hinsicht unerwartet gekommen.
Möglichst viele Länder zum 60. Jubiläum
Eigentlich ist ja die Anmeldefrist für die interessierten Länder seit Mitte Oktober verstrichen. Aber wir hatten hier auf eurovision.de ja geschrieben, dass die Mühen hinter den ESC-Kulissen unabhängig von verabredeten Terminen weitergehen. Einige Kommentatoren haben diese Einschätzung für absurd gehalten. Aber wir wussten, dass gerade beim 60. ESC in Wien alle Sender bewegt werden, nicht abseits zu bleiben. Es ist schließlich eine Show, die sich zum kulturellen Jubiläum inszenieren lässt. Die 60. Auflage eines Ereignisses, das wie kein anderes für das europäische Miteinander steht: Das verdient offenbar besondere Anstrengungen. Zumal bei einigen Ländern harte Kalkulationen stattfinden beziehungsweise stattgefunden haben. Die budgetäre Frage nämlich lautete in Slowenien ebenso wie in Mazedonien, ob man sich das Festival leisten kann: Immerhin ist es für viele Sender in kleinen Ländern ein mächtiger Etatposten.
Bosnien und Herzegowina nach Zusage abgesprungen
Und: Inzwischen hat ja, obwohl es ein Ja aus Sarajewo gegeben hatte, Bosnien und Herzegowina wieder abgesagt. Aus eben benannten finanziellen Gründen, heißt es. Auch in puncto Bulgarien ist noch alles offen: Wird es in Sofia die Bereitschaft geben, für das europäische Event Geld in die Hand zu nehmen? Immerhin ist aus den Quoten, also dem realen Zuschauerinteresse, nicht durchweg begründbar, warum ein Land teilnehmen soll: In Bulgarien oder in Bosnien und Herzegowina war das Publikum in den letzten Jahren nicht eben zahlreich versammelt. Wahrscheinlich sind Fragen des Prestiges, ob man in Europa sozusagen bestehen kann, nicht mehr so wichtig.
Umso mehr freut mich, dass Tschechien wieder dabei ist. Jan Ola Sand, der Chefproduzent bei der European Broadcasting Union für den ESC, sagte: "Wir sind ganz aufgeregt, dass Tschechien nach fünf Jahren zurück ist. Das macht die Eurovisionfamilie kompletter." Und aus Prag hieß es mit ähnlich zufriedenem Tremolo: "Das tschechische Fernsehen ist glücklich, zu diesem wundervollen Wettbewerb zurückzukehren. Nach drei Beiträgen in vergangenen Jahren hoffen wir, Europa mit dem tschechischen Lied höchste Qualität anzubieten", so Marketa Stinglova, Managerin des International Content Project Center in Prag.
Zuletzt 2009 dabei
Man kann die tschechische Rückkehr atmosphärisch für die anderen fehlenden Länder kaum hoch genug veranschlagen: Dieses Land hat seit 2007 dreimal teilgenommen und ist kläglich in den Halbfinals gescheitert. Zuletzt 2009 in Moskau, als Alexander Rybak triumphal mit "Fairytale" gewann. Dort landete die Romagruppe Gipsy.cz mit "Aven romale" auf dem letzten Rang. Entsprechend fiel die Liebe des Publikums in Tschechien karg aus. Von 2010 an verzichtete man auf weitere ESC-Teilnahmen - es war einfach zu teuer, um ein Minderheitenprogramm zu rechtfertigen. In diesem Sinne muss man dem tschechischen Fernsehsender wünschen, dass er ein starkes Lied mit starken Interpreten zu präsentieren weiß. Dann dürfte das Grand Final auch erstmals kein Problem sein.