Benny Andersson piano am Klavier
Irgendwie ging seine kleine Deutschlandtournee unter, jedenfalls hat sie kaum Wirbel verursacht: zu Unrecht. Benny Andersson war zu Gast in mehreren TV-Sendungen in ARD, ZDF und auch beim NDR. Für junge Menschen: Dieser im achten Lebensjahrzehnt stehende Mann aus Schweden ist der Komponist der allermeisten Lieder von Abba. Er gehört zu den vier Musikern, die 1974 in Brighton auf der Bühne standen und für ein Jahr mit "Waterloo" die ESC-Welt vom Schlager- und Chansonmuff befreiten - und das später in "Musik aus Studio B" auch auf Deutsch.
Keine Tour ohne Anlass: Andersson, der in verschiedenen Interviews in jüngster Zeit betonte, Abba werde niemals mehr gemeinsam auftreten, denn man werde niemals wieder so gut sein wie damals, hat eine CD veröffentlicht. Entstanden ist das Album im gleichen Haus, das auch die Abba-Produktionen veröffentlicht hat - jetzt aber in der Klassikabteilung, sozusagen in der gleichen Abteilung, in der auch Werke von Beethoven, Mozart und Bach gelistet sind. Der Schwede sagt, das sei eine große Ehre für ihn, aber er möchte sich nicht mit solchen Giganten vergleichen. Gleichwohl: Privat höre er zu Hause ausschließlich Klassisches, am liebsten Johann Sebastian Bach.
Bach ist sein Liebling
Im Gespräch mit stern.de sagt er: "Mein Favorit ist Johann Sebastian Bach. Er ist der Erste und der Größte. Aber es gibt so viel andere fantastische Musik: Mozart, Beethoven, Schumann, Schubert, Debussy. Es ist ein unerschöpflicher Pool. Und für jedermann geeignet. Viele Menschen finden klassische Musik zu kompliziert. Aber das stimmt nicht. Man muss sich darauf einlassen.“
Das Album, das einfach nur "Piano" heißt, enthält sozusagen die Greatest Hits des schöpferischen Lebens Benny Anderssons. Kompositionen aus mehreren Jahrzehnten, einige Lieder aus der Ära der Abbas ("I Let The Music Speak", "You And I", "Thank You For The Music", "Happy New Year" oder "The Day Before You Came"), aber nicht "Waterloo" oder "Ring Ring", der erste ESC-Titel der Band, der allerdings 1973 in der schwedischen Vorentscheidung nicht siegte. "Piano" bietet auch Stücke aus "Kristina från Duvemåla" oder "Chess", den Musicals aus der Abba-Werkstatt von Andersson und Björn Ulvaeus. Außerdem einige Lieder, die für das Album "1989" (nach der Abba-Zeit, die bis 1982 reichte) geschrieben wurden, oder ursprünglich für das Benny Andersson Orkester produziert wurden. Eine Perle ist "En Skrift I Snön" (Eine Schrift im Schnee), die zur Einweihung einer neuen großen Orgel in Piteå (Städtchen in Nordschweden) komponiert worden ist.
"Wir waren einfach gut"
Kein Stück wird orchestriert, nichts von dem Stoff sei, so Andersson, echte Musik, sondern eben nur ein Zeugnis seiner Arbeit am Klavier. Das ist natürlich pures Understatement, auch wenn er erstaunlicherweise bekennt, keine Noten lesen zu können, aber seit Kindertagen mit seinem Lieblingsinstrument vertraut zu sein. Man erkennt bei der Produktion freilich, dass es offenbar auf Notenlesekenntnisse nicht ankommen muss: Alle Stücke sind hörbar in ihrer purifizierten Form, nichts stört. Und insofern kommt zum Klingen beste europäische Musiktonart. Eine Neigung zum Populären einerseits, zum Volksmusikalischen andererseits - eine Musik, die früher auf bäuerlichen Festen gespielt wurde oder auf öffentlichen Rummelplätzen. Man geht mit, man hört Melodien der ohrenverführerischsten Art.
Das ist meisterlich, aber Benny Andersson weist jedes Kompliment zurück. Nur dies sagt er, zur Ära, die Abba dominierten: "Wir waren einfach gut." Und er hatte entscheidenden Anteil daran.
Dieses Album ist etwas für Abba-Hardcorefans und für solche, die jenseits des üblichen Eurovisionslärms einmal Back-to-the-Basics-Kompositionen wahrhaft hören möchten: karg und schön.