Feddersens Kommentar: Sonnenaufgang beim JESC
17 Länder nahmen am 14. Junior Eurovision Song Contest in Maltas Hauptstadt Valletta teil - nicht darunter war Deutschland. Ob sich daran künftig etwas ändert, überlege man noch, heißt es seitens der öffentlich-rechtlichen TV-Verantwortlichen. Am Ende gab es eine verdiente Siegerin: die zehnjährige Georgierin Mariam Mamadashvili.
Sieg mit einem jazzigen Lied
Ihr Lied "Mzeo" ("Sonne") trug Mariam Mamadashvili mit irritierend mächtiger, in saubere Höhen wandernder Stimme vor. Der Song selbst klang nicht so gefällig wie die meisten anderen der 16 konkurrierenden Acts, er klang wie eine Mixtur ohne Technobeats, leicht jazzig sogar, als ob der legendäre Amerikaner George Gershwin ("Rhapsody In Blue") die Arrangements besorgt hätte.
Ihr Sieg zeichnete sich früh ab. Der Punktevergabemodus war dem "erwachsenen" ESC angeglichen, mit einem besonderen Akzent allerdings: Es gab kein Televoting mehr, entschieden haben Experten- und Kinderjurys. Ob das ein Fingerzeig im Hinblick auf den großen ESC ist, bleibt abzuwarten: Soll etwa das Televoting kassiert werden? Darüber hinaus hatten drei "Mächtige" ein Stimmrecht: die irischen ESC-Teilnehmer Jedward, der Universal-Dänemark-Chef Mats Grimstad und Christer Björkman, schwedischer Melodifestival- und ESC-Boss. Weshalb es gerade diese drei Superexperten waren, die selbst Punkte von 12 bis 1 verteilten, ist unklar: Zumal ja Schweden nicht einmal teilnehmen wollte.
Alle drei hatten die Georgierin jeweils nicht ganz oben auf der Rechnung: Björkman setzte auf Alexander Minyonok aus Weißrussland mit "Muzyka moikh pobed“, Grimstad auf die Italienerin Fiamma Boccia mit "Cara Mamma" und Jedward auf die Russinnen Sofia Fisenko & Water Of Life mit "Water Of Life". Mariam Mamadashvili aber holte sich bei den Expertenjurys der Länder acht Mal zwölf Punkte und hatte nach diesem Wertungsdurchgang 144 Zähler auf ihrem Konto, das sind sehr hohe neun Punkte im Schnitt. Sie war, wie sich später herausstellte, für den Rest der Auswertung uneinholbar: Armenien gewann zwar die Wertung der Kinderjurys, aber Anahit & Mary blieben mit "Tarber" sieben Punkte hinter der Georgierin, die 239 Punkte am Ende hatte. Dritte wurde die Italienerin, hinter ihr Russland, die Australierin Alexa Curtis mit "We Are“ und die Maltesin Christina Magrin mit "Parachute".
Die großen Länder fehlten zumeist
Insgesamt war es eine spannende Show - freilich ist jeder Musikwettbewerb interessant und spannend, weil eben am Anfang niemand weiß, wie die Chose endet, Favoritenstürze inklusive. Andererseits fehlten die Länder, die zur klassischen ESC-Geografie gehören: Frankreich, Großbritannien, Spanien, Schweden, Norwegen, Dänemark, Österreich und Deutschland. Auch herrschte in der Halle von Valletta eine Stimmung, die durch die Moderatoren Ben Camille und Valerie Vella mehrfach angeheizt werden musste: Offenbar war dem Publikum nicht zum Jubeln zumute (außer für die Acts, die man unterstützt). Die Mehrzahl der Teilnehmer kam aus Osteuropa. Das ist natürlich keine Kritik, aber ein Hinweis, dass die zuschauerstärksten Länder (von Russland und Italien abgesehen) mit diesem Event nicht so recht warm werden. Fakt scheint: Der Junior ESC birgt keinen besonderen Unterschied zum "erwachsenen" ESC: Kinder, die auf der Bühne stehen wollen, nehmen "ihren" Wettbewerb gewiss dankbar als Chance, aber es wäre ein Wunder, wäre ihr Ziel im Leben nicht eine Teilnahme am großen ESC. Aber diese Bemerkungen ändern nichts daran, dass Mariam Mamadashvili verdient gewonnen hat. Wir werden sie, hoffe ich, in frühestens sechs Jahren beim normalen ESC wiedersehen, für Georgien. Mit ihrem Lied ging über diesem frühen Abend die Sonne auf: So fein war selten eine Junior ESC-Performance.
Bezaubernde Schlussszene
Als sie ihr Lied abermals vortragen sollte, versagte Mariam die Stimme, sie war einfach ergriffen. Wie berührend, dass ihre "Rivalinnen" sie anfeuerten mit dem Satz "Sing it again!", sich um sie gruppierten wie bei einer tröstenden Einschwörung: Das hatte menschliches Format sondergleichen. Der Junior ESC war in diesem Moment wirklich ein eigenes Ding: Kinder und Jugendliche reagieren aufeinander mit Wärme und Solidarität. Unbedingt angucken - das würde man doch beim ESC auch gern mal sehen! Ob am Ende die Serbin Dunja Jeličić mit "U La La La" Letzte des Abends, auch getröstet wurde, war nicht mehr zu sehen. Sie konnte doch nicht ahnen, dass die Jurys ihr die Performance auf dem Hoverboard übel nehmen würden!