Israel - Der Kopf hinter Nettas ESC-Sieg
In Tel Aviv wird Israel als Gastgeber seine 42. ESC-Teilnahme feiern. Sein Debüt gab das Land am östlichsten Mittelmeerland 1973 in Luxemburg. Israels TV-Anstalt IBA durfte deshalb an einer (zunächst west-, nord- und südeuropäischen) Fernsehshow teilnehmen, weil die EBU (European Broadcasting Union mit Sitz in Genf), 1950 gegründet, immer schon ein öffentlich-rechtliches TV- und Radionetzwerk über das geografische Europa hinaus war. Zweck der EBU war zunächst, TV-Filme auszutauschen und, etwa im Nachrichtenbereich, den Mitgliedssendern rasch und unkompliziert zur Verfügung zu stellen. Als der ESC erstmals ausgetragen wurde, 1956 im schweizerischen Lugano, war das Fernsehen ein sehr junges Medium; Fernsehgeräte waren noch kaum verbreitet.
Manche Komponisten prägen die ESC-Jahre ihres Landes
In allen Jahrzehnten der israelischen Eurovisions-Teilnahmen gab und gibt es buchstäblich immer tonangebende Komponisten und Komponistinnen, Texterinnen und Texter. So ist es in vielen Ländern - Ralph Siegel beispielsweise hat sehr viele Jahre das deutsche ESC-Schaffen dominiert. In Israel waren es anfänglich Nurit Hirsch, die auch das israelische Eurovisions-Debüt 1973 in Luxemburg dirigierte, und Ehud Manor, ein Songwriter, 2005 im Alter von 63 Jahren gestorben. Hirsch schrieb Izhar Cohens "A-Ba-Ni-Bi" - und Kobi Oshrat, prägender ESC-Komponist und -Dirigent bis in die 90er, war mitverantwortlich für den zweiten ESC-Triumph, "Hallelujah" von Gali Atari mit Milk & Honey 1979 in Jerusalem.
Dana International holt Israels dritten Sieg
Die nächste Generation wurde besonders durch Zvika Pik und Yoav Ginai geprägt. Pik komponierte Dana Internationals "Diva" für den ESC 1998 in Birmingham und Sarit Hadids "Light A Candle" für den ESC 2002 in Tallinn. 2015 begann wiederum eine neue Generation, das ESC-Geschehen in Israel in die Hand zu nehmen - und Erfolg zu haben. Nach vier in den Halbfinals gescheiterten Acts, kam ein Mann ins Geschehen, der ein ausgesprochen feines Händchen hat für populäre Musik, eingängig und tanzfähig, ohne trashig zu wirken: Doron Medalie, 1977 in Ramat HaSharon geboren und seit Kindertagen Eurovisions-Fan. 2013 komponierte er die offizielle Hymne der CSD-Parade von Tel Aviv, eurovisionäre Ambitionen hatte er jedoch erst danach. Zwei Jahre darauf, ohnehin schon bis dahin und unabhängig vom ESC megaerfolgreich für TV- und andere Bühnenproduktionen tätig, kreierte er für den französischstämmigen Israeli Nadav Guedj den heimlichen Fan-Hit der Eurovisions-Tage von Wien. "Golden Boy" war der Sound der Stunde, tanzbar, fröhlich und optimistisch landete er auf dem neunten Platz. 2016 hatte Doron Medalie wieder einen Kandidaten im Rennen: Hovi Star schnitt mit "Made of Stars" in Stockholm nicht ganz so gut ab - Platz 14. Interessant war die Selbstpräsentation der Künstler in jüngeren Jahren: Hovi Star gab freimütig im Interview zu, dass zu seinen Vorbildern auch Dana International zähle: Eine transsexuelle Künstlerin zum Idol zu erklären, ist auch im libertären Israel keine gängige Sache.
Schockmoment für Fans beim ESC in Kiew
Indes: Doron Medalie hatte noch lange nicht genug, nur setzte er ein Jahr aus, andere Kompositionsaufträge standen im Wege. 2017 in Kiew sang Imri das eher wenig originelle Lied "I Feel Alive" trotz vorzüglicher Halbfinalteilnahme im Finale auf den wenig erbaulichen 23. Platz. In der Show dann der Schock-Moment, für Fans besonders: Während der Punktevergabe verkündet der israelische Sprecher aus Jerusalem das Aus für Israel beim Eurovision Song Contest. Es blieb ein Irrtum: Fakt war, dass die TV-Gesellschaft IBA ihr Programm einstellte und die öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Sender Kan zu übernehmen hatte.
Clubmusikerin aus Tel Aviv siegt im Auftrag Doron Medalies
Und dann kam das Jahr des in Tel Aviv lebenden Musikproduzenten, Komponisten und Texters Doron Medalie: "Toy" war sein Lied, seine Sängerin die aus einem Castingformat hervorgegangene Clubmusikerin Netta. Medalie hat seinen Act tatsächlich mit einer famosen Entertainerin ausgestattet, er hatte das Richtige für einen ESC-Sieg, den vierten Israels, getan. Und er hat sich früh für Tel Aviv als ESC-Gastgeberstadt 2019 ausgesprochen. Jerusalem scheint ihm zu bieder, religiös und verschlafen. Davon abgesehen, hat er sich mehrfach mit Israels Premierminister Benjamin Netanyahu angelegt: Der Mann kann sich freilich eine kesse Lippe locker erlauben, auch gegen oberste Regierungsmenschen.