Stand: 30.12.2015 08:45 Uhr

ESC 2016 - Ausblick auf das Finale in Stockholm

Mir gefällt die Siegerin des albanischen Vorentscheids. Nicht, weil sie das erste ESC-Lied der 61. Eurovisionssaison singt. Sondern weil sie ein Lied singt, dass an Exaltiertheit kaum zu überbieten sein wird. Nicht, dass Eneda Tarifa in Stockholm irgendetwas mit den ersten fünf Plätzen zu tun haben wird. Aber ihr Lied ist so wahnsinnig schön dramatisch. "Përrallë" (das heißt auf Deutsch: "Märchen") hat durch die wirklich sehr, sehr divenmäßig wirkende Sängerin diesen gewissen Touch von Drama, den ESC-Fans doch so sehr lieben. Drei Minuten Hochglanz-Tragödie: Das ist einnehmend und verspricht für die Probentage im Mai das Übliche. Dass nämlich Fanjournalisten um sie herum wedeln und beteuern, dass sie ihr Lied garantiert im Finale, ja, sogar unter den heimlichen Favoriten sehen. 

Und das beruhigt, weil der ESC als Festival doch darauf angewiesen ist, nicht als allzu neu, also überraschungsstark und experimentell besprochen zu werden. Insofern gehen die immer intensiveren Vorbereitungen für den ESC mit einem guten Omen ins neue Jahr: Das albanische Märchen deutet an, dass alles wie immer sein wird. 

Eben so, wie man in Großbritannien über den ESC sagt: Bei diesem Festival wird Musik dargeboten, die sonst nirgends eine Chance hätte. Lieder, die später in keinen Charts auftauchen, wird weiter behauptet, und Künstler und Künstlerinnen, die nach dem ESC dorthin zurückgehen, woher sie kamen: in die Versenkung. Nun, an dieser These ist nur wahr, dass es nur wenige Lieder in die Hitparaden schaffen: die Sieger der vergangenen Jahre, so auch die niederländischen Common Linnets mit ihrem "Calm After The Storm", vor anderthalb Jahren Zweite in Kopenhagen.

Der ESC hat Hitparaden nicht nötig 

Aber die albanische Interpretin, die nach Stockholm reisen wird, deutet schon an, dass sie für die Radiowellen mit zeitgenössischer Popmusik wenig geeignet ist. Aber es soll ja nicht gejammert werden: Der ESC ist, wie die EBU neulich in einer Pressemitteilung verbreitete, das erfolgreichste Entertainment-Format Europas - und muss sich als TV-Show nicht dafür rechtfertigen, wenn die Teilnehmer ihres Contests nach dem ESC nicht mehr in gesamteuropäischer Hinsicht gefragt sind.

Loïc Nottet beim ESC in Wien. © NDR Foto: Rolf Klatt
Kann Belgien in Stockholm an den Erfolg von Wien anknüpfen? Loïc Nottet überraschte die ESC-Fans mit Platz vier.

Absehbar ist, dass Schweden, Norwegen und Dänemark starke Beiträge schicken werden, auch Russland wird sich in der Songauswahl international gerüstet zeigen, ebenso Italien oder die Ukraine. Hinter allen diesen Ländern stecken starke Pop-Industrien. Ungewiss sind natürlich Belgien, die Niederlande, Frankreich oder Spanien - es könnten, wie der Belgier Loïc Nottet es in Wien schaffte, Top-Platzierungen werden oder wie 2014 echte Flops. Was die deutsche Vorentscheidung anbetrifft, ist alles offen, im neuen Jahr wird bekannt gegeben, was nach dem Rückzug vom Xavier-Naidoo-Projekt bekannt zu geben ist. 

Alle zusammen haben sich auf einen 61. ESC einzurichten, der in gewisser Weise Neuerungen bringen wird. Die EBU will auf keinen Fall die Tradition von Wien fortsetzen, die Finalshow fast vier Stunden dauern zu lassen. Noch vor einigen Jahren war man nach drei Stunden fertig, um Mitternacht mitteleuropäischer Zeit. Es gehe immer um die Kosten, heißt es. Aber an der Dauer der Lieder kann nichts geändert werden, ein Act dauert ohnehin nur drei Minuten.

Neues Punktesystem? 

Die entscheidende Stellschraube, wie es technisch heißt, soll beim Zeitblock der Wertungen angesetzt werden. Genaueres ist nicht bekannt, aber SVT, das schwedische Fernsehen, hat angekündigt, einen neuen Modus der Wertungen einführen zu wollen. Es soll spannender werden, heißt es. Seit 1975 gilt, nur in Nuancen geändert, das bis jetzt gültige Schema der Punktevergabe: Das beste Lied eines Landes erhält zwölf Punkte, das zehntbeste immerhin noch einen. 

Weitere Informationen
Måns Zelmerlöw und Petra Mede © Eurovision.tv

Zelmerlöw und Mede moderieren ESC in Stockholm

Petra Mede und Måns Zelmerlöw sind schon ein bisschen aufgeregt: Sie moderieren den 61. Eurovision Song Contest. Vorjahressieger Måns übt schon fleißig seine Moderation. mehr

Die Zeit gekürzt, wurde schon vor einigen Jahren, als erstmals auch die im Halbfinale ausgeschiedenen Länder im Finale mitstimmen durften - und das blähte den Zeitrahmen so auf, dass jedes Land nur noch die ersten drei ihrer jeweiligen Wertung live dem Publikum mitteilen durften. In Wien hat dieser Wertungsblock beinahe anderthalb Stunden benötigt: Das aber, so heißt es seitens der EBU, sei zu viel. Übersehen wird jedoch, dass gerade die Wertungsstrecken während der Show die höchsten Quoten in ganz Europa haben. Einerlei: Wir werden uns auf Änderungen einzustellen haben. Ob sie zum Guten sind oder nicht, wird sich erweisen. 

Der ESC, so oder so, ist bislang unkaputtbar. Auch die 61. Auflage in Stockholm - dann wird es 60 Jahre her sein, dass der erste ESC aus Lugano übertragen wurde - wird die Tradition bestätigen. Und das ist gut so. In diesem Sinne: Uns allen ein gutes, neues Eurovisionsjahr!

Rückblick
Måns Zelmerlöw hält die ESC-Trophäe und die Schweden-Fahne in der Hand und springt in die Luft. © NDR Foto: Rolf Klatt

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Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 14.05.2016 | 21:00 Uhr

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