Diskriminiertes Katalanisch
Seit vielen Jahren wird von vielen in Katalonien um politische Unabhängigkeit von Spanien gekämpft. Man fühlt sich diskriminiert - gesellschaftlich, finanziell, kulturell. Sonntag fand in der nordöstlichen Provinz des Landes eine Regionalwahl statt, die die Autonomiebefürworter für sich entscheiden konnten. Der hierzulande bekannteste Befürworter der Unabhängigkeit ist der Trainer des FC Bayern München: Pep Guardiola. In etlichen Berichten zu dieser politischen Entwicklung heißt es, die katalanische Bevölkerung reagiere auch auf die Diskriminierung ihrer Sprache, dem Katalanischen.
Es wird nicht nur in der katalanischen Hauptstadt Barcelona überliefert, dass der erste Sieg Spaniens beim ESC eigentlich einer in Katalanisch hätte sein können. Die Geschichte liegt sehr lange zurück, fast 48 Jahre. In Spanien regierte noch das faschistische Franco-Regime. Meinungsfreiheit existierte nicht, das Land wurde beherrscht von einem katholischen Klerus, der den Machthabern mehr als nur nahestand. 1968 wurde der junge katalanische Liedermacher Manuel Serrat (so sein Künstlername damals, geboren wurde er als Joan Manuel Serrat i Teresa) bestimmt, Spanien beim ESC zu vertreten. Er sollte das Land im eurovisionären Europa mit dem nicht von ihm selbst geschriebenen Titel "La La La" repräsentieren.
Massiel wurde die Königin
Der Sender RTVE, der vollkommen unter staatlichem Einfluss stand, wollte den prestigeträchtigen Wettbewerb unbedingt einmal gewinnen. Erst kurz vor dem 6. April 1968, als in der Londoner Royal Albert Hall der 13. Eurovision Song Contest gegeben werden sollte, tauschte der Sender den Interpreten aus. Serrat nämlich bestand darauf, sein Lied auf Katalanisch vortragen zu wollen. Wie es für ihn geklungen hätte: hier der Preview-Clip. Das aber wollte der Sender nicht. Spanisch sollte es sein, denn Katalanisch war auch - symbolisch gesehen - die Sprache der Spanischen Republik, die, hauptsächlich von Barcelona aus, die Truppen der faschistischen Anhänger General Francos blutig bekämpfte.
Serrat war aus dem Rennen, aber das Lied blieb. Eine junge spanische Sängerin namens Massiel wurde beauftragt, in London den aussichtslos scheinenden Kampf gegen den haushohen Favoriten Cliff Richard aufzunehmen. "La La La" siegte schließlich mit dem hauchdünnen Vorsprung von einem Punkt vor dem arrivierten Popstar Richard. Massiels Version unterschied sich von der Serrats in einigen Punkten, was auch am Arrangement des weltberühmten, aus Hamburg stammenden Bandleaders Bert Kaempfert gelegen haben mag. Sein "La La La" klang tüchtig aufgemöbelt, strahlend und mitreißend. Persönlich darf ich anmerken: Massiel war in Höchstform, ihr "La La La" war der gerechte Sieger dieses ESC, auch wenn "Congratulations" der viel größere Hit wurde.
Gerüchte über gekauften Sieg
Die Gerüchte kursierten freilich schon damals: Der spanische Sender RTE habe den Sieg "gekauft", wie es auch in einer spanischen Dokumentation vor einigen Jahren hieß. RTE habe - unter anderem auch in der ARD - Sendelizenzen für Shows erworben. Immerhin kamen viele Punkte für Massiel von der deutschen Jury. Massiel selbst haben diese Mutmaßungen empört. Tatsache aber bleibt, dass der erste spanische Sieg beim ESC gelang - und Manuel Serrat diesen Ruhm nicht ernten konnte. Offen bleibt natürlich, ob er die gleiche Bühnenausstrahlung gehabt hätte, aber wenn Stimmen ohnehin hinter den Kulissen besorgt wurden, wäre es auch einerlei gewesen. Jedenfalls sollte das Katalanische nicht die Sprache sein, mit der Spanien gewinnt.
Serrat hat "La La La" nicht im Repertoire
Serrat ist einer der wichtigsten katalanischen (und spanischen) Musiker geworden. Er steht für eine gewisse liedermacherische Tradition. Man kann auf der Webseite des am 27. Dezember 1943 geborenen Künstlers den Reichtum seines Oeuvres erkennen. Das Lied "La La La" taucht in der langen Liste seiner Lieder nicht auf.
Das erste auf katalanisch gesungene Lied der ESC-Geschichte war kein für Spanien interpretiertes, sondern eines, das für Andorra (dem kleinen Land in den Pyrenäen zwischen Spanien und Frankreich) an den Start ging. Es war 2004 die Sängerin Marta Roure mit "Jugarem A Estimar-Nos".