"Es gibt kaum noch Anlass, süffisant zu werden"
Er ist die deutsche Stimme des Eurovision Song Contest: Peter Urban kommentiert seit 1997 den Musikwettbewerb im Fernsehen. ESC-Experte Jan Feddersen hat den Kult-Kommentator auf einem Workshop in Berlin getroffen und mit ihm über Anfängerfehler gesprochen und darüber, wie sich der Song Contest und Urbans Arbeit im Laufe der Jahre verändert haben.
Herr Urban, was war der Anlass für den EBU-Workshop für ESC-Kommentatoren in Berlin? Worum genau ging es da?
Peter Urban: Nicht allein um uns Kommentatoren, sondern auch um die Finanzierung des ESC selbst - ein Workshop, der zeitlich zwischen dem letzten und dem nächsten Finale platziert war. Das mit der Finanzierung ging mich nun weniger an, hauptsächlich ging es jedoch um uns, die Moderatoren und die Frage: Was kann man tun als Moderator, um das Event mit dem Publikum zu verbinden und mit diesem zu kommunizieren.
Haben Sie noch etwas Neues erfahren können?
Urban: Eigentlich nicht, aber es war trotzdem sehr interessant. Uns wurden Beispiele gezeigt - mit Ausschnitten von Kommentaren etwa vom BBC-Kommentator Terry Wogan über einen niederländischen Kollegen bis hin zu skurrilen anderen Mitschnitten. Der Blick in die Vergangenheit konnte natürlich keine wegweisende Revue für die Zukunft sein. Es gab zwei kurze Reden zunächst, eine davon durch Andi Knoll, dem österreichischen Kommentator, der vom Rummel in seiner Heimat um Conchita Wurst erzählt hat und von dem, was für das nächste Jahr vorbereitet wird. Vor allem wollten wir gemeinsam beraten, was gut ist für einen Moderator und was nicht.
Und was kam dabei heraus?
Urban: Dass wir ein realistisches Abbild der Shows geben sollen. Nicht mehr, nicht weniger. Dass wir nicht tendenziös sein sollen, sondern nur beschreiben, was da vor sich geht. Und dass wir das auch mit einer leicht ironischen Note machen können. Um Linientreue geht es nicht.
Eine eigenständige Sicht der Dinge bleibt erlaubt?
Urban: Selbstverständlich, sonst müsste man ja ein Sprechautomat werden. Aber es war spannend, als Andi Knoll aus Wien erzählte, dass er sich nicht erst an Ort und Stelle auf die Shows und die Lieder vorbereitet, sondern schon lange zuvor zuhause. Das allgemeine Infomaterial, das man beim ESC selbst erhält, reicht ja nicht aus - aus dem Material erfährt man nicht so viel, was man nutzen kann.
Ist das nicht vorbildlich?
Urban: Ich würde sagen, dass man es so machen kann - aber nicht muss. Am Ende steht man vor dem Problem, dass man zuviel Information hat, die man in die geringe Zeit, die einem beim Kommentar zur Verfügung steht, nicht hineinpacken kann. Das ist gefährlich, auch deshalb, weil die, sagen wir mal, Fixiertheit auf die pure Information dazu führen kann, am Bild, an dem, was wirklich passiert, vorbeizukommentieren. Den Fehler habe ich am Anfang auch gemacht.
Man hatte oft das Gefühl, dass sich eine Kommentatorenlegende wie Terry Wogan nicht unbedingt für die Künstler interessierte …
Urban: Von ihm hörten wir Ausschnitte, ja. Das war in einem allerdings falschen Sinne unterhaltsam, es waren abschreckende Beispiele, wie es heutzutage nicht sein sollte, in keinem Land. Terry hat die Veranstaltung als solche ins Lächerliche gezogen. Er pauschalisierte, wo es ging, mit nationalen Vorurteilen - und machte sich einen Spaß mit Leuten, die wirklich nichts dafür konnten.
Es gibt bei der BBC ja inzwischen Graham Norton, sein Stil hat sich von dem Terry Wogans entfernt.
Urban: Und der hat jetzt damit zu tun, dass die 30, 35 Jahre, die Terry kommentiert hat, dazu geführt haben, den Song Contest auf der Insel nicht mehr ernst zu nehmen. Dort ist es jetzt ganz schwierig, das vom Image her zurückzubauen. Die Briten denken ja, als Einwohner des Mutterlands der Popmusik, sie seien mindestens in diesem Bereich der Nabel der Welt. Nun ist es schwer, ihnen nahezubringen, dass andere Länder aufgeholt haben. Sie fühlen sich wie die von Gott Auserwählten, die sich nichts sagen lassen müssen. Diese Grundeinstellung herrschte da schon vor. Jetzt nivelliert es sich ein bisschen, wo auch andere Länder in der Popmusik eine Rolle spielen, etwa Schweden.
Gab es aus Sicht des allgemeinen Publikums nicht auch Anlässe, mal etwas in den Kommentaren schroffer zu werden?
Urban: Nun, nicht nur den Briten, aber denen besonders, hat der Eurokitsch so missfallen, dass sie alles mies fanden. Mit Terry Wogan als Kommentator haben die selbst gute Dinge nicht mehr erkannt - mit Abba als Ausnahme.
Andi Knoll wurde ja dieses Jahr in Kopenhagen immer stiller - und brachte nur ein "Jetzt hat uns die den Schas gewonnen" herausgebracht. Manche störten sich daran.
Urban: Ich erinnere mich, dass man auch mich, als Lena in Oslo gewann, kritisiert hat, weil ich angeblich nicht so leidenschaftlich war, als es immer mehr Punkte wurden. Wie Andi Knoll vom ORF erging es mir aber auch: Ich war erschreckt, schockiert und erfreut - aber mit einem Sieg rechnet man ja nicht. Er wurde ja immer stiller hinter seinem Mikrofon - überhaupt nicht im Stil österreichischer Sportreporter. Ich fand das sympathisch.
- Teil 1: "Wir sind keine Sprechautomaten"
- Teil 2: "Lockere Ironie und böser Kommentar sind nicht dasselbe"