ESC-Vorentscheid: Alle Stimmen erheben sich für die Ukraine
Der deutsche Vorentscheid ist ein Abend voller Botschaften für Frieden, Humanität und Solidarität. In Erinnerung bleibt neben dem Gewinner Malik Harris auch die ukrainische ESC-Siegerin Jamala und ihr Song "1944".
Seit 2019 hat es keinen deutschen Vorentscheid mehr gegeben. 2022 ist das Format zur Freude vieler ESC-Fans zurück. Doch dieser Vorentscheid ist anders: "Germany 12 Points" steht ganz unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine. Als Malik Harris um 22.45 als Gewinner feststeht, bleibt ein Abend in Erinnerung, der vor allem für den Zusammenhalt in Europa steht. Der außerdem zeigt, was Musik kann: Grenzen überwinden und verbinden. Und das voller Leidenschaft und mit viel Authentizität. Dafür mit weniger Glanz und Pomp.
Malik Harris öffnet die Tür nach Turin
Daran hat auch Malik Harris seinen Anteil. Der 24-Jährige aus dem bayerischen Landsberg am Lech braucht nicht viel, um auf der Bühne zu überzeugen, denn er spielt alle Instrumente selbst. Vor einem dunklen Hintergrund mit blauen Glanzlichtern singt und rappt er zu seinem Song "Rockstars", den er auch als "Therapiesitzung mit sich selbst" bezeichnet. Im Hintergrund tauchen Kinderbilder auf und Auftritte von Konzerten - unbeschwerte Zeiten, plötzlich unterbrochen von der Corona-Pandemie. Als Opener die Kandidatenkür für Turin zu beginnen, fällt Malik Harris leicht. Das macht er authentisch und im Vergleich zu seinen Mitstreitern auch am leidenschaftlichsten. Es sei super gewesen, hier aufzutreten, resümiert er seinen dreiminütigen Auftritt, den er mit einer wichtigen Botschaft beendet: "I Stand With Ukraine" steht auf dem Korpus seiner Gitarre.
Thomas Hermanns gefällt Maël & Jonas' Klatschen
Wie kann eine Show angesichts der Situation in der Ukraine ablaufen, wie den Spagat zwischen Ernsthaftigkeit und Ausgelassenheit finden? "Hoffentlich sind die anderen nicht genervt von unserem Quatsch", sagen Maël & Jonas nach ihrem Auftritt. Das scheint keineswegs so zu sein, denn die beiden Freunde aus Koblenz landen mit ihrer musikalischen Reise im 2000er Pop-Punk-Style, wie sie ihren Musikstil selbst bezeichnen, auf Platz zwei - ESC-Eminenz Thomas Hermanns gefällt an der Nummer des Duos vor allem das "Flamenco-artige Klatschen".
Conchita findet alle Acts "Zucker"
Überhaupt kommen alles sechs Acts bei den prominenten ESC-Gästen in der Sendung gut an: "sympathischer Jahrgang", schwärmt Thomas Hermanns. Mit Rap würde eine neue Tür aufgemacht. Alle hätten ihre ESC-Aufgaben gemacht. Dazu gehören auch Felicia Lu, Emily Roberts, eros atomus und Nico Suave & Team Liebe. Jane Comerford findet alle "authentisch, in dem was sie tun." Und Conchita meint, alle seien "Zucker".
Zu "Ein bisschen Frieden" singt die ganze Halle
Nach den Newcomern gehört den Arrivierten die Bühne. Überraschungsgast Gitte Haenning singt mit Conchita und Jane Comerford einen Song, der an diesem Abend nichts von seiner Aktualität verloren hat und den Wunsch aller Menschen nach einem friedlichen Zusammenleben ausdrückt: Zu "Ein bisschen Frieden" stimmt schließlich die ganze Halle mit ein. Ein starker Moment, der an diesem Abend aber noch übertroffen wird - von Jamala, der ESC-Siegerin von 2016.
Jamala schreit heraus, was nicht sein darf
Die ukrainische Sängerin ist mit ihren Kindern aus der Ukraine geflüchtet, vier Tage war sie unterwegs. Trotzdem will sie an diesem Abend unbedingt in Berlin auftreten - im Namen der Kinder und der Frauen. Sie wolle an diesem Abend von den Schmerzen ihres Volkes singen: "Es darf so nicht sein." Das wolle sie herausschreien und jeder solle ihre Stimme hören. Sie kommt mit der ukrainischen Flagge auf der Bühne, in einem schlichten schwarzen Anzug. Im Hintergrund leuchtet der Baum des Lebens, weiße Tauben steigen auf, als Jamala "1944" performt. Ihre Stimme klingt erst sanft, dann immer kraftvoller. Ihr Song ein Plädoyer für Frieden, für Humanität, für Solidarität in Europa. Mit einem "Stand for the Ukraine" verlässt Jamala die Halle. Der emotionalste Moment dieses Abends.
Musik kann doch Grenzen überwinden
Da fällt es nicht leicht zur Tagesordnung überzugehen, in einer Welt, die von einem auf den anderen Tag nicht mehr dieselbe ist. Malik Harris darf sich auf Turin freuen. Eigentlich müsse er mal auf Toilette, aber vorher präsentiert er noch einmal "Rockstars", diesmal mit einem Lächeln im Gesicht umgeben von goldenem Konfettiregen. Damit geht ein Vorentscheid zu Ende. In Erinnerung bleiben leidenschaftliche Appelle gegen den Krieg - und, dass Musik Grenzen überwinden kann.