Cindy Berger: Bauchschmerzen auf der Bühne
Die 1970er-Jahre sind ihre Zeit. "Immer wieder Sonntags" oder "Spaniens Gitarren" machen Cindy und Bert zu angesagten Schlager-Stars. Auch bei Vorentscheiden zum Eurovision Song Contest steht das Duo vier Mal auf der Teilnehmerliste. Als sie 1974 nach Brighton fahren dürfen, landen sie wegen harter Konkurrenz, beispielsweise durch ABBA, nur auf dem letzten Platz 14. Am 26. Januar 2013 wurde Cindy 65 Jahre alt. Von Rente und Ruhe will sie aber noch nichts wissen. Mit eurovision.de spricht sie über ihren neuen Solo-Anlauf im Musikgeschäft.
Wie groß war denn die Hoffnung auf einen besseren Platz beim ESC 1974?
Cindy Berger: Wir waren beide sehr angespannt, weil wir beide nicht so sehr überzeugt waren von diesem Lied. Und wenn man schon mit dieser Einstellung wegfährt, ist die Anspannung besonders groß. Und ich muss auch sagen: Nach den ersten Proben war für uns auch schon klar, dass wir gar keine Chance hatten. Man konnte zum ersten Mal ein Playback benutzen, was wir gar nicht hatten. Aber ich muss sagen: Das ganze Flair und die ganze Stimmung dort mal erlebt zu haben, möchte ich ganz sicher nie missen.
Wieso hatten Sie denn so ein schlechtes Bauchgefühl mit dem Titel "Sommermelodie"?
Berger: Der wurde von einer Jury ausgewählt. Es standen sechs Titel zur Verfügung, die für uns geschrieben waren und für den Titel "Sommermelodie" hat man sich entschieden. Bert und mir war der Song immer zu langsam, zu latschig. Der hat gar nicht mehr aufgehört. Und wenn man dann so viel Action wie zum Beispiel von ABBA bei "Waterloo" sieht, kann man das gar nicht vergleichen. Wir haben schon wirklich gewusst, dass wir im letzten Drittel landen würden.
Nach dem letzten Platz in Brighton: Was ging Ihnen da durch den Kopf?
Berger: Es war für uns eine schlimme Sache, weil wir ja dachten, wir haben unser Land so schlecht vertreten und man wird uns jetzt erst mal nicht mehr akzeptieren. Dann sind wir sehr, sehr bedrückt nach Hause gefahren und hatten genau am nächsten Tag eine Open-Air-Veranstaltung in Augsburg. Da sind wir dann wirklich mit Bauchschmerzen auf die Bühne gegangen. Das Publikum hat uns aber sehr gnädig aufgenommen. Wir hatten Erfolg und haben dann auch gleich unseren Titel "Spaniens Gitarren" gesungen, der sich dann auch zum großen Hit entwickelt hat. Und so ist dann die "Sommermelodie" so langsam abgeebbt.
Wollte das Augsburger Publikum trotzdem noch mal die "Sommermelodie" hören?
Berger: Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber ich glaube nicht. Wir haben das vermieden. Es hat aber niemand gebuht, es hat niemand gepfiffen. Wir waren auf alles vorbereitet und waren so froh, dass wir dann auch live gleich beweisen konnten, dass wir doch nicht so ganz fehl am Platz sind in der Musikbranche. Das haben die Leute sofort irgendwie gespürt und uns richtig unterstützt.
1988 gab es bei Ihnen einen Schnitt. Erst haben Sie sich von Bert getrennt und sich dann für eine Solokarriere entschieden. Der Eurovision Song Contest hat Sie aber nicht in Ruhe gelassen ...
Berger: Eigentlich wollte ich nicht hin und mir das noch mal antun. Mich hat dann Musikproduzent Rainer Pietsch angerufen, der den Titel "Und leben will ich auch" geschrieben hatte. Ich weiß noch, es war damals eine Kassette, die ich bei der Post abgeholt habe und gleich im Auto in den Kassettenrekorder reingeschoben und das Lied gehört habe. Und ich habe wirklich wortwörtlich gesagt: "Scheiße, jetzt muss ich dahin!", weil das Lied wirklich so gut war. Und mit dem Titel habe ich beim Vorentscheid 1988 für Dublin ganz knapp den zweiten Platz belegt. Von Duo auf Single gehen ist immer wie ein Neuanfang und das war für mich schon eine Unterstützung, dass ich weiter machen kann.
Sie haben für den ESC in Rom 1991 mit dem Titel "Nie allein" noch einen weiteren Anlauf versucht. Damals reichte es für Platz 7. Danach haben Sie mit dem Contest endgültig abgeschlossen. Verfolgen Sie die Show denn heute noch im Fernsehen?
Berger: Ja, ich bin natürlich interessiert daran. Und es ist ja eine wunderschöne Show. Von den Effekten, vom Bühnenbild, von allem, was man sich so einfallen lässt. Das sollte man sich schon anschauen. Beim Vorentscheid im Februar hoffe ich natürlich, dass da tolle Sachen auf uns zukommen.
Mit 65 Jahren kann man langsam an etwas mehr Ruhe denken. Gilt das bei Ihnen auch für die Musik?
Berger: Fürchterlich, ich mag diese Zahl nicht! Es klingt so nach Rente. Aber ich möchte überhaupt gar nichts mit Rente zu tun haben. Ich glaube, ich werde nie in Rente gehen. Und deswegen mache ich natürlich weiter. Ich habe ein sehr schönes, neues Produkt produziert. Es ist kein gängiger Schlager. Ich finde ich habe genug dazu beigesteuert und möchte jetzt gerne die Musik machen, die mir halt jetzt am Herzen liegt.
Welche Musik, welches Genre ist das genau?
Berger: Es ist total aktuell. Es ist der Sound der heutigen Zeit. Es ist Pop. Es ist Chanson. Chanson-Pop würde ich sagen. Ich muss erst einmal die geeignete Plattenfirma finden. Mein Sohn schreibt die Texte. Und ich möchte die Menschen über 50 ansprechen. Genau die, die wie ich mit den Beatles, mit den Stones, mit dem Rock’n’Roll aufgewachsen sind. Die können doch nicht eingeschlafen sein ... Auf jeden Fall wird das Album "Mindestens haltbar bis" im Frühjahr 2013 auf den Markt kommen.