Porträt: André Claveau
Mit seinem Schlaflied "Dors, mon amour" bringt André Claveau die Jury in Hilversum nicht zum Schnarchen. Ganz im Gegenteil entlockt er ihr die Höchstpunktzahl des Abends.
Von André Claveau in den Schlaf gesungen werden? Keine schlechte Vorstellung! Der Franzose wickelt beim Grand Prix 1958 im niederländischen Hilversum Publikum und Jury mit seiner samtweichen Stimme um den Finger. Sehr gefühlvoll und mit ausgeprägter Mimik und Gestik trägt er das Schlaflied "Dors, mon amour" (zu Deutsch: Schlaf, meine Liebe) vor. Nach der Wertung liegt der Charmeur mit drei Punkten vor der Schweizerin Lys Assia und zieht damit an der Siegerin des allerersten Grand Prix zwei Jahre zuvor in Lugano vorbei.
Charmeur mit Schmusestimme
In seinem Heimatland ist Claveau seit den 40er-Jahren als Sänger und Schauspieler erfolgreich. Der Pariser mit der Schmusestimme kommt besonders bei den Frauen gut an und wird in Frankreich auch "Prince de la chanson de charme" (Prinz des charmanten Chansons) genannt. Für den 1915 geborenen Sohn eines Pariser Polsterers war schon früh klar, dass er einen kreativen Beruf ergreifen möchte. In den 30er-Jahren besucht er eine Kunstschule, entwirft anschließend Plakate, Bühnenbilder und auch Schmuck. 1936 zeigt er bei einem Gesangswettbewerb für Amateure, dass noch mehr in ihm steckt. Der junge Mann gewinnt und tritt viele Jahre in den populären Pariser Music-Halls auf, meist im Vorprogramm.
Ab 1942 nimmt der Künstleragent Marc Duthyl die Karriere des Franzosen in die Hand - von da an geht es bergauf. Bereits ein Jahr später hat André Claveau mit "Marjolaine" einen seiner größten Hits. Nach dem Krieg ist der Sänger zudem als beliebter Moderator im Radio zu hören und bald auch auf der Leinwand zu sehen. 1947 spielt der Tausendsassa seine erste Hauptrolle. Vier Jahre später singt er in dem Streifen "Un jour avec vous" ein Lied, das sich zum französischen Klassiker entwickelt und bis heute auf Geburtstagen angestimmt wird: "Bon anniversaire". Bis in die 60er-Jahre ist Claveau in vielen Filmen zu sehen und interpretiert im Laufe seiner Musikkarriere um die 1500 Chansons.
Claveau verabschiedet sich aus dem Showgeschäft
Mit dem Gewinn des Grand Prix 1958 wird André Claveau kurzzeitig auch über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannt, doch der Hauptschauplatz ist und bleibt sein Heimatland. In den 60er-Jahren wird es ruhiger um den Chansonnier. Jetzt sind Musiker wie Johnny Hallyday und Jacques Dutronc angesagt, die sogenannten Yéyés, die einen neuen Musik- und Lebensstil repräsentieren. Claveau beschließt, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen und tritt nie wieder auf. Seine letzten Jahre verbringt er abseits des Großstadttrubels im Süden von Frankreich. 2003 stirbt der Künstler im Alter von 87 Jahren. Seine letzte Ruhestätte liegt in dem kleinen Ort Brassac im idyllischen Département Tarn.