Zwei Königinnen in Amsterdam
"Genießt diese Straße, so lange ihr auf ihr geht" gibt der Event-Manager Sietse Bakker von der European Broadcasting Union den 25 Teilnehmern mit, die am Samstag zu "Eurovision in Concert" nach Amsterdam gekommen sind. Zwar werde nur einer in Malmö gewinnen, es sei aber an jedem selbst, das Beste aus dem Weg zum ESC-Finale für seine Karriere und sein Leben zu machen.
Doppelter Auftritt von Carola
Von Finnlands Krista Siegfrids bis zu den Griechen von Koza Mostra sind alle heiß darauf, ihren Beitrag der internationalen Öffentlichkeit zu präsentieren und mit dem Eurovisionspublikum auf Tuchfühlung zu gehen. Etwas unsicher stehen sie auf der großen Bühne, auf der sie erstmals geballt auf die Presse treffen – einzig das angekündigte lettische Duo PeR kann überraschend nicht anreisen. Bevor sie jedoch eine Chance dazu bekommen, tritt jemand auf, der seit Jahrzehnten die Herzen vieler Fans höher schlagen lässt: die Sängerin Carola. Während also wenige Hundert Meter entfernt die niederländische Königin Beatrix das Rijsmuseum wieder eröffnet, tritt die von unserem Blogger Jan Feddersen als ESC-"Königin" betitelte Schwedin auf.
Unter massivem Einsatz einer Windmaschine rockt die Schwedin mit ihrem Beitrag von 1991, "Fångad av en stormvind" den Saal. Auch Nichteigeweihten wird klar: Hier ist jemand, der im elektrisierenden Kontakt zum Publikum auftritt und sich die Bühne zu eigen macht. Und das gleich zweimal, denn sie tritt nicht nur mittags vor der Presse auf, sondern auch als krönender Abschluss als letzter Act des Konzertabends im ausverkauften Melkweg im Zentrum der Stadt – und das mit ihren drei eigenen Eurovisionsbeiträgen.
Großer Kuss, kleine Panne
Einschüchtern lassen sich die "Neuen" dadurch offensichtlich nicht. Die selbstbewusste Finnin Krista Siegfrids präsentiert ihr "Marry Me" im Brautkleid und knutscht zur Freude der Fans am Ende einer aufwändigen Choreographie eine ihrer Tänzerinnen. Der Belgier Roberto Bellarosa geht souverän mit einer kleinen Technikpanne um und startet lächelnd erneut sein "Love Kills". Es soll übrigens die einzige Panne des Abends bleiben - ihm war das Mikro aus dem Ohr gerutscht. Die Organisatoren haben in ihrer fünften Edition von Eurovision in Concert eine Glanzleistung vollbracht - einen runden Ablauf, guten Sound und eine entspannte Atmosphäre zu schaffen.
Neuer Geheimfavorit Schweiz?
Die Stimmung überträgt sich auf die Künstler, die allesamt live singen und ihren Nachfolgern im nächsten Jahr wohl mitgeben werden, sich bei diesem etablierten Konzert anzumelden. Die Moderatorinnen des Abends, die ehemaligen ESC-Teilnehmerinnen Linda Wagenmakers (2000) und Marlayne Sahupala (1999) führen mit Witz und Songs durch das Event und sind überrascht, als sie bei der Anmoderation von San Marinos Valentina Monetta kurz Ralph Siegels Komposition "Ein bisschen Frieden" anstimmen und das Publikum bis zur Strophe weiter singt. Ebenfalls weiter singen die Fans einen anderen Song und holen damit die Künstler noch einmal auf die Bühne, die man unbedingt in Malmö im Blick haben sollte: die Schweizer Takasa mit ihrem einprägsamen Titel "You And Me". Entsteht an diesem Abend ein neuer Geheimfavorit?
Star der männlichen Teilnehmer: Marco Mengoni
Der unumstrittene Star des Abends ist Italiens Marco Mengoni. In braunem Anzug und fast nur am Mikro stehend schmettert er seine Eigenkomposition, die Ballade "L'Essenziale". Zwar spürt man zwischendurch, dass jeder im Saal gerne die niederländische Teilnehmerin Anouk gesehen hätte, die ja keine Promotion für ihren Song macht und vielleicht deshalb nicht einmal einen Gruß an den Melkweg sendet - dabei singt das Publikum ihren Song "Birds" in einer Pause einstimmig mit. Doch den 25 Teilnehmern des Abends gelingt etwas Wichtiges: Appetit zu machen auf Malmö. Sie strahlen aus: Schweden – wir kommen!