Verstärkte Suche nach passendem Songmaterial
Thomas Schreiber, ARD-Unterhaltungskoordinator und Kopf des ESC in Deutschland, spricht im Interview mit Eurovision.de über das Abschneiden von Cascada in Malmö, die ersten Gedanken zum deutschen Beitrag für 2014 sowie das Murren über manche Länderwertungen.
Herr Schreiber, mit dem Abstand zum Finale von Malmö, haben Sie damit gerechnet, dass die deutschen Televotingsieger Cascada so schlecht abschneiden würden?
Thomas Schreiber: Emotional und intellektuell muss man auf jeden Platz vorbereitet sein. Natürlich haben wir uns ein besseres Abschneiden gewünscht, und das Ergebnis sagt nichts über die wirklich tolle Leistung von Cascada aus. Nüchtern muss man jedoch feststellen, dass der Song und die Fernsehumsetzung nicht auf die notwendige Begeisterung bei Jurys und Fernsehzuschauern gestoßen sind.
Haben Sie den Eindruck gewinnen können, dass junge Künstler, besser abschneiden als solche, die besonders gestanden und professionell performen?
Schreiber: Den Eindruck kann man gewinnen.
Stimmt aus Ihrer Perspektive die öffentliche Kritik, dass ein ESC ohne Stefan Raab keinen blendenden Erfolg bringt?
Schreiber: Nein. Hinter dieser Vermutung verbirgt sich aber ein Sachverhalt: "Satellite" und "Taken By A Stranger" von Lena sowie "Standing Still" von Roman Lob sind aus einem großen Pool von jeweils mehreren Hundert Kompositionen ausgesucht worden. Schon vor dem ESC 2013 hatten wir die Entscheidung getroffen, dass wir uns noch mehr auf die Songauswahl konzentrieren wollen. Deshalb suchen wir 2014 auch verstärkt sowohl national als auch international nach passendem Material.
Ist die Platzierung von Cascada ein Signal an professionelle, etablierte Acts (nicht nur) in Deutschland, beim ESC unter ferner sangen zu landen?
Schreiber: Nein. Warum?
Dient das Punktesystem - nach ESC-Supervisor Sietse Bakker eine Mixtur aus Fairness und Transparenz - noch dazu, das politisch inspirierte Grummeln über die Punkteergebnisse in den Ländern Europas gering zu halten?
Schreiber: Ein nicht zu unterschätzender Faktor dürfte in diesem Jahr die Tatsache gewesen sein, dass die Jurys ja nicht nur ihre Punkte vergeben haben, sondern auch für die Länder, die bei ihnen leer ausgingen, eine Reihenfolge festgelegt haben. Das heißt, die deutsche Jury hat beim Finale auch für die Plätze 11 bis 25 (für das eigene Land kann man ja nicht abstimmen) eine Reihenfolge festgelegt. Eine Juryplatzierung auf dem hinteren Platz kann nur sehr schwer durch gute Televoting-Ergebnisse aufgeholt werden.
Richtig, aber ist das eine passende Änderung des Regelwerks zu den Punkten gewesen?
Schreiber: Ich denke ja, denn erstens kann ein Lied nur gewinnen, wenn es aus fast allen oder zumindest den meisten Ländern Punkte erhält - das müssen nicht immer acht, zehn oder zwölf Punkte sein, entscheidend ist, dass viele Länder aus West und Ost sich für ein Lied entscheiden - wie es in den letzten Jahren ja der Fall war. Zweitens scheint die etwas absurde Diskussion in Aserbaidschan dieses Jahr die Sinnhaftigkeit der neuen Regel zu bestätigen. Diese Diskussion kann ich mir nur so erklären, dass es dort eine Mehrheit beim Televoting für den russischen Song gegeben zu haben scheint, eine wahrhaft unabhängige Jury dieses Lied im Juryranking aber auf einem hinteren Platz gesehen hat, so dass Russland keine Punkte aus Baku bekam. Mit anderen Worten: dDs Juryranking von 1 bis 25 macht Sinn.
Wäre es nicht sinnvoll, eine vollständige Transparenz einzuführen, etwa auch die Bekanntgabe der Quote an abgegebenen Stimmen, von der abhängt, ob ein Televotingergebnis gültig ist?
Schreiber: Die EBU (European Broadcasting Union, Anmerk. der Redaktion) hat den derzeitigen Stand der Diskussionen deutlich gemacht. Natürlich wird nach jedem ESC erneut über die Regeln gesprochen.
Kann ein ESC, gemessen an den politisch inspirierten Reaktionen in vielen Ländern danach, überhaupt noch sinnvoll als a-politisch bezeichnet werden?
Schreiber: Aus meiner Sicht unterscheidet sich dieser Eindruck sehr von Land zu Land.
In einigen Ländern wird die Regel der Big Five hinterfragt. Können Sie das verstehen? Wäre das für die ARD akzeptabel, zunächst in einem Semifinale sich qualifizieren zu müssen?
Schreiber: Diese Frage stellt sich nicht.