Verstärkte Sicherheitsmaßnahmen beim ESC 2024
Keine öffentliche Partymeile, etliche gewaltbereite Demonstranten und ein Großaufgebot an Polizei: Von ausgelassener Freude auf den Eurovision Song Contest ist in diesen Tagen in Malmö wenig zu spüren.
Für die jüdische Bevölkerung hat sich seit dem 7. Oktober 2023 das Leben in der Stadt verändert. In der Synagoge - einem Zentrum der Begegnung - sind die Sicherheitsmaßnahmen hoch. Mitarbeitende tragen versteckt einen Überfallmelder, überall gibt es Überwachungskameras. Schon vor dem ESC gab es in der Stadt deutlich mehr antisemitische Vorfälle als in anderen schwedischen Städten, berichtet die ARD-Skandinavien-Korrespondentin Sofie Donges. Malmö hat 362.133 Einwohnerinnen und Einwohner, Menschen aus 186 Nationen leben in der drittgrößten Stadt des Landes - darunter viele Menschen palästinensischer Abstammung.
Demonstration gegen Israel vor dem zweiten Semi
Dass Israel Teil des ESC ist, sorgt schon seit Monaten für viel Protest. Inzwischen ist bekannt, dass in der ESC-Woche zwei Großdemos gegen Israel mit jeweils geschätzt 10.000 Teilnehmenden stattfinden. Vor dem zweiten Halbfinale haben Tausende Menschen in Malmö friedlich gegen die Teilnahme Israels protestiert, darunter auch die Aktivistin Greta Thunberg. Sie forderten den Ausschluss Israels vom Contest. Mit rund 5.000 Teilnehmenden blieb die Zahl allerdings deutlich unter den Erwartungen der Stadt, die mit etwa 30.000 Demonstrantinnen und Demonstranten gerechnet hatte.
Koranverbrennung kurz vor dem Auftakt der Feierlichkeiten
Einen Tag vor dem Auftakt der Feierlichkeiten am Samstag haben ein Mann und eine Frau im Stadtzentrum von Malmö einen Koran verbrannt. Das war am Freitag in einem Video zu sehen, das live auf der Plattform TikTok gezeigt wurde. Bei der Aktion in der Nähe zweier Veranstaltungsorte des ESC wurde zudem eine palästinensische Flagge verbrannt. Es gab Kritik an der schwedischen Polizei, die Koranverbrennung so kurz vor der Musikveranstaltung zuzulassen.
Großaufgebot der Polizei im Umfeld des ESC im Einsatz
Schwedens Polizei hat auf die allgemeine Sicherheitslage reagiert: Die Beamten sind mit einem Großaufgebot in der Stadt präsent, Verstärkung aus Dänemark und Norwegen wurde angefordert. Eine öffentliche Partymeile wurde bereits abgesagt. Veranstaltungen rund um den ESC sollen ausschließlich in abgeschlossenen Gebieten stattfinden, in denen Taschen tabu sind.
"Sie werden Polizisten sehen, die mit den üblichen Waffen ausgestattet sind, aber auch mit schwereren Waffen", sagte Polizeichefin Petra Stenkulla. Das seien die Menschen in Schweden und Malmö zwar nicht gewohnt, die Polizei müsse aber Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um auf einen "schwerwiegenden Zwischenfall" vorbereitet zu sein.
In Schweden herrscht zweithöchste Terrorwarnstufe
Denn die Sicherheitsleute haben noch ein weiteres Thema auf dem Zettel: die Terrorgefahr. Seit dem vergangenen Sommer haben die Schweden die Terrorwarnstufe auf vier erhöht - die zweithöchste im Land. Der Grund: eine gestiegene Gefahr von Anschlägen durch Islamisten, nachdem es in Schweden zu Koranverbrennungen gekommen war. Seitdem sind offenbar mehrere Anschläge vereitelt worden. In Brüssel gelang es einem mutmaßlichen Islamisten im vergangenen Oktober, offenbar gezielt zwei schwedische Fußballfans zu töten. Doch die Sicherheitskräfte betonen auch: Für den ESC und Malmö läge keine erhöhte Bedrohungslage vor.
Terrorismus-Experte: "Es könnte richtig chaotisch werden"
"Ein Cocktail an Problemen könnten auf die Stadt Malmö und den ESC zukommen", sagt der Terrorismus-Experte und Politik-Wissenschaftler Magnus Ranstorp. "Demonstrierende werden versuchen, die Wege von Delegationen zu den Veranstaltungsorten abzusperren, kleine gewaltbereite Gruppen wie die Antifa werden versuchen, die Polizei und andere zu konfrontieren." Es könne also richtig chaotisch und eventuell gewalttätig werden. Es sei schwer vorherzusehen.
Keine palästinensischen Flaggen und Symbole beim ESC-Finale
An vielen Stellen in der Stadt kleben Aufkleber, die Israels Teilnahme verurteilen. Die schwedische Polizei hat israelischen Musik-Fans untersagt, ihre Künstler mit blau-weißen Landesfahnen anzufeuern; in der Nähe des Veranstaltungsortes sind Demonstrationen verboten. Die israelische Delegation soll ihre Hotelzimmer in Malmö nur zu ihren Auftritten verlassen. Kurz vor der Finalwoche hat Israels Nationaler Sicherheitsrat (NSC) eine Reisewarnung für die schwedische Stadt verschärft. Die Warnung gelte für die Zeit des ESC-Wettbewerbs vom 7. bis 11. Mai.
Die Organisatoren des ESC behalten sich das Recht vor, palästinensische Flaggen und Symbole beim Finale des Gesangswettbewerbs zu entfernen. Wer eine Karte für die Veranstaltung im schwedischen Malmö gekauft habe, dürfe nur Fahnen der teilnehmenden Länder oder die Regenbogenflagge mitbringen, so die Sprecherin des Veranstalters, der European Brodcasting Union, Michelle Roverelli.
Mehr als 100.000 Besucher in Malmö erwartet
Bisher sei die Sicherheitslage "äußerst stabil", versicherte hingegen die ESC-Produktionsleiterin des schwedischen Fernsehsenders SVT, Ebba Adielsson. Am meisten Angst mache ihr bisher, dass "die Leute zu viel Angst haben", um zum ESC zu kommen. In der ESC-Woche werden in Malmö mehr als 100.000 Besucherinnen und Besucher erwartet.
Schutz gibt es auch für die schwedischen ESC-Teilnehmer Marcus und Martinus - sie werden von Sicherheitspersonal begleitet. Einige schwedische Künstlerinnen und Künstler haben ihre Auftritte am Begleitprogramm bereits abgesagt. Zu groß war offenbar der Druck für einige in den sozialen Medien. Von ausgelassener Vorfreude auf den ESC kann in diesen Tagen keine Rede sein.