Dänisches Wikingerflair mit Rasmussen
Er galt als Favorit des "Dansk Melodi Grand Prix", dieser Rasmussen, ein 32-jähriger Sänger aus dem dänischen Langå in der Region Nordjütland. Sein hervorstechendstes Merkmal ist ein hipsteriger rot-brauner Langbart. Am Ende der gut zweistündigen Show aus Ålborg, hatte er, der eigentlich auf den schönen Namen Jonas Flodager Rasmussen hört, mit 50 Prozent der Stimmen seine Nase vorn. Mit dem Titel "Higher Ground" an Bord vertritt er Dänemark beim Eurovision Song Contest in Lissabon. Hinter ihm im Super-Finale lagen die 17-jährige Anna Ritsmar mit "Starlight" (31 Prozent) sowie der in Schweden aufgewachsene Albin Fredy mit "Music For The Road" (19 Prozent).
Mitfavoritinnen chancenlos
Auf der Strecke geblieben waren Mitfavoritinnen wie Sannie, Ex-Whigfield, mit "Boys On Girls", aber auch Carlsen, die drei Schwestern von den Färöer-Inseln. Mit ihrem Titel "Standing Up For Love" ernteten sie im "Gigantium", in den vergangenen Jahren oftmaliger Ort des "Melodi Grand Prix", den wärmsten Applaus. Allerdings: Modernere Nummern, jazziger oder bluesiger Art, hatten ebenfalls keine Chance auf das Dreier-Finale, etwa Karui mit "Signals" oder "Holder Fast I Ingenting" von Rikke Ganer-Tolsøe, welcher der einzige der zehn Titel in dänischer Sprache war. Die Show hinterließ einen beinah zeitlosen Eindruck. Dass da voriges Jahr in Kiew ein Sänger ohne viel Bühnenfirlefanz gewinnen konnte, dass da einer siegte mit einer eher einfachen, aber innig vorgetragenen Melodie, hinterließ offenbar bei den dänischen Vorbereitungen für diesen Melodi Grand Prix kein besonderes Kopfzerbrechen. Das Tableau der Lieder wirkte eher wie ein maues Potpourri, in das das dänische Fernsehen keine besondere Mühe investieren wollte.
Starke Retroelemente
Die knapp zwei Stunden des Melodi Grand Prix boten immerhin viel Futter für ESC-Nostalgiker: TV-historische Schnipsel aus einstigen ESC- und "Melodi Grand Prix"-Shows wurden in einer Talkrunde von dänischen ESC-Experten und auch ESC-Veteranin Kirsten Siggaard (ESCs 1984, 1985 und 1988) kommentiert. Das starke Retro-Element könnte ein Grund dafür sein, dass Dänemarks ESC-Anstrengungen kaum junges Publikum anzuziehen vermag.
Leicht düstere Wikingerfolklore
Rasmussens Siegerlied "Higher Ground" ist ästhetisch eine Mixtur aus wikingerisch angehauchter Folklore mit einem Hauch von Düsternis: ein dräuendes Soundknäuel ohne besondere Höhepunkte, untermalt mit Stampfschritten. Mit diesem Performer schickt Dänemark den bärtigsten ESC-Teilnehmer aller Zeit nach Lissabon: Hipstertum in Lissabon aus dänischer Popproduktion. Möge die Regie in der portugiesischen Hauptstadt im Mai dieses Lied vom bläulichen Dunkel befreien und eher ins Hellere eintauchen. Auffälligstes Bühnenkleid war, last but not least, das der 17-jährigen Anna Ritsmar: Ihr Haar ein geflochtenes Zopfnest, darunter ein stetiges Lächeln und am Körper ein großbesternter Pyjama. Auch sie wäre eine gute Wahl gewesen - Nachtschlaftextilien gab es auch beim ESC noch nie.