Phönixe, Koalas und ein Trampolin
Pyro, Akrobatik, überzeugender Schmalz: Im zweiten Halbfinale war alles dabei - inklusive Freudentaumel und Tränen der Trauer. Ein schwacher Trost für die Teilnehmer aus Georgien, Israel, Litauen, Irland und Mazedonien: Die tagelangen Proben und das Zittern um den Finaleinzug haben ein Ende, die Katze ist endlich aus dem Sack.
Eindringlich statt aufdringlich
Doch noch mal von vorn, denn es war ja nicht alles traurig an diesem Abend. Im Gegenteil: Schon der erste Beitrag hatte Gänsehaut-Potential. Fast scheint es, als hätte das Musiker-Familienunternehmen Firelight aus Malta mit "Coming Home" eine Hymne auf die ESC-Bühne geschrieben. Auf der Bühne fühlen sie sich jedenfalls sichtlich wohl und verbreiten ohne viel Tam-Tam Spielfreude pur. Das belohnte Europa durch seine Anrufe.
Die Mischung macht's
Die nächsten Beiträge zeigen, dass Europa Abwechslung kann. Das schmissige Beziehungsende, das Mei Finegold für Israel in "Same Heart" beschreibt, findet genauso Platz, wie die leicht verrückte Inszenierung von Georgien und der rockige Song der jungen Band Softengine, die ihre anfängliche Nervosität abgelegt zu haben scheinen und sich im Vergleich zu den ersten Proben etwas mutiger und ausgelassener geben - und es so schließlich ins Finale schaffen.
Gute Laune und Mitklatsch-Pop kommt von dem Schweizer Sebalter (bei dem man sich fragt, ob auch sein Gepfeife live ist) und auf Conchita Wursts große Ballade folgt der "Attention"-Schrei aus Litauen, der am Ende leider seine Wirkung verfehlt und nicht ins Finale gewählt wird. Aber trotzdem: Langweilig wird es im zweiten Halbfinale nicht.
Große Balladen-Momente
Und dann steht der ehemalige Türsteher Carl Espen auf der Bühne in Kopenhagen. Er singt seine anrührende Ballade "Silent Storm", die vielen Zuschauern sicherlich Gänsehaut auf die Arme gepustet hat. Pompös wird es, als unsere polarisierende, aber doch hoch gewettete Nachbarin aus Österreich im Goldregen ihre eindringliche James-Bond-Nummer performt. Auch wenn sich bei Conchita Wurst eigentlich nur ihre Arme - und dank Windmaschine auch ihre Haare - bewegen, bewegt sie doch irgendwie eine Menge, vor allem im Publikum. Später im Green Room gibt es für Conchita sogar eine dicke Umarmung von Moderatorin Lise Rønne - was genau da läuft, weiß man nicht. Auch unsere eurovision.de-User würden Conchita anscheinend gern umarmen: Im Voting landet Österreich bei ihnen auf Platz eins - und in Europa im Finale.
Mittelpunkt: Musik
Tatsächlich gibt der Abend keine atemberaubenden Akrobatik-Leistungen her - die Musik steht im Vordergrund. Außerdem sorgt die riesige LED-Wand auch ohne großes Bühnenpersonal für die gewünschten Effekte. Immerhin haben die Rumänen Paula Seling & Ovi auffällige Requisiten mit auf die Bühne gebracht: Ein überdimensionales rundes Keyboard, auf das der Musiker allerdings etwas unbeholfen eindrischt.
Tänzer hatten zum Beispiel Can-linn feat Kasey Smith aus Irland im Gepäck: Sie steppen eine Mischung aus traditionellen Folk- und modernen Pop-Moves auf die Bühne. Boygroup-Charakter hingegen verbreiten die Tänzer von Teo aus Weißrussland - sie nutzen die große Bühne mit den Seitenstegen als eine der wenigen Teilnehmer voll aus. Kommentator Peter Urban drückt Teo in der Live-Sendung trotzdem einen Spruch auf: "Alles Käse, mit oder ohne Kuchen, möchte man sagen - die Jungs sehen aus, als hätten sie beim Tanzschulball keine Damen abbekommen und müssten nun mit ihrer 'N Sync-Kopie Eindruck schinden." Auch die eurovision.de-User haben die Weißrussen mit durchschnittlich 3,6 Punkten nur auf Platz 13 gewählt. Trotzdem: Er hat es ins Finale geschafft!
Griechische Club-Party auf der Bühne
Begeisterung lösen neben Conchita Wurst besonders Freaky Fortune feat. Risky Kidd aus - sie veranstalten eine moderne dreiminütige Party auf der Bühne, inklusive ausgelassenem Trampolin-Springen und Kamera-Effekten mit schnellen Schnitten und Zeitlupen. Die Botschaft des Songs, wieder aufzustehen, auch wenn es mal nicht läuft, scheint beim Publikum zu wirken. Die Griechen müssen in den nächsten Tagen auch früh aufstehen - ab zu den Proben fürs Finale!
Auch vertreten: Schrilles und Verrücktes
Musikalisch durchaus anspruchsvoll, aber auch ungewohnt-verrückt kommen die Georgier von The Shin & Mariko daher. Am Ende können sie mit ihrem riesigen Fallschirm auf der Bühne allerdings nicht ins Finale fliegen. Etwas schrill wirken auch die polnischen Frauen von Donatan & Cleo. Sie liefern eine bunte Show, sowohl auf den LED-Bildschirmen als auch mit ihren Kostümen. Das ist allerdings nicht alles, was es in ihrer Performance sehen gibt: Viel Haut sollte die Sache noch abrunden - Szenenapplaus für die Mischung aus traditionellen und provokanten Ansätzen. Am Ende geht das Konzept ja auch auf.
Australier auf dem Eurovision-Mond
Premiere für Australien. Erstmals darf eine australische Künstlerin ihr Land beim ESC vertreten. Diese Aufgabe übernimmt die in Down Under berühmte Sängerin Jessica Mauboy. Schon der Vorspann auf der großen Bühnenleinwand macht klar: Australien würde gern an Europa "andocken" und ernsthaft am ESC teilnehmen. Diesmal mussten sie sich allerdings mit einem Auftritt außer Konkurrenz zufrieden geben. Am Ende der Performance wird es symbolisch: Ein Astronaut fliegt von der Decke und stellt eine australische Flagge auf die Bühne. Eine kurze Schalte nach Sydney zeigt: Die Australier sind wirklich verrückt nach dem Eurovision Song Contest!
Traurige Überraschung für Mei Finegold
Schockiert über das Ergebnis reagiert die Teilnehmerin aus Israel - und auch ein Teil des Publikums: Sie stand hoch im Kurs, wurde aus vielen Richtungen hochgelobt - und hat es doch nicht ins Finale geschafft. Bis zur letzten Minute hat das Publikum gezittert - am Ende stand die Wahl zwischen Conchita Wurst und Mei Finegold.
Auffällig ist, dass unter den fünf Verlierern des Abends neben Mei mit Tijana (Mazedonien), Vilija (Litauen) und der Irin Kasey Smith von Can-linn vier Frauen sind, die eine schnelle, eindringliche Pop-Nummer auf die Bühne gebracht haben. Aber auch Georgien muss sich vom Final-Traum verabschieden. Darauf haben übrigens auch die Journalisten vor Ort in Kopenhagen gewettet, genauso wie unsere User von eurovision.de. Auch bei Mazedonien herrscht scheinbar Einigkeit, auch sie wollten Journalisten und User genauso nach Hause schicken, wie die stimmberechtigten Anrufer.