Georgische Gotik
Wer sich nach der zweijährigen Vorentscheidungsabstinenz Georgiens auf eine glamouröse Gala gefreut hatte, sah sich bitter enttäuscht: Die bescheidene Studioproduktion, in deren Rahmen der Beitrag für Wien ermittelt wurde, entsprach so gar nicht den Erwartungen an eine nationale Vorentscheidung. Wie die Hühner auf der Stange saßen die teilnehmenden Interpreten auf dem Podium und stellten sich nach einer kurzen Einblendung ihrer jeweiligen Beiträge den Fragen der Moderatorin. Ausgespielt wurde keiner der fünf Songs, die das georgische Fernsehen bereits an Silvester vorgestellt hatte. Zwei Wochen lang hatten die Zuschauer die Möglichkeit, ihren Favoriten per Telefon oder SMS zu wählen. Eine fünfköpfige internationale Jury sollte die Publikumsentscheidung im Finale dann vervollständigen, darunter so klangvolle Namen wie ESC-Gewinnerin Emmelie de Forest und Erfolgskomponist Thomas G:Son.
Vollblut-Musikerin
Die beiden ESC-Größen wurden dann leider nur per Skype zugeschaltet. Beide waren sich allerdings darin einig, dass Nina Sublatti das Ticket nach Wien lösen sollte. Damit gingen sie offenbar auch mit den Zuschauern konform, sodass die 19-Jährige nach knapp 40 Minuten als Siegerin verkündet wurde. Die in Moskau geborene Tochter georgischer Eltern gewann 2013 die Castingshow "Saqartvelos Varskvlavi", ist aber alles andere als ein Casting-Sternchen: Als Vollblut-Musikerin hat sie den Beitrag "Warrior" selbst geschrieben und singt ihren Dark-Popsong mit viel Ausdruckskraft und Stimmgewalt. Passend dazu auch ihr Outfit im düsteren Gothic-Style, wobei auf beiden Armen selbst entworfene Tattoos prangen, denn die ausgebildete Malerin und Bildhauerin versteht ihren Körper offenbar als lebendes Kunstwerk. Diese Ballung kreativen Potenzials könnte in Wien für eine große Überraschung sorgen, zumal der Song von fast hypnotischer Intensität ist. See you next year in Tbilisi?