Reiley-Hype auf den Färöern: Die Inselgruppe bald beim ESC?
Durch Reileys Sieg beim dänischen Vorentscheid steht im Mai in Liverpool erstmals ein Färöer auf der ESC-Bühne. Das Interesse am Wettbewerb auf der Inselgruppe steigt - und manche wünschen sich sogar ein Debüt der Färöer beim ESC.
Es scheint ein Ereignis von nationaler Tragweite zu sein, das die Morgennachrichten des färöischen Radios gleich an erster Stelle vermelden: Rani Petersen gewinnt mit "Breaking My Heart" den ESC-Vorentscheid im 1.300 Kilometer entfernten Næstved. Petersen, der auf TikTok unter dem Künstlernamen Reiley auftritt und zum Star wurde, ist in Tórshavn aufgewachsen, der Hauptstadt der 18 im Nordatlantik liegenden Inseln.
Färöer sind Teil Dänemarks
Die rund 55.000 Einwohner haben ihre eigene Kultur, ihre eigene Währung und ihre eigene Sprache. Dennoch handelt es sich bei den Färöern um keinen unabhängigen Staat, die Färöer gelten als autonomer Bestandteil des Königreichs Dänemark. Und damit weht auch die dänische Flagge über dem färöischen ESC-Teilnehmer Reiley.
Färöer-Inseln mit Musiktradition
Einer, der hingegen gern die rot-blau-weiße Flagge der Färöer beim Song Contest sehen würde, ist Ivan Hentze Niclasen, Direktor des färöischen Rundfunks Kringvarp Føroya (KVF). In den vergangenen Tagen sei das Interesse am ESC auf den Inseln explodiert, berichtet er im Gespräch mit eurovision.de. Musik sei sowieso ein wichtiger Teil der färöischen Kultur, so kämen zum färöischen Nationalfeiertag im Juli tausende Menschen in der Altstadt von Tórshavn zusammen, um gemeinsam zu singen. "Es gibt also das Gefühl, dass Musik die Menschen zusammenbringt", sagt Niclasen, um damit direkt zum größten Musikwettbewerb der Welt überzuleiten.
"Wenn wir bei Musikwettbewerben mitmachen, fühlt sich das besser an, wenn wir es unter unserer eigenen Flagge tun, anstatt dass wir Teil des Beitrags eines anderen Landes sind. Deswegen wäre es schön, als 'Färöer-Inseln' beim ESC mitzumachen." Ivan Hentze Niclasen, Direktor KVF
Teilnahme beim ESC vorerst unwahrscheinlich
Nur ist genau das so eine Sache. Reiley wird unter dänischer Flagge und im Auftrag des dänischen Rundfunks nach Liverpool fahren. Wie soll das also bei eventuellen späteren Teilnahmen klappen mit "Twelve points go to the Faroe Islands" - statt "to Denmark"? KVF sei dem schon vor Jahren nachgegangen: "Soweit ich weiß, war die Antwort im Jahr 2010 oder 2011, dass nur souveräne Staaten beim ESC mitmachen können. Wir haben diese Frage seitdem mehrfach gestellt. Aber die Situation hat sich nicht verändert", so Niclasen.
Interesse am ESC auf den Färöern ist explodiert
Die Aufregung um Reiley, den ersten Färöer beim ESC, könnte aber etwas verändern, vermutet er. Das Interesse am Wettbewerb sei zwar schon lange da, in den vergangenen Tagen sei es aber "explodiert". Und: "In dieser Woche hat die Kulturministerin bei uns in einer Sendung gesagt, dass sie in Erfahrung bringen will, ob die Färöer-Inseln der Europäischen Rundfunkunion (EBU) beitreten - und dann beim ESC mitmachen können. Unter eigener Flagge." Es gebe jetzt also einen politischen Prozess. Der könne aber möglicherweise bis zu anderthalb Jahre dauern.
Man dürfe jedoch auch nicht vergessen, sagt KVF-Direktor Niclasen noch, dass der ESC für die Färöer und beispielsweise ihren Tourismussektor auch eine gewisse Werbung darstellen könne. Vielleicht wird es in dem nun angestoßenen politischen Prozess also nicht nur um das wunderbare Zusammengehörigkeitsgefühl gehen, das Musik mit sich bringt. Erstmal will Ivan Hentze Niclasen von KVF sich aber um die Ausstrahlungsrechte für den diesjährigen ESC kümmern, denn anders als in den vergangenen Jahren müssten Semifinale und Finale natürlich auch auf den Inseln im Nordatlantik im eigenen Fernsehprogramm ausgestrahlt werden.
Kulturministerin ist für ESC-Teilnahme der Färöer
Die schon angesprochene färöische Ministerin für Soziales und Kultur, Sirið Stenberg, lässt eurovision.de mitteilen, sie unterstütze die Bestrebungen um eine unabhängige EBU-Mitgliedschaft und ESC-Teilnahme, denn auch sie sieht unter anderem Möglichkeiten, ihr Land bekannter zu machen, "das noch immer für viele unbekannt ist". Sie stellt außerdem klar, die Färöer-Inseln würden in fast allen politischen Bereichen unabhängig handeln, auch in der Kultur. Und das sei das Thema des ESC. "Und alle Länder, die teilnehmen und Kandidaten entsenden möchten, sollten auch daran teilnehmen können. Ich glaube nicht, dass starre Definitionen von unabhängigen Nationen die Antwort sein sollten, wenn es um den kulturellen Austausch geht", so Ministerin Stenberg.
Wie alt ist eigentlich Reiley?
Während manche Rundfunk- und Zeitungskommentatoren auf den Färöern schon von einer dauerhaften, eigenständigen Teilnahme ihres Landes beim ESC träumen, rätselt die dänische Boulevardpresse über Reileys Privatleben. Da wäre etwa die Sache mit seinem Alter. Nur 20 Jahre alt soll er sein, hieß es noch im Vorfeld der dänischen Vorentscheidung. Der färöische Rundfunk berichtet allerdings in allen Artikeln konsequent über den "25-jährigen Sänger aus Tórshavn". ESC-Fans im Onlineportal Reddit wollen ebenfalls herausgefunden haben, dass Reiley älter ist, als von seiner Plattenfirma behauptet. So gebe es ein Foto seiner ehemaligen Fahrschule auf Facebook, das sein Geburtsjahr 1997 beweise. Der Sänger selbst kommentierte diese Debatte in der dänischen Zeitung "BT" so kurz wie mysteriös: "Ich habe kein Alter - ich bin wie Peter Pan."
Auch wie Reiley innerhalb kurzer Zeit auf TikTok so viel Erfolg haben konnte, ist für manche Fans unklar. Für den Sänger selbst scheint aber der Blick nach vorne wichtig zu sein. In der Hauptnachrichtensendung des färöischen Fernsehens sagte er, er hoffe durch den Song Contest mehr Fans zu gewinnen. In Teilen Nordamerikas und Asiens habe er schon viele Anhängerinnen und Anhänger, jedoch: "Bislang habe ich nie so richtig Europa erreicht. Aber der ESC kann sicher einige Türen öffnen." Und wer weiß - vielleicht öffnet Reiley in diesem Jahr auch für die Färöer-Inseln einige Türen in der Welt des Eurovision Song Contest.