Feddersens Kommentar: So laufen die ESC Vorbereitungen
Es ist keine Besonderheit, dass die Reference Group des ESC, der internationale Lenkungsausschuss des größten selbst produzierten TV-Projekts der European Broadcasting Union (EBU), in Kiew zusammen kam. Das war in allen Jahren so: Man prüft, wie es um die Vorbereitungen steht. Fragen des Logos, des Bühnendesigns, der Sicherheitsvorkehrungen - man will einfach den Überblick behalten. So auch kürzlich. Jon Ola Sand, oberster ESC-Manager bei der europäischen Rundfunk- und Fernsehunion, teilte laut einer Meldung von esctoday.com mit, "es sei noch viel Arbeit zu tun", ja, es müssten "noch viele Hürden" überwunden werden. Das sagt der Norweger zwar immer, aber in der Ukraine sind seine Worte von gewisser Besorgnis geprägt - und das zu recht.
Denn wir erinnern uns: Neulich trat der Chef des ukrainischen Senders zurück, der für den ESC verantwortlich zeichnet. Grund: Viel zu viel Geld werde aus dem Budget des Senders für den ESC abgezogen, wie wir berichtet hatten.
Intensive Planungen, wenig Details
Darauf gab es eine erläuternde Reaktion seitens der Stadt Kiew, um ein wenig Licht ins Dunkel der Vorbereitungen zu bringen. Im Rahmen einer Pressekonferenz sagte der stellvertretende Bürgermeister Alexej Reznikov: "Wir erwarten 20.000 Touristen, die während der zwei ESC-Wochen nach Kiew reisen werden. Natürlich bleibt nicht jeder die ganze Zeit in Kiew. Wir erwarten aber 1,3 Millionen Besucher in unserer Stadt für das kommende Jahr." Das heißt: Er rechnet, dass der ESC eine starke Werbewirkung für Kiew haben wird, sodass als Folge viele Menschen, auch nach dem ESC, in die Stadt reisen werden. Umgerechnet 20 Millionen Euro sollen die Besucher während des ESC und danach in der Stadt lassen - so könne das Budget gedeckt werden.
Man darf Zweifel haben, ob wirklich so viel Geld in die Kassen Kiews gespült wird. Erfahrungsgemäß werden während der Vorbereitung eines ESCs häufig seltsam scheinende Summen genannt, um die Investitionen zu begründen. Für den ESC 2014 in Kopenhagen etwa ist eigens eine städtische Firma für das (teure, aber touristisch notwendige) Rahmenprogramm gegründet worden - und zwar ein Unternehmen, von dem alle, die in Kopenhagen politisch etwas zu melden haben, wussten, dass es die Investitionen nie würde einlösen können. Man spekulierte also zutreffend auf ein Minus und auf die dann folgende Insolvenz: Was auch genau so geschah.
Maximal 13.000 Zuschauer können in der Halle live dabei sein
Ob wirklich so viele Menschen zum ESC in die Ukraine anreisen werden, ist ja noch gar nicht klar. Tickets wird es ab Januar geben, so sind die Planungen. Aber die Halle auf dem Messegelände kann gar nicht so vielen Zuschauern Platz bieten, wie beispielsweise 2011 in Düsseldorf, wo über 36.000 Zuschauer dabei waren. In Kiew sind maximal 13.000 Plätze zu besetzen. Immerhin: Es wird viel Rahmenprogramm geboten, die Stadt wird mit ESC-Markern geschmückt, Fähnchen und Wimpel etwa. Ein Eurovillage ist natürlich wieder in Planung. Das ist seit 2010 üblich und eine touristische Attraktion. In Kiew wird es in der schönen Innenstadt Kiews aufgebaut, nicht in der Nähe des abseits gelegenen Messegeländes.
Roter Teppich zur Eröffnung doch nicht an der Kathedrale
Eine Änderung zeichnet sich bei der Opening Ceremony, der Eröffnungszeremonie, ab. Bislang sollte der rote Teppich vor der St. Sophia Kathedrale ausgerollt werden - die Kirche ist ja in religiöser Hinsicht nicht mehr in Betrieb. Jetzt zeigen die Informationen aus Kiew, dass es doch wieder der Mariinsky Park auf der altstädtischen Seite Kiews wird - genau der gleiche Platz, auf dem die ESC-Auftaktparty 2005 stattfand. Wer damals dabei war, wird sich erinnern: ein Open-Air-Gelände hoch über dem Dnepr, dem mächtigen Fluss durch die Hauptstadt der Ukraine. Das war ungefähr das Gegenteil von beengt - da haben auch im kommenden Jahr potentiell sehr viele Delegierte und Akkreditierte des ESC Platz.
Doch möglicherweise sind es nicht nur Platzgründe, wegen derer die Sophia-Kathedrale wieder aus den Vorbereitungen nahm. Eine Petition des ukrainischen Aktivisten Michail Kirilenko, so berichtete mir die in Berlin lebende Journalistin Irini Serdyuk, wollte sich dafür einsetzen, dass das ehemalige Gotteshaus als Veranstaltungsort nicht mehr infrage kommt. In einer Kirche sei es nicht statthaft, ein Entertainmentereignis auszurichten. Allein: Seine Initiative brachte es bislang auf nur 748 Unterschriften - 10.000 sind nötig, um politisch mindestens Gewicht zu haben.
Offenbar, da hat der Generalmanager des ESC, Jon Ola Sand, vollkommen recht: Es ist noch viel zu klären, ehe im Mai kommenden Jahres der ESC in vermutlich coolster Routine aus Kiew übertragen wird.