Conze: "Das Clubkonzert wird es so nicht mehr geben"
Wenn Carola Conze den Raum betritt, steigt das Energielevel. Dass diese Frau Power hat, beweist sie seit fünf Jahren als Redaktionsleiterin der NDR Talk Show. Jetzt ist eine weitere Aufgabe hinzugekommen: Conze ist die neue deutsche Delegationsleiterin für den ESC. Damit löst sie den bisherigen Head of Delegation Torsten Amarell ab, der zum MDR gewechselt ist. Mit der 42-Jährigen hat sich das Eurovisions-Team eine Musikshow-Expertin ins Boot geholt. Bevor sie 2010 zum NDR kam, war sie als Executive Producerin mitverantwortlich für große TV-Events wie "The Dome", "Bravo Super Show" und "Top of the Pops". Bei einer Stippvisite im Mai in Wien hat die Musikbegeisterte bereits ESC-Luft geschnuppert und war von der Stimmung vor Ort fasziniert. Im Interview mit eurovision.de verrät die Delegationsleiterin eine erste Änderung für den deutschen Vorentscheid.
Was haben Sie sich als Head of Delegation vorgenommen?
Carola Conze: Erst einmal freue ich mich sehr über diese neue Aufgabe und werde alles dafür tun, den deutschen Teilnehmer bestmöglich beim ESC zu präsentieren. Dazu gehört vor allem, dem Künstler und der deutschen Delegation den Rücken zu stärken und die Aufgaben zu erfüllen, die der ESC mit sich bringt, aber auch - und das ist mir sehr wichtig - die Freude und den Spaß am Event nicht zu vergessen.
Die Fans warten ja schon sehnsüchtig auf die Info, wie der Vorentscheid aussehen wird.
Conze: ... doch nicht mehr lange.
Aber es wird auf alle Fälle Neuerungen geben?
Conze: Wir haben zwei Jahre mit dem Clubkonzert gearbeitet, durch das auch absolute Newcomer die Chance bekommen haben, im Vorentscheid anzutreten. Aber das Clubkonzert wird es so nicht mehr geben. Wir - sprich Thomas Schreiber (Anmerk. d. Red.: ARD-Unterhaltungskoordinator) und ich - haben viele Gespräche geführt und unterschiedliche Optionen vorbereitet. Welche es sein wird - dazu sehr bald mehr.
Was ist Ihr konkretes Ziel für Stockholm? Erster Platz?
Conze: Zum jetzigen Zeitpunkt möchte ich, dass wir den richtigen und besten Kandidaten finden, den man finden kann. Und dann ist unser Ziel, auf die linke Seite der Tabelle zu rutschen und das sehr gerne ganz nach oben. (lacht)
Welche Rolle hat der ESC bisher in Ihrem Leben gespielt?
Conze: Für mich war der ESC immer ein Freunde- und Familienhappening. Erst der Vorentscheid und dann natürlich der große Tag, an dem Europa zusammenkommt und man in alle Länder reinschaut und ein bisschen mitbekommt, was dort musikalisch passiert. Da haben wir dann 'ne kleine Party gefeiert.
Welche waren Ihre ESC-Höhepunkte?
Conze: Nicole 1982 mit "Ein bisschen Frieden", da war ich zehn Jahre alt. Es war für mich das schönste Lied auf der Welt und hat mich wahnsinnig berührt - dann auch noch in mehreren Sprachen gesungen ... I loved it! Aber auch der Sieg von Lena 2010. Das ging mir sehr nahe, das fand ich wahnsinnig emotional und toll. Mein nächstes Highlight war der ESC in Düsseldorf. Als jemand, der selbst Shows produziert hat, war ich von der Klasse der Show, diesem internationalen Niveau begeistert. Das Opening auf dieser gigantischen Bühne mit integriertem Greenroom hat mich wirklich beeindruckt. Die Entwicklung des ESC ist außerordentlich - ich freue mich, Teil des Teams zu sein.
Was ist genau die Aufgabe eines Head of Delegation?
Conze: In erster Linie die organisatorische Vorbereitung mit der EBU (Anmerk. d. Red.: European Broadcasting Union), dem Host Broadcaster und der gesamten deutschen Delegation - vom Künstler bis zu den Presseakkreditierungen und dann natürlich das öffentlich Sichtbare: Proben, Botschaftsempfänge, Interviews und vieles mehr.
Was ist wichtiger: Song oder Künstler?
Conze: Ganz klar: beides zusammen. Ich finde, es steht und fällt damit, ob der Künstler den Song richtig fühlt und richtig transportiert. Natürlich ist der Song wichtig. Aber die Interpreten müssen den Song auch leben. Wenn ich daran denke, wie Lena "Satellite" performt hat oder in diesem Jahr der Gewinner Måns Zelmerlöw, wie der gestrahlt hat! Das Lied muss mit Herzblut, Lebensfreude und Selbstbewusstsein performt werden.
Wie wichtig ist die Bühnenshow?
Conze: Sehr wichtig, wie man jetzt ja auch bei den letzten Gewinnern gesehen hat. Das waren fantastische und teilweise auch sehr aufwendige Bühnenshows. Man darf nicht vergessen, das Ganze ist eine Fernsehveranstaltung. Conchita und Måns Zelmerlöw waren perfekt inszeniert - das war mit Sicherheit ein wesentlicher Teil des Erfolges.
Wie erklären Sie sich das schlechte Ergebnis von Ann Sophie?
Conze: Schwierige Frage! Auch wenn der letzte Platz aus meiner Sicht unverdient war, ergibt eine nüchterne Analyse, dass in Deutschland kein Künstler im ersten Halbjahr 2015 so viele Fernsehauftritte und Radiointerviews hatte wie Ann Sophie, "Black Smoke" aber kein Hit wurde. Und auch international haben Song und Ann Sophie nicht mit dem Publikum "connected".
In den vergangenen beiden Jahren haben Newcomer nicht gut abgeschnitten. Lena, auch absolute Newcomerin, hat gewonnen. Was ist das Rezept? Brauchen wir einen etablierten Künstler, brauchen wir einen Newcomer?
Conze: Song, Künstler und Inszenierung müssen als glaubwürdige Einheit die Zuschauer berühren. Aber ein immerwährendes Rezept gibt es beim ESC nicht. Und letztlich ist genau das ja auch das Schöne.
Es werden immer wieder Rufe laut: Schickt Helene Fischer zum ESC. Spricht etwas dafür, total etablierte Künstler zum ESC zu schicken, große Stars?
Conze: Ich kann das sehr gut nachvollziehen, dass man sagt, warum nimmt man nicht einen etablierten Star? Denn der hat ja schon bewiesen, dass er Menschen begeistern kann. Das Problem ist häufig, dass sich etablierte Stars einem Wettkampf nicht stellen wollen. Schade eigentlich ...
Welcher ist Ihr ESC-Lieblingssong?
Conze: "Satellite". Nee, nein. "Ein bisschen Frieden". (lacht)
Und generell, welche Musik hört Carola Conze?
Conze: Ich liebe gerade "Take Me To Church" von Hozier. Ich höre gerne Bruno Mars, Sia, ZAZ, Herbert Grönemeyer ... ach, vieles.
Und ein Blick in die Vergangenheit? Welcher Song ploppt da immer wieder auf?
Conze: Udo Lindenbergs "Cello".
Wir sind hier zwar nicht bei Twitter, aber wie würden Sie sich in etwa 140 Zeichen beschreiben?
Conze: Lebensfroh, schnell, offen - und gefühlt immer drei Kilo zu viel auf den Rippen. (lacht)
Musik ist Ihre Leidenschaft. Machen Sie auch selbst Musik?
Conze: Nein. Ich kann noch nicht mal singen. Ich erzähle meinen Kindern immer die Geschichte, wie ich von meinem Musiklehrer in der siebten Klasse nach vorne gerufen wurde - zusammen mit meiner Freundin, die auch Carola hieß. Ich dachte, jetzt hat meine große Stunde geschlagen - jetzt zeige ich allen, wie toll ich singen kann. Dann legten wir beide los und der Musiklehrer sagte: Meine Freundin Carola ist das Beispiel, wie man richtig singt und ich bin leider das Beispiel, wie man komplett falsch singt. Na, herzlichen Glückwunsch! (lacht)