Albanien wagt ungewohnte Klänge für ESC 2018
Der erste Beitrag des Eurovision Song Contest 2018 steht fest: Der stimmgewaltige Rocksänger Eugent "Genti" Bushpepa hat in Albanien einen Tag vor Heiligabend das 56. Festivali i Këngës mit dem von ihm selbst geschriebenen Rockwalzer "Mall" (Sehnsucht) gewonnen. Angesichts der lautstarken "Genti, Genti"-Rufe im Saal blieb der fünfköpfigen Jury auch kaum eine andere Wahl, als sich für den 33-jährigen Sänger zu entscheiden. Nach seinem Auftritt musste er sogar noch einmal auf die Bühne kommen, um das frenetisch applaudierende Publikum wieder zu beruhigen. Damit endet die Serie der schon fast zur Tradition gewordenen Frauenballaden, die seit 2013 mit eher bescheidenem Erfolg für Albanien ins Rennen gingen.
Sanremo lässt grüßen
Dass das Festivali i Këngës das italienische Sanremo-Festival zum Vorbild hat, war in diesem Jahr besonders augenfällig. Das lag nicht nur an den zahlreichen Gastauftritten italienischer Stars wie Riccardo Cocciante, sondern vor allem am umfangreichen Palaver, das die drei ansonsten durchaus unterhaltsamen Shows bis weit nach Mitternacht aufblähte. Moderator Adi Kastra hatte reichlich Gelegenheit, seine Italienischkenntnisse als Dolmetscher - und gar nicht mal so untalentierter Sänger - unter Beweis zu stellen. Mit Elhaida Dani (2015 in Wien), Aurela Gaçe (2011 in Düsseldorf), Kejsi Tola (2009 in Moskau) und Elsa Lila standen zudem gleich vier ehemalige Festival-Siegerinnen als Gäste auf der Bühne, die in diesem Jahr direkt über dem Orchester schwebte.
Allmächtige Jury statt Zuschauervoting
Anders als bei Sanremo ließ die Qualität der gesanglichen Darbietungen allerdings streckenweise erschreckend zu wünschen übrig, wobei die fünfköpfige Fachjury rigoros alle aussiebte, die sich mit dem Halten der Töne schwertaten. Die Macht der Juroren war auch in diesem Jahr absolut - vermutlich, damit erst gar keine Diskussionen über das Stimmgewicht des Publikums aufkommen, das im letzten Jahr kurz vor der Show auf ein Minimum reduziert worden war. Dabei war das musikalische Angebot wesentlich zeitgemäßer als in den Vorjahren, auch wenn sich vieles so anhörte wie Sanremo in den 1990er-Jahren. Das frühlingsfrische Liebeslied "Mall", mit dem Eugent Bushpepa den Sieg davontrug, lebt im Wesentlichen von der beeindruckenden Stimme des Interpreten. Mit Tirana als ESC-Austragungsort 2019 dürften wir vermutlich nicht rechnen - mit einer Final-Qualifikation beim ESC in Lissabon dagegen schon.