Stand: 17.04.2014 17:11 Uhr

Ein Treffen mit dem Kuchenbäcker von Riga

Jöran Steinhauer (rechts) und Raitis Vilumovs aus Lettland bei Eurovision in Concert 2014 in Amsterdam © NDR Foto: Patricia Batlle
Wo auch immer Jöran Steinhauer (r.) und Raitis Vilumovs hinkommen, verbreiten sie Musik und gute Laune.

Ein Gespräch mit Jöran Steinhauer zu führen ist besonders unterhaltsam, weil er währenddessen auf der Gitarre zupft. So geschehen bei Eurovision in Concert in Amsterdam, wo der gebürtige Bochumer als Leadsänger der lettischen Band Aarzemnieki seinen Beitrag "Cake To Bake" vorstellt. Ein musikalisch aufgelockertes Gespräch über Idole, Sprachen, lettische Eigenheiten und Teig.

Wie ist es dir seit eurem Sieg von Aarzemnieki beim lettischen Vorentscheid ergangen?

Jöran: Ich bin schon ein bisschen müde. Wir haben vorher sieben bis acht Monate diese Lat-Geschichte gemacht (fängt an zu singen und sich dabei auf der Gitarre zu begleiten). Das ist ein Song von mir über die alte Währung, den Lat, der heute der Euro ist. Ich bin relativ spontan aus Deutschland nach Lettland gekommen, weil dieses Lied dort über Nacht ein Internet-Hit geworden ist. Das ganze Land hat sich auf einmal das Video angeguckt. Da habe ich entschieden, schnell nach Lettland zu fahren, damit ich da Pressetermine wahrnehmen und eine Radioversion aufnehmen kann, auch eine Videoversion. Das hat ganz schön viel Kraft gekostet. Und dann auch noch diese Eurovisiongeschichte. Aber das ziehen wir jetzt auch noch durch, und das macht ganz viel Spaß. Das gibt Adrenalin und Kraft.

Du sprichst viele Sprachen, wie ich hier in Amsterdam höre. Wie ist es denn, Lettisch zu lernen?

Jöran: Lettisch zu lernen ist nicht so leicht, es gibt keine tollen Lehrbücher. Die interessanten Sachen im Fernsehen sind nicht synchronisiert, sondern da quatscht nur einer für alle im Hintergrund. Man muss sich das schon selber erarbeiten. Und viele Lieder hören. Die Letten sind ein Sängervolk. Das ist ein Aufwand, aber wenn man ihn betreibt, kriegt man unheimlich viel zurück. Viele die nach Lettland kommen sagen, ich lerne lieber Russisch, weil ich davon mehr habe. Aber für mich hat sich das richtig ergeben, dass ich meinen Gefühlen gefolgt bin und Lettisch gelernt habe. So öffnen sich viele Türen.

Warum kannst du auch noch Spanisch und Holländisch?

Jöran: Holländisch habe ich vor allem über Lieder gelernt. Ich habe ein halbes Jahr lang wirklich ganz viele holländische Schlager gehört, ich finde die super. Ich habe irgendwie das Gefühl, mein Mund ist dafür gemacht, Holländisch zu sprechen (erzählt etwas auf Niederländisch). Spanisch habe ich auf der Schule gehabt und Italienisch kann ich auch, weil ich ein halbes Jahr in Italien gewohnt habe.

Wo fühlst du dich zu Hause?

Jöran: Ich fühle mich in Europa heimisch. Das klingt ein bisschen ausgelutscht, aber es ist tatsächlich so. Weil hier auf einem so engen geografischen Raum so unglaublich viele verschiedene Kulturen sind. Ich muss nicht mal sagen, dass ich mich in einem speziellen Land oder Ort heimisch fühle. Das ist eigentlich eher ein Gefühl - mit Menschen zusammen zu sein. Ich fühle mich in Lettland im Moment sehr wohl, auch wenn ich mich nicht für den Song Contest qualifiziert hätte, weil es eine gewisse Nähe zu den Menschen gibt. Die haben eine tolle Mentalität, die ich in vielen Dingen sehr teile. Da bin ich relativ glücklich, aber nicht festgelegt, weil ich ein sehr neugieriger Mensch bin.

Du bist also offen für Veränderung, ein wichtiger Prozess beim Herstellen eines Teiges. Wie offen bist du für das Kuchenbacken, das du in eurem Song "Cake To Bake" besingst?

Jöran: Teig ist eine Wissenschaft. Da habe ich großen Respekt vor. Wenn man da mal ein Ei weniger rein macht, ist alles schon komplett anders. Das finde ich echt wahnsinnig interessant und kompliziert. Wenn man zu viel Zeit hat, ist das sicher ein gutes Projekt: Ganz viele Teige ausprobieren. Man kann damit so tolle Sachen machen, Pizza, Brot, Kuchen. Das ist ist vielleicht ein Projekt für die zweite Hälfte des Lebens.

Bist du also in diesem lettischen Kuchen auf der Bühne in Kopenhagen eine deutsche Zutat? Empfindest du es so, dass du ein Stück weit auch Deutschland auf der Bühne repräsentierst?

Jöran: Mittlerweile war ich in vielen lettischen Medien. Die wissen ziemlich viel über mich. Das Tolle ist ja dabei, dass ich nicht einfach nur ein Deutscher bin, sondern dass ich eben ich bin, mit meiner eigenen Geschichte. Ich assimiliere mich nicht komplett. Ich habe auch Sachen, die ich doof finde und das sage ich auch. Aber ich versuche, die Eigenarten der Letten zu akzeptieren. Zum Beispiel: Feuerwerk fand ich immer doof, aber die machen das halt zu Silvester und am Nationalfeiertag. Da versammeln sich alle am Fluss und gucken Feuerwerk. Mittlerweile stehe ich da selbst und gucke es mir an. Nicht, weil ich das alles wahnsinnig toll finde, aber ich akzeptiere die Eigenheiten und mache es gerne mit.

Wer begleitet euch nach Kopenhagen. Die deutsche Familie, lettische Freunde?

Jöran: Mal gucken. Ich hoffe, meine Familie kriegt Tickets. Aber jeder soll sich wohlfühlen. Mein Vater überlegt gerade, ob er sich das antun möchte, auch mein Bruder, meine Schwester. Aber der Song Contest ist so eine große und surreale, anstrengende Welt, dass man sich überlegen muss, wo man bei diesem emotionalen Ereignis am besten mitfiebern kann. Vielleicht sind ein paar in Kopenhagen, vielleicht schaffen es ein paar in die Halle, vielleicht gucken ein paar zu Hause.

Porträt
Jöran Steinhauer von Aarzemnieki aus Lettland bei Eurovision in Concert in Amsterdam © NDR Foto: Patricia Batlle

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Du bist durch die Band Brainstorm, die 2000 für Lettland beim ESC teilnahm, überhaupt erst auf den Song Contest gekommen. Hast du Brainstorm jemals getroffen?

Jöran: In Lettland lerne ich die ganzen Popstars kennen, die berühmten Leute. Und da ist eben Brainstorm mit Renars Kaupers für mich ein Held. Lettland ist klein, man trifft viele, kennt auch viele. Aber Renars Kaupers ist jemanden, zu dem ich aufschaue, von dem ich mir etwas abgucke. Es gibt nicht in vielen Ländern Bands, die alle Generationen ansprechen. Brainstorm ist eine Gruppe, die eine unglaubliche Aura hat.

Ich schätze, sie werden als ehemalige ESC-Teilnehmer zugucken, wie Aarzemnieki sich auf der Bühne in Kopenhagen schlagen. Eine andere lettische Band scheint schon Fan von euch zu sein: Sapju Kabinets parodieren euren Beitrag im Internet mit der Heavy-Metal-Variante "Stake To Make". Kennt ihr euch?

Jöran: Ich habe die Band Sapju Kabinets vorher nicht gekannt, aber finde deren Video zu unserem Lied "Cake to Bake" qualitativ sehr gut gemacht. Das hat bestimmt einiges an Zeit in Anspruch genommen, dieses Projekt zu realisieren.

Und was sagst du zu dem spanischen Video, in dem mehrere Konditoren zu eurer Musik ihre schönsten Kuchen und Torten präsentieren und tanzen?

Jöran: Spanische Bäcker tanzen zu unserem Lied - wie schön ist das denn?! Beim Anschauen des Videos kriegt man gute Laune für den ganzen Tag. Vielen Dank an die Initiatoren und alle, die da mitgemacht haben. Das war eine sehr positive Überraschung!

Viel Spaß in Dänemark beim Testen der dortigen Kuchen und danke für das musikalische Gespräch.

Das Gespräch führte Patricia Batlle

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 10.05.2014 | 21:00 Uhr