Warum hat Frans den ESC nicht gewonnen?
Der schwedische Sänger Frans hat am Ende beim 61. Eurovision Song Contest in Stockholm den fünften Platz belegt. Mit seinem Titel "If I Were Sorry" lag er weder beim Televoting noch bei den Juroren vor dem Siegertitel "1944" von Jamala aus der Ukraine. Frans hatte zuvor den schwedischen Vorentscheid gewonnen, vielleicht weil seine Show gegen alle hochgefönten, pyromanischen und durchgestylten anderen Acts am wenigsten inszeniert wirkte. Er sah auch beim Finale in Stockholm vor und nach den Proben wie ein junger Mann aus, der mit seiner baumwollenen Mütze nicht weiter auffällt. Ein, gemessen an den Aufwänden anderer Künstler und Künstlerinnen, Teenager von nebenan sozusagen.
Schön für ihn, dass sein Titel "If I Were Sorry" nun in ziemlich vielen eurovisionären Ländern in Radios auf heavy rotation ist. Man hört den Titel beim Aufwachen in Amsterdam, beiläufig aus einer Bar in Paris auf die Straße wehend, oder auch in St. Pölten. Die deutschen Radios spielen ihn auch, immer noch. Das Lied, alles in allem, ist der öffentlich stärkste Titel dieser ESC-Saison.
Aber ist richtig, was ESC-Fan Tobias Weigold auf der Facebook-Seite der Gruppe "Eurovision Fans United" fast mit einem Stoßseufzer formuliert? Hier das Zitat: "... and again I just heard 'If I were sorry' on the radio. Seems like Sweden is the actual winner of this year's Eurovision (at least for the listeners in Germany). I have not heard '1944' so far and it is very unlikely that they start playing it now."
Der Mann, der mutmaßt, der eigentliche ESC-Sieger sei Frans, ist ja ein Kluger, er hat viele Beiträge verfasst, die nachdenklich stimmen, auch auf eurovision.de hat er mitdiskutiert. Aber, so möchte ich sagen, hier sitzt er der üblichen Rede nach einem ESC auf: Denn der Eurovision Song Contest ist ein Wettbewerb an einem Abend, nicht über Wochen, nach denen über Verkaufszahlen ermessen wird, wer gewonnen hat, und wer sich hinter dem ersten Platz einfindet.
Zeitgenössischer Pop auch beim ESC erfolgreich
Frans' Titel hat den Vorentscheid in Schweden gewonnen, weil der Sänger in Schweden ein Kinderstar und insofern sehr bekannt war, aber vor allem, weil sein Lied ästhetisch die angenehmste Alternative zu allen aufgerüschten Acts war. Der Song beweist, dass auch zeitgenössischer Pop beim ESC erfolgreich sein kann, denn ein fünfter Platz im Grand Final ist ja nicht Nichts: Er ist sozusagen von Millionen stark gewertschätzt worden.
Nur: Der ESC ist ein Festival eines Abends. Es zählt das ganze Publikum, nicht allein das kaufwillige (CDs, Downloadeinheiten und so weiter). Wer gewinnen will, muss den Zuschauern in allen Ländern einen besonderen Moment bereiten, also eine Performance, die aus einer sehr guten Komposition und einem passenden Text eine brillante Vorstellung macht. Mit anderen Worten: Siegen kann nur, wer am stärksten in seinen oder ihren drei Minuten auf der Bühne zu verführen weiß. Und das war in der Summe die Ukrainerin Jamala, nicht der Schwede. Televotingkönig war ja der Russe Sergej Lazarev, die Australierin Dami Im hatte die meisten Juroren auf ihrer Seite, Jamala lag jeweils auf dem zweiten Platz.
Auch frühere Sieger nicht kommerziell erfolgreichste Künstler
In der ESC-Geschichte gab es immer Sieger des ESC, die nicht die kommerziell erfolgreichsten Künstler des jeweiligen Jahrgangs wurden. "Congratulations" von Cliff Richard im Jahr 1968 hatte mehr Verkäufe als Siegerin Massiel mit ihrem "La La La". Carola, Ofra Haza und Daniel waren 1983 stärker im Radio vetreten als Siegerin Corinne Hermès, doch Gewinnerin war vor 33 Jahren trotzdem die für Luxemburg startende Pariserin.
Frans darf sich freuen: Er hat Erfolg, sein Künstlerleben geht auch nach dem ESC weiter, er wird weitere Alben aufnehmen - und vielleicht findet er eines Tages aus der Rolle des mützentragenden Jungmanns heraus. Jamala darf schon jetzt sagen, dass sie den Zenit ihrer Karriere hinter sich hat. Es wird schwer für sie, das noch zu toppen. Aber: Sie war die Siegerin, egal, welche Zukunft sie vor sich hat. Das kann ihr niemand mehr nehmen.