Deutsches ESC-Auswahlverfahren: Daten und Fakten
Beim Eurovision Song Contest vergeben zwei unterschiedliche Gruppen pro Land jeweils zwölf Punkte: zum einen die Fernsehzuschauer, die per SMS oder Anruf abstimmen; zum anderen pro Land eine fünfköpfige Expertenjury, sogenannte Music Industry Professionals. Mitunter unterscheiden sich die Bewertungen stark. Das Ziel des deutschen Verfahrens 2020 ist, das Abstimmungsverhalten dieser beiden Gruppen abzubilden. Das heißt, der deutsche Beitrag für den Eurovision Song Contest 2020 wurde in diesem Jahr durch zwei unabhängige Jurys von Experten ausgewählt: eine "Eurovisions-Jury" mit 100 ESC-Kennern aus ganz Deutschland, die den internationalen Zuschauergeschmack abbilden sollen, und eine internationale Expertenjury aus 20 Musikprofis. Wer mit welchem Titel im ESC-Finale für Deutschland antreten wird, präsentiert Barbara Schöneberger auf ONE und im Livestream auf eurovision.de am Donnerstag, 27. Februar, um 21.30 Uhr in "Unser Lied für Rotterdam". Aber wie genau funktionierte die Auswahl? Hier die Daten und Fakten:
Die Jurys
Die Eurovisions-Jury: Von April bis Mai vergangenen Jahres wurden Menschen in Deutschland über Facebook und Instagram eingeladen, Teil der Eurovisionsjury zu werden. Jeder konnte teilnehmen. Rund 2,26 Millionen wurden erreicht. Am Ende haben 15.000 bei der Online-Befragung mitgemacht. Von ihnen wurden 100 ausgewählt - das Kriterium: Sie hatten im Vorfeld des ESC 2019 in Tel Aviv das europäische Televoting-Ergebnis von zehn zufällig gezeigten ESC-Beiträgen am besten vorhergesagt.
Die Expertenjury: Die 20 Musikprofis der Expertenjury gehörten alle schon einmal zur nationalen ESC-Jury ihres Heimatlandes. Sie kamen mit ihrer Einschätzung und den von ihnen vergebenen Punkten dem tatsächlichen Endergebnis aller Expertenjurys besonders nah.
Die Künstlerinnen und Künstler
Von April bis Juni 2019 wurde über YouTube, Facebook und Instagram nach vielversprechenden Nachwuchskünstlern und -künstlerinnen gesucht. Hinzu kamen direkte Bewerbungen, die alle berücksichtigt wurden. Zudem wurden einige Acts, die sich bereits in der Vergangenheit beworben hatten, angeregt, sich noch einmal zu bewerben. Insgesamt konnten die Jurys so 607 Künstler und Künstlerinnen für den ESC 2020 bewerten.
Die Songs
Um vielversprechende ESC-Songs zu finden, wurden frühzeitig etwa 100 nationale und internationale Songwriter sowie Produzenten gebeten, geeignete Titel einzureichen. Dabei wurde gezielt nach Songwritern gesucht, die in der Vergangenheit durch Erfolge beim ESC oder durch Charterfolge aufgefallen sind. Mit ihren Songs und Einreichungen über die Seite mein-esc-lied.de kamen über 460 Songs zusammen. Darüber hinaus war dem ESC-Team wichtig, dass besonders gut bewertete Künstler auch eigene Songs einbringen. Dafür wurden individuelle Sessions und mehrtägige Songwriting-Camps mit nationalen und internationalen Songwritern und Produzenten durchgeführt. In den Songwriting-Camps wurden zwischen Juni und Oktober 84 individuelle Songs geschrieben, produziert und im Studio aufgenommen. Außerdem wurden mehr als 20 weitere eigene Songs von diesen Künstlern eingebracht. Am Ende lagen den Jurys 568 verschiedene Songs vor.
Der Auswahlprozess
Alle Künstler sowie alle Songs wurden in mehreren Schritten bewertet: Im Juli erfolgte durch ein Mini-Panel mit 30 Top-Juroren aus der Eurovisions-Jury eine Vorbewertung aller 607 Künstler. Die 100 besten wurden anschließend von der gesamten Eurovisions-Jury bewertet und auf 50 reduziert. Diese 50 wurden dann im August ebenfalls durch die Experten bewertet. Danach stand das aggregierte Ergebnis der Top-50-Künstler fest. Die Bewertung der Songs erfolgte analog zur Bewertung der Künstler in mehreren Stufen durch die Mitglieder der Eurovisions-Jury und der internationalen Expertenjury auf Basis reiner Audiodateien. Die Juroren wussten nicht, von wem die Titel eingesungen wurden.
Im Oktober wählte ein Mini-Panel die besten 74 Songs aus. Diese wurden von der Eurovisions-Jury bewertet und auf 34 reduziert. Diese 34 Songs wurden ebenfalls durch die Experten-Jury bewertet. Danach stand das aggregierte Ergebnis der Top-34-Songs fest. In einem sogenannten Pairing wurden die besten Kombinationen aus Top-Künstlern und Top-Songs ermittelt. Kombinationen sehr gut bewerteter Künstler mit sehr hoch bewerteten eigenen Songs kamen automatisch weiter. Sehr gut bewertete Songs, die uns zugesendet worden waren, mussten noch mit geeigneten Top-Künstlern besetzt werden, was nicht immer möglich war, weil keine passende Stimmfarbe verfügbar war oder sich Künstler mit den jeweiligen Titeln nicht wohl fühlten.
Die stärksten 20 Kombinationen (zehn Künstler, 17 Songs) wurden im November in einem Tonstudio in Köln unter vergleichbaren Bedingungen in 20 Videos festgehalten. Dabei wurden einige Songs auch von mehreren Künstlern eingesungen. Jede Künstlerin und jeder Künstler hatte insgesamt nur drei Live-Durchläufe je Song und konnte sich dann selbst für die beste Version entscheiden.
Beide Jurys haben dann im November und Dezember diese 20 Videos bewertet. Der deutsche Beitrag für den ESC 2020 hat dabei beide Jurys überzeugt und die meisten Stimmen erhalten und stand am 12. Dezember 2019 fest. So konnte das ESC-Team schon im Dezember 2019 national und international erfahrene und renommierte Choreografen und Staging-Experten ansprechen, um den Bühnenauftritt für Rotterdam zu entwickeln.